Fürstenstein. Ein Moment, den wohl jeder geneigte Hobbykoch beim Blick in den Kühlschrank oder in die Vorratskammer immer wieder mal erlebt: Hier die offene Packung Hähnchenfilets, dort noch ein bisschen Joghurt, ein paar Tomaten, rote Beete, auch Aprikosen sind noch da. Erbsen und Bohnen ebenfalls. Zum Wegwerfen ist das alles freilich viel zu schade – und alles andere als nachhaltig. Doch was tun mit all den Resten? Was kann man daraus (noch) zubereiten? Fragen, die sich auch Hog’n-Autorin Bini Katz vor vielen Jahren zu stellen begann – und sich im Zuge dessen zur leidenschaftlichen „Resteköchin“ entwickelte. Ihre Ideen hat sie in ihrem digitalen Kochbuch „BINIs RESTaurant“ zusammengefasst.
Alles begann, als sie mit ihrer Familie aufs Land zog und nicht mehr der „kleine feine Gemüseladen in der Stadt“, sondern der örtliche Supermarkt zu ihrer (fast) einzigen Einkaufsquelle wurde. „Manches gab es gar nicht, anderes nur in – für uns – riesigen Gebinden“, erinnert sich die Fürstensteinerin, die den Wechsel zur „Neuen deutschen Küche“ – sprich: weg von der fettigen, süßen Nachkriegsküche, hin zur französischen „Nouvelle cuisine“ à la Paul Bocuse – vollzog. Daher fing sie irgendwann damit an, ihre Lebensmittel auch übers Internet zu beziehen. Ebenso kochte sie nicht mehr nach Rezept-Vorgaben, „sondern mit dem, was ich bekommen konnte und was im Kühlschrank war“. Freestyle, wie man dazu heute wohl sagen würde.
„Von Rezepten frei – und ich liebe es!“
Das Wort Nachhaltigkeit war damals noch nicht wirklich bekannt. Für Bini ist es eigenen Aussagen zufolge jedoch schon immer selbstverständlich gewesen, keine Nahrungsmittel wegzuwerfen. „Und so entwickelte ich mich nach und nach zur Resteköchin, von Rezepten befreit – und ich liebe es!“ Ihr Anliegen lautet: „Wenn ich mit meinem Buch den Spaß an einer kreativen Resteküche weitergeben kann, würde mich das sehr freuen.“
Und ja: Ein Blick hinein lohnt sich in jedem Fall. Gleich nach dem Vorwort gibt die Autorin wichtige Hinweise zum Gebrauch der PDF-Datei, erklärt dem Leser, wie ihr Reste-Kochbuch aufgebaut und zu nutzen ist. Für absolute Adobe-Reader-Neulinge bzw. weniger technik-affine Hobbyköche kann das durchaus das ein oder andere Stirnrunzeln hervorrufen. Ein bisschen Geduld muss man schon mitbringen, bis die Navigation verinnerlicht ist, aber dann flutscht es.
Im Absatz „Gut zu wissen“ werden verschiedene Begriffe, die auf Binis „Speisekarte“ vorkommen, näher erläutert. So erfährt der Leser etwa, was unter einer Vinaigrette oder einer Tomatenconcassée zu verstehen ist. Ebenso geht die Autorin auf die Verwendung von nativem und kalt gepresstem Olivenöl ein – oder unterrichtet über die sog. Maillard-Reaktion. Der Informationsgehalt ist dabei stets hochwertig, so mancher Küchen-Experte kann hier noch was dazulernen.
„Omi Friedas Suppenklößchen“
„Vieles, was man bei der Zubereitung als unverwertbar oder beim Essen als ungenießbar ansieht, kann nicht nur mit verwendet werden, sondern ist sogar ein besonderes Schmankerl“, davon ist Bini Katz überzeugt. „Das Rind liefert nicht nur Steaks, sondern auch das zu Unrecht in Vergessenheit geratene Kronfleisch; vom Schwein schmeckt nicht nur Kotelett, sondern auch Bäckchen – und aus einer Lammkarkasse kann man ein feines Ragù zubereiten.“ Ebenso fragt sie sich: „Warum vom Blumenkohl nur die Röschen essen? Wozu Tomaten oder Kartoffeln schälen? Die grünen Außenblätter vom Wirsing, das frische Grün von Mohrrüben kann man ebenso genießen wie die Früchte vom Radieschen und die Blütenblätter der Sonnenblume.“
Auf den Tisch landen dann Gerichte wie „Siedfleisch mit Wirsingblätter-Püree“, „Knoblauch-Schwein mit Avocado für Zwei“ oder „Omi Friedas Suppenklößchen“. Hier der herzhafte Mix aus Bratwurst, Weißbrot und Zucchini, dort das kulinarische Potpourri aus Blumenkohlblättern, Bolognese und Chili con Carne. Resteverwertung par excellence – auch wenn die Zusammensetzung auf den ersten Blick manchmal etwas exotisch anmutet, wie auch Hog’n-Naturkuchl-Koch Ben Roth feststellt: „Da sind schon ein paar waghalsige Geschmackspaarungen mit dabei“, merkt der Küchenchef im Restaurant „zur alten Schule“ in Mitterfirmiansreut an. Über sogenanntes Foodpairing lässt sich etwa im Falle von Schweinebratenrest, gepaart mit Curry oder Meeresfrüchten und Vanille gewiss streiten.
Grundsätzlich zollt Ben Roth der Autorin „fetten Respekt“ für ihr Kochbuch-Unterfangen. Vor allem die generelle Herangehensweise betrachtet er als „klassisch gelernter“ Koch als überaus interessant. „Im Zuge von Nachhaltigkeit und Wegwerfgesellschaft ein absolut cooles Prinzip“, wobei er offen zugibt, nicht jede von Binis Kochkunst-Variationen sogleich ausprobieren zu wollen.
Ben Roth: „Eine feine Sache“
Ein Sonderlob gibt es von seiner Seite auch für das ausführliche Glossar und Begriffsregister, „das vor allem denjenigen, die vorher nichts mit dem Kochen am Hut hatten, sehr hilfreich sein kann – so wird auch Laien die Sprache für die Profiküche nähergebracht“. Gut gefallen hat ihm ebenfalls Binis Rezept für die Frittata – „weil dort ein Grundrezept vorhanden ist und dann aufgezeigt wird, wie man die Basis noch veredeln kann“. Sein Gesamtfazit zu „BINIs RESTaurant“ fällt jedenfalls positiv aus: „Eine feine Sache.“
Stephan Hörhammer
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