München/Hinterschmiding. „Wenn ich groß bin, werde ich Feuerwehrmann“ – Martin Lehner hat sich denjenigen Traum verwirklicht, den viele kleine Buben träumen. Der 29-Jährige ist „Blaurock“ – und zwar nicht, wie viele Wehrler in der Region, auf freiwilliger Basis, sondern hauptberuflich. Seit Ende 2013 steht der Hinterschmidinger im Münchener Ortsteil Schwabing in den Diensten der dortigen Feuerwache. Doch von der Bilderbuch-Romantik dieses Berufs ist der Alltag inzwischen weit entfernt, wie Brandmeister Lehner erklärt. Das Anforderungsprofil an ihn und seine Kollegen hat sich gravierend verändert: Waren sie früher die uneingeschränkten Helden, die mit Blaulicht und Sirene durch die bayerische Landeshauptstadt preschten und hauptsächlich Brände löschten, haben sie sich mittlerweile zu häufig im Verborgenen arbeitenden Allrounder entwickelt, die auch im medizinischen und vor allem technischen Bereich im Einsatz sind.
Dennoch steht für Martin Lehner fest, dass er seinen „Traumberuf“ gefunden hat. Diese Einschätzung kommt nicht von ungefähr, hat der 29-Jährige doch schon so einiges ausprobiert, was seine berufliche Karriere angeht. Und meistens kommt es ohnehin ganz anders, als man denkt. Denn eigentlich war bereits früh klar, wie der Hinterschmidinger sein Geld verdienen wird: nämlich als Lehrer. „Ja, da gibt es eine gewisse Vorprägung“, macht er mit einem Augenzwinkern deutlich und verweist darauf, dass sein Vater und auch seine drei Brüder im Schuldienst aktiv sind. Und auch er ist als jüngstes Mitglied der Familie Lehner zunächst auf den pädagogischen Zug aufgesprungen. „Nach fünf Semestern ist mir jedoch mehr und mehr klar geworden, dass ich nicht weitere 40 Jahre in die Schule gehen möchte“, erzählt er. „Freilich, es wäre der einfachere und bequemere Weg gewesen. Aber ich wollte aus meinem Leben mehr rausholen.“
„Als Gymnasiast hatte ich zunächst zwei linke Hände“
Dass ein vorzeitiger Abbruch des Studiums ein gewisses Risiko darstellt, war dem Beinah-Lehrer von Beginn an klar. Deshalb war es für ihn besonders wichtig, einen „Plan B“ in der Tasche zu haben. In seiner Neu-Findungsphase hatte sich Martin schließlich an seine alte Leidenschaft für das Feuerwehrwesen erinnert. „Ich habe mich immer dafür interessiert – und mich auch darüber informiert, wie ich Berufsfeuerwehrmann werden kann.“ Grundvoraussetzung dafür ist eine abgeschlossene Handwerksausbildung, die der Schmidinger in Kumreut sogleich in Angriff genommen hat. 2011 schloss er diese als Schreinergeselle ab. „Mit der Theorie hatte ich keine Probleme“, erinnert sich Lehner ans seine Lehrzeit. „In die Praxis musste ich erst mal reinfinden – als Gymnasiast hatte ich zunächst zwei linke Hände.“
Einer möglichen Karriere als Feuerwehrmann stand somit nichts mehr im Wege – bis auf die Einstellungsprüfung, die es in sich hatte: Hunderte Bewerber, schwierige Aufgaben sowohl im sportlichen als auch im schriftlichen sowie handwerklichen Bereich. Bei seinem Erstversuch im Jahr 2011 scheiterte Martin Lehner denkbar knapp. „15 sind eingestellt worden. Ich habe auf der Rangliste nur den 21. Platz geschafft.“ Ein herber Rückschlag für den damals 24-Jährigen. Das wohl vorzeitige Ende aller Träume, wie er damals vermutete. Da für ihn jedoch feststand, dass er nicht mehr als Schreiner arbeiten möchte, kehrte er (doch wieder) an die Universität zurück – diesmal aber nicht als Lehramtsstudent, sondern als künftiger Bauingenieur. „Den Feuerwehrplan habe ich geistig auf die Seite gelegt.“
Allerdings nicht allzu lange. Eine Imagekampagne, verbunden mit einer Ausbildungsoffensive der Berufsfeuerwehren, öffnete Martin Lehner doch noch einmal die Tür zum bereits verdrängten Gedanken. „Die Einstellungsprüfung hatte sich etwas geändert. Ich bin dann mit vollem Elan ans Werk gegangen.“ Bei Übungen wie dem Hindernislauf, bei Klimmzügen und Wedelsprüngen konnte er die Jury bei seinem Zweitversuch endgültig überzeugen. Auch die handwerklichen Aufgaben, bei denen vor allem Improvisationstalent gefragt war, löste er ohne größere Probleme – sodass er am 1. April 2013 seine Lehre zum Feuerwehrmann beginnen konnte. „Eine wahnsinnig vielschichtige Ausbildung. Unter anderem habe ich währenddessen auch den LKW-Führerschein machen dürfen und bin zum Rettungssanitäter ausgebildet worden.“
„Unsere Aufgabe ist es, den Bürgern zu helfen – egal wie“
Doch woher rührt überhaupt seine Begeisterung für das Feuerwehrwesen? Dem Klischee entsprechend, hat sich Martin Lehner eigenen Aussagen zufolge schon als kleiner Bub für die großen, roten Autos begeistern können. Als Jugendlicher wurde er Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Hinterschmiding, war daraufhin bei Einsätzen rund um seine Heimatgemeinde mit dabei. „Ausschlaggebend war für mich, dass ich Menschen helfen wollte.“ Heute, mit etwas Abstand, ist der Respekt vor seinen damaligen Kameraden – mit denen er weiterhin ausrückt, wenn er in seinem Heimatdort ist – weiter gestiegen. „Man darf nicht außer Acht lassen, dass die kleinen Wehren alles nebenbei machen. Trotzdem sind sie top ausgebildet und sehr engagiert.“
Geprägt von seiner ehrenamtlichen Zeit und nach sechs Monaten an der Münchener Feuerwehrschule leistete der 29-Jährige am 27. Dezember 2013 seinen ersten Wachtag als Berufsfeuerwehrmann in Schwabing. Anfangs begleitet von etwas Unsicherheit, wie er offen zugibt, hat sich Lehner inzwischen an die 24-Stunden-Schichten gewöhnt. Zahlreiche Fehlalarme, viele Einsätze mit dem Rettungswagen und nur wenige Brände oder Unfälle bestimmen seitdem seinen beruflichen Alltag – genauso wie die Instandhaltung der Gerätschaften und Gebäude. Nach und nach hat sich der verbeamtete Brandmeister weiter spezialisiert, ist zumeist für den medizinischen Bereich der Feuerwache unterwegs. Die Erstbehandlung von Herzinfarkten und Schnittwunden gehört nun zu seinem Aufgabenspektrum. „Unsere Aufgabe ist es, den Bürgern zu helfen – egal wie“, erklärt Martin Lehner dazu und verweist dabei auch auf die typischen Kleintiereinsätze: Immer wieder mal müssten nämlich Entenfamilien vor dem Verkehr geschützt oder Katzen von Bäumen gerettet werden.
Einsätze, die nicht gerade spektakulär sind – gleichzeitig aber auch weniger gefährlich. „Es ist generell nicht so, dass ein Feuerwehrmann allein in ein brennendes Haus stürmt und eine ganze Familie rettet“, sagt der 29-Jährige. „Das wird einem vom Fernsehen vorgegaukelt.“ Viel wichtiger seien unter den Feuerwehrmännern das gegenseitige Vertrauen, eine gemeinsame Vorgehensweise bei Einsätzen sowie regelmäßige Übungen, um bestehende Automatismen weiter zu verfeinern. Einer 24-Stunden-Schicht folgt im Wechsel jeweils ein Tag Pause – und das dreimal hintereinander. Danach gibt es eine längere Erholungsphase, die der Hinterschmidinger oft dazu nutzt, um in sein Heimatdorf im Bayerischen Wald zu fahren.
Stressig? „Das ist eine Frage des Selbstkonzeptes“
Auf die Frage, ob er seinen Beruf als stressig empfinde, antwortet er: „Das ist eine Frage des Selbstkonzeptes.“ Ganz einfach. Hat er Feierabend, genießt er völlig relaxed seine Freizeit. Schlaflose Nächte in Folge schwieriger, traumatisierender Einsätze seien bisher ausgeblieben – was auch daran liegt, dass unter den Kollegen Probleme sofort angesprochen und ausgeräumt werden. „Mir macht mein Job Spaß“, fasst Martin Lehner zusammen – und ist so Vorbild für viele kleine Buben, die davon träumen, einmal Feuerwehrmann zu werden…
Helmut Weigerstorfer