Grafenau/Innernzell. Die vergangenen Wochen, genauer gesagt die Zeit seit dem 20. April, haben am Nervenkostüm von Familie Ninnemann gezerrt. Lisa, die Tochter bzw. Schwester, scheint seit gut einem Monat wie vom Erdboden verschluckt. Eine Öffentlichkeitsfahndung der Polizei blieb ohne nennenswerte Ergebnisse. Dann: Zwei Faxe an den Arbeitgeber der 28-Jährigen, die Verwaltungsgemeinschaft Schönberg – ein Lebenszeichen, davon ist Bürgermeister Martin Pichler überzeugt. Nicht jedoch die übrigen Mitglieder der Innernzeller Familie. Am verlängerten Wochenende haben sich nun die Ereignisse überschlagen: Zwei weitere Brief mit Lisa Ninnemann als mutmaßlichen Absender sind aufgeschlagen – dieses Mal direkt bei ihren Angehörigen. „Die Suche wird wohl eingestellt, weil Lisa aus Sicht der Polizei lebt“, macht Bruder Simon gegenüber dem Hog’n deutlich. Doch es bleiben Fragen offen.
Die Geschichte von Lisa Ninnemann ist nach wie vor nicht richtig greifbar. Eindeutige Anzeichen sprechen dafür, dass die 28-Jährige tatsächlich am Leben ist. Genauso gibt es jedoch Ungereimtheiten, die zu Spekulationen anregen. Die wildesten Gedankengänge diktieren das Tagesgeschehen – sowohl in der Öffentlichkeit, aber auch innerhalb der Familie Ninnemann.
Die neuen Fakten: Am Freitag, 14. Mai, trudelte bei Lisas Mutter Martina ein Schreiben aus Spanien an. Der Poststempel zeichnet den 7. Mai als Absende-Termin. Am Samstag, 15. Mai, dann ein weiterer Brief – abgestempelt am 12. Mai in Portugal. Im ersten bittet Lisa ihre Familie u.a. darum, die Wohnung aufzulösen und das Auto abzumelden. „Praktisch eine Vollmacht“, erklärt Simon Ninnemann gegenüber dem Hog’n. Die zweite Botschaft beinhaltet „dass sie lebt, dass es ihr gut geht und sie uns lieb hat“. Soweit so gut. Soweit das Greifbare.
Die Handschrift konnte eindeutig zugeordnet werden
Der 25-jährige Bruder der Verschollenen bezweifelt jedoch aufs Neue, dass nicht seine ältere Schwester hinter diesen Nachrichten steckt. Wobei er zugibt, dass es sich bei den handschriftlich verfassten Zeilen „um ihre Schrift“ handele. Einmal mehr betont der Kfz-Mechaniker voller Vehemenz aber: „Das passt nicht zu Lisa. Das ist nicht sie. Sie würde nie ohne eine Anrede wie ‚liebe Mama‘ schreiben. Wir können es einfach nicht glauben. Lisa, so wie wir sie kennen, würde anrufen – keine unpersönlichen Briefe schicken.“ Simon Ninnemann ist es dabei ein Anliegen noch einmal zu betonen, dass kein Streit oder ein ähnlicher Auslöser Lisas Verschwinden vorausgegangen sei. „Sie würde uns niemals einfach so sitzen lassen.“
Unverständlich für die ra(s)tlos Suchenden ist außerdem, dass die Briefe von Orten auf der Iberischen Halbinsel abgesandt wurden, die mehr als 800 Kilometer auseinanderliegen. „Wie passt das zusammen?“, fragt sich Bruder Simon. Zudem hätten er, sein jüngerer Bruder Felix sowie Mutter Martina noch einmal die Wohnung der Abgängigen durchsucht. Das Ergebnis: Keine Auffälligkeiten. Keine Anzeichen für eine Flucht. Keine Anzeichen für Pläne, ein neues Leben beginnen zu wollen.
„Sogar der Vorratsschrank war voll. Getränke gekauft. Alles sauber und gepflegt.“ Alles in allem ist Familie Ninnemann, die inzwischen mehr und mehr dazu gezwungen ist, auf ihr Bauchgefühl zu setzen, überzeugt: „Lisa ist nicht freiwillig irgendwo hingegen.“ Und die Handschrift, die Hog’n-Informationen zufolge eindeutig der 28-Jährigen zugeordnet werden konnte? „Das kann schon sein, dass sie das geschrieben hat. Aber vielleicht unter Zwang oder anderer Einflüsse.“
Simon Ninnemann: „Wir werden nicht aufgeben“
Noch ist die offizielle Öffentlichkeitsfahndung auf der Homepage des Polizeipräsidiums Niederbayern einsehbar (Stand: 17.05.21, 15.15 Uhr). Doch Simon Ninnemann hat, wie er gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n verdeutlicht, bereits die Aufforderung dazu bekommen, per Facebook-Aufruf die Öffentlichkeit darauf hin zu weisen, dass die Suche offiziell eingestellt wird. Polizeihauptkommissar Andreas Fuchs von der PI Grafenau will diesen Schritt auf Nachfrage noch nicht kommentieren. „Wir werden die aktuelle Entwicklung erst einmal genau prüfen“, betont dieser.
Während von polizeilicher Seite also alles auf ein Ende der Fahndung nach Lisa Ninnemann hindeutet, werden Martina, Felix und Simon erst dann aufgeben, wenn sich die Schwester bzw. Tochter persönlich gemeldet und eindeutig geäußert hat, ihre Heimat aus freien Stücken verlassen zu haben. „Wir verstehen, dass sich die Polizei auf Fakten beruft und ihr deshalb die Hände gebunden sind, weiter zu ermitteln. Aber wir“, zeigt sich Simon stellvertretend für seine Familie kämpferisch, „wir werden sicher nicht aufgeben. Bestimmt nicht!“
Helmut Weigerstorfer
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