Bad Füssing. Die Zahlen sind ernüchternd. Daniela Leipelt spricht gar vom „kalten Grauen“, das beim Blick auf die Zahlendiagramme zum Thema Gästeankünfte bzw. Übernachtungen bei ihr ausgelöst wird. Beide Werte haben sich im Vergleich der Jahre 2019 und 2020 mehr als halbiert. Was Bad Füssings neue Kur- und Tourismusmanagerin jedoch auch feststellt: Es gibt ein leichtes Plus bei der Aufenthaltsdauer (von 7,2 auf 7,5 Prozent), zudem ist der Altersschnitt der Gäste von ’19 (66 Jahre) auf ’20 (61 Jahre) gesunken – „weil Familien und jüngere Leute aus einem näheren Umkreis unser Angebot genutzt haben“, schlussfolgert die 48-Jährige.

Geboren und aufgewachsen ist Daniela Leipelt, die nun die Nachfolge von Füssings langjährigem Kurdirektor Rudi Weinberger antritt, im Landkreis Altenkirchen in Rheinland-Pfalz. Nach ihrer Ausbildung zur Beamtin des mittleren nichttechnischen Dienstes und einer zweijährigen Verwaltungstätigkeit in einer Landkreisverwaltung absolvierte sie, neben ihrer beruflichen Tätigkeit auf der Insel Spiekeroog, ein duales Studium der Betriebswirtschaft mit den Schwerpunkten Marketing und Unternehmensführung mit dem Abschluss Betriebswirtin (BA). Danach führte sie ihr Weg in der Tourismusbranche von der Nordsee über Nordrhein-Westfalen und Berlin nach Baden-Württemberg, wo sie als Geschäftsführerin der Oberschwaben Tourismus GmbH fungierte.
„Mein Handlungsfeld war schon immer auch der ländliche Tourismus und der Gesundheitstourismus“, berichtet sie im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n. In Bad Füssing möchte sie u.a. das Thema Rad fahren bei der Ansprache der Zielgruppen noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Ebenso die Bereiche Gesundheit, Natur aktiv, Lifestyle und Well-Being vor allem bei den jüngeren Zielgruppen. Auch Produktentwicklungen in Zusammenarbeit mit den Hotelpartnern und Thermen sollen künftig eine wichtige Rolle spielen.
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Frau Leipelt: Wie fühlen Sie sich als neue Kur- und Tourismusmanagerin in Deutschlands übernachtungsstärkstem Kurort Bad Füssing?
Grundsätzlich positiv. Ich habe mich gefreut über meinen Dienstantritt zum 1. April und habe die Zeit bis dahin bereits genutzt, um mich intensiv mit Bad Füssing und den aktuellen Corona-bedingten Rahmenbedingungen für den Kurort auseinander zu setzen. Ich hatte die Hoffnung, dass wir bereits früher hätten starten können. Doch daraus wurde leider nichts als klar war, dass die dritte Welle über uns hereinbricht…
„ReStart-Kampagne werden wir zeitnah ausrollen können“
Es sind keine schönen Rahmenbedingungen für mich, weil ich sowohl mit meinem Team als auch mit Leistungsträgern und Kooperationspartnern vor Ort lieber in den direkten Austausch und in persönliche Gespräche gegangen wäre. Ich bin ein Mensch, der den direkten Kontakt schätzt, sich selbst ein Bild vor Ort macht und sich informiert, wie gewisse Abläufe funktionieren, die Arbeitsplätze gestaltet sind etc. Doch das alles ist gerade nur sehr eingeschränkt möglich.
Wir versuchen das zwar auch über digitale Konferenzen zu lösen, aber das persönliche Gespräch lässt sich dadurch nicht ersetzen. Derzeit sind viele Mitarbeiter in Kurzarbeit – und die Gesamtsituation ist weiter schwierig, aber es gibt nun aufgrund des Kabinettsbeschlusses vom 4. Mai 2021 erste Öffnungsperspektiven.
Was haben Sie als nächstes geplant?

Wir haben gerade digitale Vermieterversammlungen durchgeführt und wollen weiterhin im Austausch mit unseren Leistungsträgern bleiben – vor allem auch im Hinblick auf den nun baldigen Neustart des Tourismus in Bad Füssing. Das Team des Kur- & Gäste-Service arbeitet bereits seit einigen Wochen an einer umfassenden ReStart-Kampagne; diese werden wir nun zeitnah ausrollen können.
Wie schätzen Sie die Situation ein: Lastet nun als neue Tourismusmanagerin ein gewisser Druck auf Ihnen?
Natürlich. Aber das war mir mit dem Einreichen meiner Bewerbung bereits klar. Und ich habe mich ja bewusst dazu entschlossen, meine Bewerbung hier abzugeben. Der Druck, der auf mir lastet, als jemand, der die Koordination und die Öffnung nach der Corona-Pandemie mit zu verantworten hat, kommt jetzt noch hinzu. Die neue Arbeitsplatz-Situation bringt mit sich, sich vorerst zu orientieren und sich auf das Neue einzulassen. Doch damit kann ich umgehen. Ich war bei meinen bisherigen Stationen immer über mehrere Jahre hinweg in verantwortlicher Position tätig, habe große und kleine Teams geleitet. Natürlich möchte ich gerne demnächst den Blick auf einen Öffnungstermin gerichtet sehen, der sich hoffentlich Mitte bis Ende Mai ergeben wird. Aber ich kann das nicht prognostizieren.
„Teils durchaus noch unterpreisig veranlagt“
„Das Wir ist der Schlüssel für die weitere erfolgreiche Entwicklung“, hatten sie bei Ihrer Kurzvorstellung gesagt. Was heißt das konkret? Wie wollen Sie dieses Wir umsetzen?
Der Kurort Bad Füssing wird meines Erachtens von den Gästen als echter Wohlfühlort wahrgenommen, der herzliche Gastlichkeit lebt. Deshalb ist es unabdingbar, dass die komplette Dienstleistungskette mit all ihren Services harmoniert und der Gast erkennen kann, welche Kooperationen zwischen den Leistungsträgern bestehen. Hier gilt es, ein ganzheitliches Lebensraum- und Wohlfühlkonzept für Bad Füssing mit allen Branchen und Leistungsträgern zu entwickeln. Das ist eine Aufgabe, die nur gemeinsam über einen längeren Zeitraum hinweg gelöst und gelebt werden kann.

Im Qualitätsbereich sehe ich etwa, dass wir hier in Bad Füssing teils durchaus noch unterpreisig veranlagt sind. Das hat mich sehr erstaunt und ich habe mich gefragt: Wie können da manche Unternehmen noch profitabel wirtschaften und reinvestieren?
Das heißt, dass etwa die Vermietung von Zimmern teilweise zu günstig angeboten wird?
Ja, ich denke da kann man deutlich mehr verlangen, wenn auch die entsprechende Qualität stimmt. Es wäre aus meiner Sicht wünschenswert, gerade im Gastgeberbereich eine Qualitätsoffensive mit stärkerer Zielgruppenorientierung zu starten und die Services für den Gast weiter zu optimieren. Beispielsweise im Bereich Fahrradfreundlichkeit gibt es noch Potenzial für die einzelnen Betriebe hier, sodass am Ende ein gemeinsames Produkt-Qualitätssystem entstehen kann.
„Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen“
Als wie wichtig erachten Sie bei der Ausgestaltung dieses Wir-Gedankens die Hoteliers und Gastronomen?
Sie spielen eine ganz entscheidende Rolle. Der Gast kommt ja in erster Linie beim Gastgeber an. Wie herzlich er dort willkommen geheißen und aufgenommen wird, ist maßgeblich für die Beurteilung des Gesamtaufenthalts. Wir als Kur- & Gäste-Service müssen hier die komplette Customer Journey im Blick haben und dem Gast vor der Reise als auch am Urlaubsort die gewünschten Informationen und Services bieten. Die Gastgeber sind hierbei ganz wichtig, weil sie die entsprechenden Empfehlungen geben. Damit übernehmen sie wesentliche Elemente der Gästeinformation und -betreuung. Das wertschätze ich sehr – und das muss auch von uns unterstützt werden. Genauso die Gastronomie: Insbesondere Regionalität und Nachhaltigkeit machen einen Gesundheitsstandort wertvoll.
Was denken Sie: Wie lange wird die Coronakrise noch Thema sein in Bad Füssing?

Für mich ist maßgeblich, dass sich das Sicherheitsbedürfnis unserer Gäste auch nach Corona nicht grundlegend ändern wird. Dass man sich zur Begrüßung die Hand gegeben oder – wenn man sich näher kannte – umarmt hat, war ein wichtiger Teil der persönlichen Wahrnehmung und Wertschätzung. Ich denke jedoch nicht, dass man hier wieder so schnell umswitchen wird. Es wird andere Formen des Willkommenheißens geben – sicherlich mit mehr Abstand. Umso wichtiger ist, dass der persönliche Austausch zwischen Gastgebern und Gästen auch in Zukunft nicht zu kurz kommen darf.
Wird es jemals wieder so sein wie vorher?
Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen und die Menschen sind geprägt von der Zeit der Pandemie. Auch die Tourismusbranche und die Erwartungen der Gäste an einen Urlaubsort haben sich verändert – und es wird ein großes Plus für Bad Füssing sein, sich mit den bewährten Themen wie Sicherheit und Gesundheit noch einmal ganz neu auf dem Gesundheits- und Tourismusmarkt zu positionieren. Es gibt also echte Chancen – auch für Menschen, die das Thema Kur- und Gesundheitstourismus neu entdecken wollen.
„Da kann ich die Frustration sehr gut nachvollziehen“
Die Kuraufenthalte sollen ja auch wieder als Pflichtleistung von den Krankenkassen übernommen werden, heißt es.
Ja, das ist angedacht. Zunächst muss das Gesetz in Kraft treten und dann wird jede Krankenkasse für sich auslosten, wie die Umsetzung im Detail erfolgen kann. Es bleib abzuwarten, welche Vorgaben durch den Gesetzgeber erfolgen. Die Chance ist da – und es wäre für Bad Füssing sicher ein großer Gewinn. Wir hoffen, dass die neue Regelung Vorteile für uns mit sich bringt.
Welche Erwartungen bzw. Forderungen haben Sie nun an die Politik, um die Krise bewältigen zu können? Sind Sie zufrieden mit der bisherigen Strategie?

Ich kann mich da den Forderungen des Deutschen Tourismusverbandes anschließen, der ja auch sehr bemüht war auf Bundesebene gewisse Dinge stärker zu lancieren. Ich verstehe auch, dass da landestouristische Themen eine Rolle spielen. Dass man einerseits zu Ostern Mallorca buchen konnte und andererseits die Hotels und Thermalbäder hier in Bad Füssing geschlossen bleiben mussten, war für mich und viele weitere Akteure nicht nachvollziehbar. Dafür fehlte mir am Ende wirklich das Verständnis.
Was ich ebenso vermisse: dass sich die Politiker die Situation vor Ort genauer anschauen. Ich habe das Gefühl, das bis dato zu viel am Schreibtisch entschieden wurde und dass die Konzepte von verschiedenen Tourismusverbänden nur wenig Gehör gefunden haben. Viele Betriebe, die im vergangenen Jahr noch investiert und Ideen umgesetzt haben, um den Betrieb am Laufen zu halten, mussten mit Beginn des zweiten Lockdowns dann dauerhaft schließen. Da kann ich die Frustration sehr gut nachvollziehen.
„Herr Söder ist herzlich eingeladen“
Denken Sie, dass – wie zuletzt geschehen – neben Gesundheitsminister Holetschek auch Ministerpräsident Söder einmal nach Bad Füssing kommen sollte, um sich ein Bild vor Ort zu verschaffen?
Beide sind sehr herzlich eingeladen, um sich vor Ort ein Bild zu verschaffen und sich von unserem Besucherlenkungs- und Hygienekonzept zu überzeugen. Es hat mich daher sehr gefreut, dass Klaus Holetschek, Staatsminister für Gesundheit und Pflege, erst vor kurzem vor Ort war und mit uns und unseren Leistungsträgern in den direkten Austausch getreten ist. Vielleicht hat sein Besuch auch mit dazu beigetragen, dass nun endlich eine Öffnungsperspektive da ist.

Was wäre Ihrer Meinung nach die richtige Öffnungsstrategie?
Wir haben eine Restart-Kampagne in der Schublade, die wir sofort zünden können – auch in enger Absprache mit den Leistungsträgern. Sie ist so aufgesetzt, dass sich der gesamte Ort dieser Maßnahme anschließen kann und soll. Verraten darf ich allerdings noch nichts (lacht)...
Abschließend: Was wäre mittelfristig ihr größter Wunsch?
Dass wir tatsächlich zum 21. Mai 2021 gemeinsam mit unseren drei Thermen öffnen können.
Vielen Dank für Ihre Zeit – und alles Gute weiterhin.
Interview: Stephan Hörhammer