Rinchnach. Darüber, inwiefern jene Anzeige in der Lokalzeitung das Ergebnis des ersten Wahlgangs zur Bürgermeisterwahl in Rinchnach beeinflusst haben mag, darf spekuliert werden. Feststeht: Sie war in aller Munde – und die Diskussionen darüber hallen bis heute nach. Kann man das, was Landrätin Rita Röhrl mit ihrer Postwurfsendung unter dem Titel „Meine Empfehlung für die Bürgermeisterwahl in Rinchnach“ im Vorfeld des ersten Urnengangs praktiziert hat, tatsächlich als „Einmischen“ in den Wahlkampf betrachten? Hat sie mit ihrem Unterstützungsschreiben für Kandidatin Simone Hilz ihre Neutralitätspflicht verletzt, wie Rinchnachs stv. Bürgermeister Ludwig Lemberger (FWG) der Landrätin im Rahmen der Presseanzeige vorwirft?
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Diese Anzeige in der Lokalzeitung sorgte für viel Diskussionsstoff in und um Rinchnach. Aufgegeben hatte sie Rinchnachs Zweiter Bürgermeister Ludwig Lemberger (Freie Wähler Gemeinschaft), der zuvor als Geschäftsleiter der Gemeinde tätig war. Screenshot: da Hog’n/Facebook
„Von ihrer Landrätin“ stand auf dem Kuvert, in dem sich das Empfehlungsschreiben befand, geschrieben. Unterzeichnet wurde es mit „Ihre Rita Röhrl, Landrätin.“ In welcher Amtsfunktion sie sich an die Rinchnacher Bürgerschaft wandte, ist somit eindeutig unzweideutig. Rita Röhrl hatte sich für Simone Hilz ins Zeug und ihr Amtsgewicht für die 34-Jährige, die für den Zusammenschluss „SPD/Parteilos“ kandidiert, in die Waagschale gelegt. Die „rote Rita“, wie sie in Polit-Kreisen genannt wird, hatte sich in den vergangenen Wochen bereits mehrmals mit ihr ablichten lassen, wie ein Blick in die Fotogalerie der Hilz’schen Facebook-Seite verrät. Genauso wie mit MdL Christian Flisek oder MdB Rita Hagl-Kehl, beides SPD-Abgeordnete. Im Wahlkampf scheint man eben sämtliche Register ziehen zu wollen, um ans Ziel zu kommen.
Scheint sich eingeschliffen zu haben
Fotos mit prominenten Parteigesichtern einerseits, ein persönliches Empfehlungsschreiben andererseits. Entsprechenden Beistand „von oben“ gibt es schon immer und in jedem Kommunalwahlkampf. Man denke da nur an das letztjährige Video des EVP-Vorsitzenden Manfred Weber für CSU-Schützling Stephan Ebner und dessen Mitbewerber für den Regener Kreistag. Oder Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich, der sich 2020 klar für seinen Partei-Spezi und Landratskandidat Sebastian Gruber positionierte. Das scheint sich über die Jahre hinweg eingeschliffen zu haben, scheint „normal“ geworden zu sein. Aber eine amtierende Landrätin, die sich im gegenwärtigen Wahlkampf per Empfehlungsschreiben direkt an die Bürger wendet, um ihnen zu erklären, warum das Kreuzerl bei Simone Hilz an der richtigen Stelle ist? Gab es das schon mal?
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„Für einen guten Kontakt braucht man sich nicht zu verstecken“, sagt Simone Hilz, (SPD/Parteilos) Stichwahl-Kandidatin bei der Bürgermeisterwahl in Rinchnach.
„Für einen guten Kontakt zu Behörden, Verbänden, Vereinen und/oder Führungskräften, im Übrigen auch zu Privatpersonen, braucht man sich nicht zu verstecken“, meint die aktuelle Rinchnacher Stichwahl-Kandidatin auf Hog’n-Nachfrage. Eine wenig verwunderliche wie verteidigende Aussage seitens Simone Hilz. „Mein Stil ist es nicht, auf diese Art und Weise mit Menschen umzugehen, öffentlich schon gar nicht“, spielt sie auf Lembergers Anzeige in der Lokalzeitung an und ergänzt: „Man kann unterschiedlicher Meinung sein, aber nicht beleidigend. Weiter werde ich hierzu nicht Stellung beziehen.“
Auf ihrer Facebook-Seite warf sie selbst die Frage in den Raum: „Braucht‘s öffentliche Unterstützung für ein Bürgermeisteramt?“ Eine Frage, die sie generell bejaht. Ihre Begründung: „Warum denn nicht!? Weil’s zeigt, dass wir gute Karten haben!? (…) Es klingt doch gut, sogar sehr gut, wenn die Zuständigen, die über Fördermittel und Gelder für die Kommunen entscheiden, von den Gemeinden, die anfragen, begeistert sind – und vor allem gern mit dem/derjenigen zusammenarbeiten. Weil‘s unkompliziert, freundlich, zuvorkommend ist. Dann heißt‘s nämlich: De Klousterer (…) machen gute Arbeit und sind bemüht, ihre Hausaufgaben richtig zu machen. Da unterstützt man gern. (…) Miteinander lachen ist schöner, als streiten!“ Das Ganze garniert mit mehreren Lach- und Blumen-Smileys.
„Grenze ist unzulässige Wahlbeeinflussung in amtlicher Eigenschaft“
Stichwahl-Kandidat Jürgen Stockbauer (CSU) möchte sich zur Anzeigen-Causa nicht äußern. Ebenso wenig Landrätin Rita Röhrl selbst, wie Pressesprecher Heiko Langer mitteilt. Für die rechtliche Bewertung von Rita Röhrls Handeln sei seiner Ansicht nach nicht primär die Rechtaufsicht am Regener Landratsamt zuständig, sondern die Rechtsaufsicht der Regierung von Niederbayern. „Wenn die Landrätin möglicherweise etwas falsch gemacht hat, muss das die Regierung feststellen“, so Langer.
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Regens Landrätin Rita Röhrl erntete mit ihrem Empfehlungsschreiben für Kandidatin Simone Hilz so manch kritische Stimme.
Eine Dienstaufsichtsbeschwerde seitens Ludwig Lemberger liegt der Rechtsaufsicht der niederbayerischen Regierung bis dato jedenfalls nicht vor, wie Pressesprecherin Sarah Pancur auf Hog’n-Nachfrage mitteilt. Sollte diese vorliegen, würde sich die Bezirksregierung damit auseinandersetzen. Die Klärung, ob ein Rechtsverstoß seitens Landrätin Röhrl aufgrund des Empfehlungsschreibens gegeben sei, erfolge im Rahmen der Überprüfung der Wahl – „also nach der Wahl“, so die weitere Auskunft. Zitat: „Nach der Wahl überprüft die dafür zuständige Rechtsaufsichtsbehörde, im Fall einer Bürgermeisterwahl das Landratsamt, nach Art. 50 GlKrWG von Amts wegen die Vorbereitung und die Durchführung der Wahlen sowie das vom Wahlausschuss festgestellte Wahlergebnis. Nach Art. 51 a GlKrWG kann die Entscheidung des Landratsamts gegebenenfalls im Rahmen einer Wahlanfechtung durch das Verwaltungsgericht überprüft werden.“
Landratsamt überprüft Handeln der Landrätin
Grundsätzlich gelte: „Meinungsäußerungen von Amtsträgern sind mit Blick auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung auch im Wahlkampf möglich. Grenze ist dabei eine unzulässige Wahlbeeinflussung in amtlicher Eigenschaft“, informiert Sarah Pancur. Diese könne beispielsweise vorliegen, wenn ein Landrat auf dem Briefpapier des Landratsamtes und mit dem Briefkopf des Landrats empfiehlt, einen konkreten Kandidaten zu wählen, informiert die Bezirkspressesprecherin weiter.
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Das Landratsamt Regen prüft nach der Rinchnacher Bürgermeisterwahl deren Vorbereitung und Durchführung. Zum Umfang der Prüfung zählt auch die Frage, ob Landrätin Röhrl mit ihrem Empfehlungsschreiben für Kandidatin Hilz möglicherweise unzulässig Einfluss auf die Wahl genommen hat. Foto: Hog’n-Archiv
Feststeht: Qua Gesetz muss laut Auskunft der Bezirksregierung das Landratsamt Regen als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde im Rahmen der (Nach-)Wahlprüfung auch das Handeln ihrer eigenen Amtsvorsteherin, Landrätin Rita Röhrl, noch einmal unter die Lupe nehmen. „Das ist auch nicht ungewöhnlich“, teilt Sarah Pancur weiter mit und fügt hinzu: „In jedem Fall einer persönlichen Betroffenheit muss sich ein Landrat aus der Prüfung und Entscheidung des staatlichen Landratsamtes heraushalten.“
Man darf also gespannt sein, welches Ergebnis die Überprüfung der Rinchnacher Bürgermeister-Stichwahl am Sonntag, 23. Mai, im Nachhinein zu Tage fördert. Das letzte Wort scheint hier noch nicht gesprochen zu sein…
Stephan Hörhammer