Bad Kötzting. Florian Huber sitzt im Herzstück der „Post“, wie die Einheimischen das Lokal nennen, der Gaststube. Original Mobiliar und ein Kachelofen, der um 1740 gebaut wurde. An einigen Figuren in den Kacheln sind die Hände abgebrochen. Die sollen amerikanische Soldaten in der Zeit, als die Post als Kriegslazarett diente, als Souvenir mitgenommen haben. Fast schon traurig blicken einen die leeren Stühle und nackten Tische heute an. In dem Wirtshaus, das Geschichten aus vielen Jahrhunderten erzählen könnte und in dem sonst so viel Leben, Trubel und Heiterkeit herrscht, ist nun die unfreiwillige Stille eingekehrt. Doch nicht Corona steht im Mittelpunkt, nein. Es ist das Bier aus der hauseigenen Brauerei.
Vor zehn Jahren hob die Wirtsfamilie Huber ihr „Baby“ aus der Taufe. Am ersten Aprilwochenende 2011 durfte die Öffentlichkeit erstmals das selbst gebraute Bier genießen. Seitdem gehört der Brauereigasthof „Zur Post“ mit zu den überaus kleinen wie feinen Mikrobrauereien im gesamten ostbayerischen Raum.
Keine Schnapsidee: Das hauseigene Bier
„Bis Mitte der 70er Jahre gab es hier die Brauerei Schmidt. Familie Schmidt war auch der letzte Eigentümer des Gebäudes, bevor es die Stadt Bad Kötzting erworben hat“, erzählt der Herr des Hauses. Seit 1985 betreibt Familie Huber den Gastronomiebetrieb, sprich: Gasthof und Hotel inklusive Saal, wobei der frühere Junior mittlerweile seit 2009 Chef ist, die Eltern aber zu seiner Freude beide noch im Betrieb mitarbeiten – und die „heimlichen Chefs“ sind, wie er schmunzelnd anmerkt.
„Vor vielen Jahren saß ich mit einem alten Freund zusammen und wir malten uns aus, wie großartig es doch wäre, wenn die Post ihr eigenes Bier brauen würde, zumal es im Gasthof schon einmal eine Brauerei gab und das Braurecht bereits seit der Erbauung vor dem Dreißigjährigen Krieg auf dem Gebäude liegt. Jedoch alles nur Ideen, Träume, Hirngespinste, die ich wieder ad acta gelegt hatte“, erinnert sich Florian Huber.
Als die Post schließlich umgebaut und erweitert worden ist und ein neuer Frühstücksraum entstehen sollte, wurde aus der Not heraus der einstige Traum Wirklichkeit – wobei dem Sohn zufolge hierbei Mama Huber die Ideengeberin und treibende Kraft gewesen ist. Beim Durchbruch stellte man fest, dass sich in dem Gebäudeteil die Hauptgasleitung des Hauses befindet und sich der Raum somit nicht als Frühstücksraum eignen würde. Also wurde er kurzerhand in eine Brauerei umfunktioniert.
Der Koch als quereinsteigender Brauer
Florian Huber, gelernter Koch mit vielfältiger Auslandserfahrung plus betriebswirtschaftlicher Ausbildung, wurde also mehr oder weniger von jetzt auf gleich zum quereinsteigenden Braumeister. „Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung vom Bier brauen, sondern nur vom Bier trinken“, sagt er und lacht. „Aber unser Anlagenbauer war auf Quereinsteiger spezialisiert. Auch der Firmeninhaber half mir sehr und brachte mir die Basics in Sachen Bierbrauen bei.“
Der „Rest“ war learning by doing. „Im Laufe der Zeit bekam ich ein immer besseres Gespür für die Brauparameter und für den Geschmack unserer drei Biersorten, der anfänglich von Braugang zu Braugang oft stark variierte“, erinnert sich Florian Huber. Un aus dem einem Baby wurden dann sogar Drillinge – das „Rittergold Hell“, die „Ritterweiße“ und „Leopold dunkel“.
Das Bier soll dahoam bleim
Wie es zu diesen ritterlichen Namen kam? Denn die Ritter passen doch eher zu Furth im Wald – in Bad Kötzting wäre es wohl vielmehr der (Pfingst)Reiter. Florian Huber erzählt, dass es direkt neben der Post, wo heute das Ladengeschäft der Kaffeerösterei Gscheid.Haferl beheimatet ist, einmal ein Salettl gab – eine Art „Club“ für die Herren der feinen Kötztinger Gesellschaft. Sie sollen dort Ritterspiele ausgetragen haben – und da die Brauerei Schmidt aufgrund dieser Tatsache die Ritternamen bereits im Sortiment führte, blieb man dieser Tradition treu. „Der Leopold bekam seinen Namen zu Ehren des Chefs der Anlagenfirma, der mir damals so geholfen hat. Leider ist er schon verstorben. Sein Name soll in unserem Bier weiterleben.“ Tradition und Geschichte – beides sind die Markenzeichen für Gaststätte und Gerstensaft.
„Unser Bier war von Anfang ein riesiger Erfolg, mit dem wir nie gerechnet hätten. Anscheinend schmeckt es den Leuten. Ich möchte klassische bayerische Biere brauen, die in ein Wirtshaus passen“, stellt Florian Huber zufrieden fest. Es könnte freilich noch um ein Vielfaches mehr an den Biergenießer gebracht werden, doch die „Ritter“ und der „Leopold“ werden nur in der Gaststätte ausgeschenkt – und so soll es auch bleiben. Die Brauerei größer aufzuziehen, um dann in den Verkauf zu gehen, möchte der Wirt nicht. Jetzt jedoch, in Coronazeiten, gibt es die drei Sorten auch „to go“.
On the road again? – Das Biermobil steht in den Startlöchern
Bei einem Besuch auf einer Malzmesse sah Florian Huber ein zu einem Bierwagen umfunktioniertes Feuerwehrfahrzeug und wollte die Idee sogleich für seinen Betrieb umsetzen. Brauerei und Biermobil – eine nahezu perfekte Kombination. Heute steht ein roter Bulli in der Garage – komplett ausgerüstet mit Theke und bereit für „Löscharbeiten“ bei Feiereinsätzen.
Bis jetzt hat der optische Hingucker noch nicht viele Bierkilometer auf den Rädern, da er momentan pandemiebedingt rasten muss. Einrosten wird er sicherlich nicht, denn wenn das Leben endlich wieder anders wird, soll er durchs Kötztinger Land rollen. Den „Bierbulli“ gibt’s zu mieten – genauso wie den Wirt, den der ist selbst mit an Bord…
Melanie Zitzelsberger