Unzählige freie Lehrstellen, Fachkräftemangel: Handwerksbetriebe in der Region haben es definitiv nicht leicht. Im aktuellen Ausbildungsjahr gab es in Niederbayern laut Handwerkskammer einen Rückgang in Sachen Ausbildungsverträge um 10,6 Prozent. Ende August 2020 waren noch 724 Ausbildungsstellen in Niederbayern frei. „Wir haben im Laufe der letzten 15 Jahre einen massiven Schülerrückgang von etwa 79 Prozent zu verzeichnen. Mittlerweile haben wir uns auf niedrigem Niveau stabilisiert. Ein Aufwärtstrend ist momentan nicht zu erkennen“, sagt Lothar Graf, Abteilungsleiter „Ernährung“ an der Staatl. Berufsschule Passau.
Es stellen sich unweigerlich die Fragen: Wo ist es besonders schwierig? Wo sind Lichtblicke erkennbar? Das Onlinemagazin da Hog’n will in einer Serie über Sanitärfachleute, Schreiner, Maler und andere Berufszweige berichten, die täglich „Hand anlegen“. In Teil 3 gehen wir der Frage nach: Wie hoch ist die Malerdichte in der Region?
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Freyung. Die Auftragsbücher sind voll. „Wir sind den ganzen Sommer über ausgelastet“, sagt Sigrid Kölbl. Sie ist die Chefin des gleichnamigen Freyunger Malerbetriebs. Fünf Mitarbeiter beschäftigt sie, darunter einen Auszubildenden. Ein Familienunternehmen wie viele andere in dieser Branche, drei Generationen arbeiten hier. Alles bestens also?
„Personal ist Mangelware“, schränkt Sigrid Kölbl ein. Im Frühjahr hätte sie gerne zwei Malergesellen eingestellt, dann hätte sie noch ein paar Aufträge zusätzlich annehmen können. Gefunden hat sie nur einen. „Wer zu uns kommt, bleibt dann aber in der Regel lange im Betrieb“, berichtet die 47-Jährige.
Maler werden händeringend gesucht
So ist es auch bei ihrem Malermeister: „Heuer werden es vierzig Jahre“, sagt Helmut Madl. So lange ist er schon dabei. 1981 hat er seine Lehre begonnen – beim Malerbetrieb Kölbl. Er ist seinen Arbeitgebern treu geblieben, hat seinen Meister gemacht und denkt nicht daran, irgendwo anders hinzugehen. Wenn er wollte, könnte er das, da ist er sich relativ sicher: „Wer hier aufhört, könnte sofort bei einem anderen Betrieb anfangen.“
Das liegt auch daran, dass es sehr viele Malerfirmen in der Region gibt. „Eigentlich zu viele“, sagt Bernhard Zimmerling. Er bildet den Nachwuchs an der Berufsschule in Vilshofen aus und kennt die Branche daher gut. „Einige Betriebe kämpfen seit Jahren ums Überleben“, weiß er. „Durch die Masse herrscht ein starker Druck. Es werden Angebote abgegeben, die kaum die Selbstkosten decken.“
Die meisten Unternehmen in der Region sind kleine Familienbetriebe wie der von Sigrid Kölbl mit höchstens zehn Mitarbeitern. Da sei es definitiv oft schwer, mit den wenigen großen Konkurrenten mitzuhalten, bestätigt Kölbl. „An öffentlichen Ausschreibungen für Großbaustellen nehmen wir selten teil“, erklärt sie. „Weil die großen Firmen hier die Preise drücken.“ Oft müsse man schauen, dass überhaupt ein gewisser Gewinn hängen bleibt.
Aus diesem Grund nimmt Sigrid Kölbl hauptsächlich Aufträge auf Privatbaustellen an. Hier ist die Auftragslage gut, lediglich etwas schwerer planbar: „Die Kunden rufen uns an, wollen ein Angebot – und wenn es passt, sollen wir am besten sofort am nächsten Tag anfangen“, sagt die Unternehmerin und lacht.
Ladengeschäft als zweites Standbein
Helmut Madl schätzt am Familienbetrieb Kölbl, dass er immer mitreden darf und seine Meinung gefragt ist, wenn eine Entscheidung ansteht. „Gleichgestellt mit den Chefs will ich gar nicht sein“, sagt er mit einem Schmunzeln. Aber dass er miteingebunden wird, seine Ansichten Gehör finden, das motiviert ihn zusätzlich.
Dass sie in ihrem Malermeister einen loyalen Mitarbeiter hat, das weiß auch Sigrid Kölbl. Sie hat vor zehn Jahren das Geschäft von ihrem Vater übernommen. „Eigentlich sollte mein Bruder ihm nachfolgen“, erzählt sie. Als dieser jedoch tödlich verunglückte, entschied sich die gelernte Bürokauffrau das Unternehmen weiterzuführen. Die Entscheidung sei damals gemeinsam mit Malermeister Helmut Madl und ihrem Vater gefallen. „Wir machen nach wie vor das meiste zu dritt“, sagt Sigrid Kölbl. „Die Arbeit bedeutet eine große Verantwortung. Aber ich habe es nie bereut, dass ich die Nachfolge angetreten habe.“
1976 übernahm Vater Herbert Kölbl den Malerbetrieb von seinem Lehrmeister. „Damals war das nur eine kleine Garagenwerkstatt in der Schönbrunnerstraße in Freyung“, erzählt seine Tochter. Neun Jahre später kaufte Kölbl das ehemalige Sägewerk unterhalb des Landratsamts und baute es zur Werkstatt mit angegliedertem Ladengeschäft für Malereibedarf und Farben um.
Der Laden sei als Ergänzung zum Malerhandwerk ein ideales zweites Standbein, berichtet Sigrid Kölbl. Das Geschäft mit den Farben und dem Malerbedarf laufe sehr konstant. „Die Baumärkte haben wir als Konkurrenz nie stark bemerkt.“
Die dritte Generation arbeitet bereits mit
Und auch in der nächsten Generation wird es den Malerbetrieb samt Farbengeschäft noch geben. Jonas Irsigler, Sigrid Kölbls Sohn, arbeitet bereits als Malergeselle im Team mit. „Irgendwann will ich das Geschäft übernehmen“, blickt er voraus. Dass er mit dem Betrieb groß geworden ist, sei wahrscheinlich der Hauptgrund dafür, sich für die Ausbildung zum Maler entschieden zu haben, sagt er.
Auszubildende finde man am einfachsten, wenn die jungen Leute bei einem Praktikum in die Firmen reinschnuppern können, ist Sigrid Kölbl überzeugt. So sei es auch beim derzeitigen Lehrling gewesen: Dieser habe sich beim Berufspraktikum in der Schule für den Malerbetrieb interessiert – und dann festgestellt, dass ihm die Arbeit gefällt und sich schließlich um eine Lehrstelle beworben. „Wenn wir wieder einen neuen Azubi einstellen können, finden wir in der Regel auch einen“, berichtet Sigrid Kölbl. Stapelweise Bewerbungen landen jedoch nicht auf ihrem Schreibtisch.
Insgesamt ist der Malerberuf auf der Rangliste der beliebtesten Ausbildungsberufe gewiss nicht allzu weit oben angesiedelt. „Die Schülerzahlen gehen zurück. Der Trend ist eindeutig“, bestätigt Berufsschullehrer Bernhard Zimmerling. „Erfreulich ist aber der steigende Anteil an Mädchen. Die sind oft engagierter, zielorientierter und gebildeter als der Durchschnitt.“ Das hätten die Malerbetriebe mittlerweile auch erkannt.
Sabine Simon