Schöfweg/München. Geht am 18. Februar alles gut, ist die Beziehung zwischen dem Bayerischen Wald und dem Mars um eine Verbindung reicher. Dann nämlich landet die Marsmission „Perseverance“ (auf Deutsch: Durchhaltevermögen) auf dem roten Planeten. Darin verbaut: ein Detektor aus dem Hause KETEK. Die KETEK-Geschäftsführerin, die bei Schöfweg lebende Silvia Wallner, „sitzt bereits jetzt auf heißen Kohlen“, wie sie im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n berichtet. Denn der heikelste Teil der Mission – die Landung – steht noch bevor...
Wallners Unternehmen mit Sitz in München produziert Dinge, die nicht unbedingt für die „breite Masse“ bestimmt sind. Innovationen tragen Namen wie „VIAMP“, „DPP2“ oder „VICO-DV“. Bekannt ist die Firma vor allem für ihre Silizium-Drift-Detektoren. Klingt kompliziert? Wallner beruhigt schmunzelnd: „Ich muss ganz ehrlich sagen, ich verstehe unsere Produkte selbst nicht immer bis ins aller letzte Detail.“ Das Ganze sei „eine hochkomplexe Angelegenheit“. Für solche Fälle stehen ihr zwei promovierte Physiker als Co-Geschäftsführer zur Seite – sowie ein rund 120-köpfiges Team von Physikern und Elektronikern.
Physikalische Fußstapfen
Die Detektoren, die die Firma KETEK herstellt und an Kunden in alle Welt liefert, sind nur ein kleiner Bestandteil des jeweiligen Endprodukts – aber meist „das Herzstück“, wie Wallner betont. Zum Einsatz kommen sie etwa am Schrottplatz, wenn es darum geht, die Qualität von Eisen und Metallen zu bestimmen. Oder wenn es darum geht, Kunstfälschern auf die Schliche zu kommen: Das fragliche Gemälde wird dabei mit einem Analysegerät bestrahlt – und die reflektierte Strahlung wird vom Detektor analysiert. „Das funktioniert, da man weiß, welche Bestandteile früher in den Farben der Gemälde verwendet wurden“, erklärt die Geschäftsführerin weiter. Finden sich Bestandteile, die nicht in die Zeit passen, hat man es höchstwahrscheinlich mit einer Fälschung zu tun. Eine Fälschung, die der Detektor erkennt, ohne das Gemälde zu beschädigen – ein gravierender Vorteil gegenüber anderen Analyseverfahren.
Dass Wallner einmal an der Spitze eines Hightech-Unternehmens steht, hätte die 48-Jährige bis vor wenigen Jahren wohl nicht zu träumen gewagt. Dabei sollten die (genetischen) Voraussetzungen nicht die Schlechtesten sein: Ihr Vater, Josef Kemmer, promovierte am Institut für Radiochemie der TU München und war mehr als 20 Jahre Leiter des Physikdepartments der TU Garching. Im Jahr 1989 gründete er die Firma KETEK, Tochter Silvia drückte da noch die Schulbank – um später BWL mit Schwerpunkt Tourismus zu studieren. Auch nicht gerade „physikalisch“…
(Fast) allein unter Männern
Doch mit wachsender Firma stand auch die Frage im Raum, wer den Vertrieb organisieren soll. Also stieg Silvia Wallner im Januar 2000 im Unternehmen ihres Vaters mit ein. Nur sieben Jahre später übernahm sie die Geschäftsführung. Seither steht sie als Betriebswirtin nicht nur an der Spitze eines Tech-Konzerns, sondern auch als Frau an der Spitze einer von Männer dominierten Branche.
Darauf angesprochen, muss sie kurz lachen. „Ja, wir geben unser Bestes“, sagt sie dann. Dieses Jahr seien es immerhin zwei weibliche Azubis gewesen, die im Betrieb ihre Lehrzeit begannen. Da sei man schon „stolz drauf“. Denn die meisten Uni-Absolventen in diesem Bereich sind nunmal Männer – und stellen damit auch das Gros der Bewerber.
„Ich denke“, berichtet Wallner weiter, „es wandelt sich langsam: Der Frauenanteil wird von Jahr zu Jahr größer“. Doch sie betont gleichzeitig: „Es ist ein langsamer Prozess“. Die 48-Jährige habe persönlich damit nie Probleme gehabt. Dadurch, dass sie bei KETEK „von der Pike auf“ gelernt hat, „ist auch die Akzeptanz der Kolleginnen und Kollegen größer“. Rund 85 Prozent der KETEK-Beschäftigten sind männlich, so auch die beiden Co-Geschäftsführer.
Von der Erde zum Mars in sechs Monaten
Silvia Wallner, geboren im Norden von München, lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen auf einem Hof bei Schöfweg. Von dort aus wird sie am 18. Februar am Bildschirm mitverfolgen, ob die „Perseverance“ mitsamt KETEK-Detektor eine sanfte Mars-Landung hinlegen wird.
Klappt dies, soll der Mars-Rover für mindestens sechs Monate – günstigstenfalls sogar mehrere Jahre – die Bestandteile und Elemente von Marsgestein untersuchen. Nach dem Start in Cape Canaveral (Florida, USA) am 30. Juli hat der Rover zum Zeitpunkt der Landung eine rund sechsmonatige Reise hinter sich – verhältnismäßig kurz, wie Wallner erklärt, da die Konstellation Erde-Mars gerade besonders günstig, das heißt: distanzarm, sei.
Dass die NASA, unter deren Federführung die Mission stattfindet, auf ein bayerisches und kein US-amerikanisches Unternehmen zurückgreift, macht Wallner ein klein wenig stolz. Denn erfahrungsgemäß gelte hier das Prinzip: „America first!“ Nach Mars-Rover „Spirit“ (2003) und „Curiosity“ (2011) erhielt KETEK nun bereits zum dritten Mal einen Auftrag der NASA. Was die bevorstehende Landung anbelangt, gibt sich Wallner daher optimistisch: „Das ging bei allen anderen Missionen gut – das wird auch dieses Mal klappen.“ Gute Chancen also, dass die NASA auch künftig am Prinzip „Bavaria first!“ festhält…
Johannes Greß