Spiegelau/Ilzer Land. Die wohl prägendste Figur der ILE Ilzer Land ist weg. Der einstige Perlesreuter Bürgermeister und jetzige Landtagsabgeordnete Manfred Eibl hat den Vorsitz des Trägervereins abgegeben. Sein Nachfolger ist Werner Weny, der seinem Vorgänger nur in Nuancen nachsteht. Denn auch der 64-jährige Spiegelauer – bis Ende des Jahres noch Leitender Baudirektor am Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern (ALE) – ist ein Mann der ersten ILE-Stunde. Wir haben ihm ein paar Fragen zum Einstand gestellt.
Herr Weny: Sie sind zum neuen Vorsitzenden der ILE Ilzer Land gewählt worden und somit Nachfolger von Manfred Eibl. „Er ist ein Macher, Vordenker und Visionär“, fand stellv. Landrätin Helga Weinberger bei der jüngsten Mitgliederversammlung lobende Worte für den scheidenden Perlesreuter. Wie groß sind die Fußstapfen, in die Sie nun treten?
Die Fußstapfen von Manfred Eibl sind sehr groß. Die Worte von Helga Weinberger in der Mitgliederversammlung kann ich nur unterstreichen. Mit ihm war die Zusammenarbeit von Beginn an ein partnerschaftliches und sehr harmonisches Miteinander. Wir kennen und schätzen uns ja schon an die 30 Jahre. Meine Arbeit wird sicherlich von meiner zurückliegenden Tätigkeit am Amt aber auch von zahlreichen Terminen im Ilzer Land geprägt sein. Teamarbeit wird auch weiterhin meinen Arbeitsstil bestimmen. Dies habe ich bereits angekündigt.
Vom Prozessbegleiter zum Entscheidungsträger
Kam die Wahl überraschend für Sie?
Die Wahl kam für mich nicht überraschend. Manfred Eibl hat mich vorab informiert, dass er für eine weitere Periode nicht mehr zur Verfügung stehe. Die Abgeordnetentätigkeit erlaube es nicht mehr, zusätzliche Aufgaben mit der erforderlichen Intensität auszuüben. Sein Vorschlag ihm nachzufolgen, wurde im Kreis der Bürgermeister vorab besprochen. Wie nahe ihm sein Rückzug ging, spürten alle Anwesenden in der Mitgliederversammlung bei seinen abschließenden Worten. Mit Stolz blickte Manfred Eibl auf die Erfolge des Ilzer Landes zurück und appellierte an die Vorstandsmitglieder die interkommunale Zusammenarbeit weiter zu entwickeln. Man spürte, mit wie viel Herzblut er am Verbund hängt, aber auch welch enorme fachliche Kompetenz er einbringt. Umso verständlicher war die Wahl von Manfred Eibl zum weiteren Stellvertreter des Vorsitzenden.
Was bedeutet diese Wahl für Sie persönlich?
Für mich bedeutet die Wahl, dass ich vom Prozessbegleiter in eine wichtige Vereinsfunktion wechsle. Das mir entgegengebrachte Vertrauen ehrt mich ungemein. Ich freue mich, dass ich mich auch weiterhin für die Ilzer-Land-Gemeinden einbringen kann.
Die ILE ist in verschiedenen Handlungsfeldern aktiv: von der Innenentwicklung bis zum Tourismus, von der Jugendarbeit bis zur Wirtschaft. Was ist Ihr Steckenpferd?
Das Ilzer Land agiert aktuell in neun Handlungsfeldern. Da alle Handlungsfelder vernetzt sind, habe ich kein spezielles Steckenpferd. Natürlich bin ich durch meine Tätigkeit am ALE mit den Programmen der ländlichen Entwicklung in besonderem Maße vertraut.
Alle Kräfte für die Bewältigung der Coronakrise
Welche konkreten Auswirkungen hat die Coronakrise auf die Arbeit der ILE Ilzer Land?
Corona hat auch die Gemeinden fest im Griff. So zeichnen sich negative Auswirkungen in den Ortskernen ab. Die Handlungsfelder Innenentwicklung und Wirtschaft werden noch mehr – ohne Vernachlässigung anderer Themen – in den Fokus rücken. Wir werden im Team alles daran setzen, dass die Erfolge der vergangenen zehn Jahre nicht durch die Folgen von Corona zunichte gemacht werden.
Das heißt konkret?
Natürlich ist der Gemeindeverbund bzw. sind die jeweiligen Kommunen auf Unterstützung angewiesen. Städtebauförderung und Amt für Ländliche Entwicklung sind wie schon in den zurückliegenden Jahren die wichtigsten Partner. Die Kooperation zwischen Verein, Städtebauförderung und ALE ist nach wie vor ein erfolgversprechender Ansatz, der nun weiterentwickelt wird.
Zwölf Gemeinden sind derzeit Mitglied in der ILE Ilzer Land. Sollen es künftig noch mehr werden?
Diese Frage stellt sich aktuell nicht, da momentan alle Kräfte für die Bewältigung der Coronakrise eingesetzt werden. Zudem sind alle angrenzenden Kommunen in ILE-Verbünden organisiert. Noch mehr wie bisher stellt sich daher die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen den ILE-Verbünden verbessert werden kann. Frei nach dem Motto: Nicht jeder muss die gleiche Sache neu erfinden. Sehr positiv ist beispielsweise die Zusammenarbeit der ILE Passauer Oberland auf dem Gebiet Tourismus und Ökomodellregion.
„Entscheidend ist der Nutzen der Arbeit“
Was denken Sie: Warum ist das Konzept der ILE so erfolgreich? Oder anders gefragt: Warum kommt man heute mit dem sog. Kirchturmdenken nicht mehr weit?
Diese Frage lässt sich sehr einfach beantworten: ILE löst nicht alle kommunalen Probleme, aber viele Aufgabenstellungen sind in den Gemeinden identisch. Hier gibt es Potenzial für Kooperationen und damit Synergieeffekte. Die Vorteile für interkommunales Handeln sind insbesondere
- die Einsparung von Kosten (z.B. interkommunales Gewerbegebiet, gemeinsame Ausschreibung, Kooperation von Bauhöfen, Datenschutz)
- höhere Qualität von kommunalen Leistungen (gemeinsame Archivarin, gemeinsame Spezialisten für Digitales im Verbund usw.)
- Realisierung von gemeinsamen Projekten und Maßnahmen, die eine einzelne Gemeinde nicht stemmen könnte
- stärkere Position im Auftritt als Verbund usw.
Seit 2005 wurden rund 500 Projekte zum Laufen gebracht: Welche Meilensteine befinden sich aus Ihrer Sicht darunter?
500 Projekte dürften bei weitem nicht mehr ausreichen. In jedem der neun Handlungsfelder wurden großartige Fortschritte erzielt. Die Auszeichnungen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene belegen dies. Entscheidend sind jedoch nicht Preise und Auszeichnungen, sondern der Nutzen unserer Arbeit für die Kommunen und damit für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort.
Einige Beispiele, die ich als Meilensteine werte, sind die
- Kooperation zwischen Verein, Städtebauförderung und ALE
- Netzwerke der Unternehmer, Jugend- und Seniorenbeauftragten
- Fortschritte der Ökomodellregion und im Themenfeld Energie
- Digitalisierungsoffensive
- Kooperation der verschiedenen kommunalen Bereiche (Geschäftsführer, Bauhöfe usw.)
Diese Liste ließe sich nach 15 Jahren noch weiterführen.
„Kulturelle Identität ist ein Querschnittsthema“
Stichwort „kulturelle Identität“: Was kann der Verein Ilzer Land e.V. hier bewegen?
Ein wichtiger Punkt. Kulturelle Identität ist ein Querschnittsthema. Sie spielt in allen Handlungsfeldern eine wichtige Rolle. Gerade Corona zeigt uns, dass diese weichen Faktoren nicht zu unterschätzen sind. Verstärkt werden wir dieses Thema zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger im Ilzer Land forcieren.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass gegenseitiges Vertrauen der Akteure auch weiterhin die Zusammenarbeit bestimmt. Gegenseitiges Vertrauen ist das Fundament einer erfolgreichen ILE. Ich wünsche mir natürlich auch eine schnelle Bewältigung der Coronakrise. Und wie alle hoffe ich, dass wir im Team die Folgen überwinden und weiterhin mit Innovationen die Region voranbringen.
Vielen Dank für das Interview, alles Gute für die Zukunft – und ganz wichtig: Gesund bleiben.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer