Mühlviertel. Wintersportbegeisterte im Dreiländereck stehen in dieser Saison vor einem Problem. An den Grenzen zu Österreich und Tschechien herrschen strikte Einreisebestimmungen. Womit auch die für deutsche Touristen attraktiven Tagesausflüge nach Tschechien oder Österreich ausfallen. Eine Hog’n-Recherche zeigt: Jenseits der Grenze sehnt sich die Tourismusbranche bereits nach bayerischen Wintersportlerinnen und -sportlern – und so mancher nimmt es schon jetzt mit den Grenzübertretungen nicht so genau…
Im März dieses Jahres hatte der Tiroler Wintersportort „Ischgl“, das sogenannte „Ibiza Österreichs“, unfreiwillig (zusätzliche) Berühmtheit erlangt. Laut ORF sind rund 11.000 COVID-Infektionen in ganz Europa auf den Tiroler Skiort zurückzuführen. Verbraucherschützer haben bereits im September eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich eingebracht. Und entsprechend deutlich waren die Forderungen aus Deutschland oder Frankreich, die Lifte diesen Winter über doch geschlossen zu lassen. Um ein „zweites Ischgl“ zu verhindern. Doch das 1.600-Seelendorf Ischgl ist nicht nur Wintersport-Mekka, sondern auch Teil einer milliardenschweren Tourismusbranche – samt Gastronomie, Hotellerie und Après-Ski. Als Reaktion auf den Tadel aus dem Ausland ist in österreichischen Medien mittlerweile von einem „Skikrieg“ die Rede.
„Auf alle möglichen Eventualitäten vorbereitet“
Vorerst bleiben die Lifte in Österreich also dicht. Erst am Heiligabend dürfen Schlepper, Sessellifte und Gondeln wieder öffnen, die Grenzen werden für Tagestouristen nach derzeitigem Stand aber bis mindestens 7. Januar geschlossen bleiben. Eine lange Zeit für die Betreiber des Skigebiets Hochficht, nach eigenen Angaben „das größte österreichische Skigebiet außerhalb der Alpen“. An „normalen“ Wintertagen arbeiten in dem Betrieb in der Gemeinde Klaffer unweit der bayerischen Grenze rund 70 Personen, 70 weitere in der Gastronomie. Rund 14.000 Wintersportler können die Lifte pro Stunde befördern. Doch bis dato sind die Pisten leer.
Rund 30 Prozent der Gäste kommen im Regelfall aus Deutschland, diese werden vorerst wegfallen, befürchtet Gerald Paschinger, Geschäftsführer der Hochficht Bergbahnen GmbH. Immerhin: sein Personal konnte er den Sommer über zur Kurzarbeit anmelden. Derzeit laufen die Vorbereitungsarbeiten für die neue Saison. Genügend Arbeit, um die Beschäftigten zu halten, ist also vorhanden. Paschinger betont jedoch, man sei in dieser Saison in allen Fragen „auf alle möglichen Eventualitäten vorbereitet“.
„Kosten senken!“
Sind die Lifte erst einmal offen, soll mit einem eigens entwickelten COVID-19-Sicherheitskonzept im Skizentrum Hochficht „größtmögliche Sicherheit“ gewährleistet werden. Ein „verantwortungsbewusster Umgang miteinander ist wichtiger denn je“, heißt es darin. Paschinger ist sich sicher: „Wir werden am 24. Dezember aufsperren – und das Beste daraus machen.“ Dies impliziert, dass auch Gäste aus Deutschland und Tschechien sobald möglich wieder am Hochficht ihre Schwünge ziehen. Inwiefern diese Saison – trotz verspätetem Start und dem Ausbleiben von Skifahrern aus dem Ausland – „profitabel“ sein wird, kann Paschinger derzeit nicht beantworten. Fragen, die momentan die gesamte Region quälen.
Reinhold List ist aktuell nur zwischen der einen und der nächsten Krisensitzung zu sprechen. Der Geschäftsführer des Tourismusverbands Böhmerwald mit Sitz in Aigen-Schlägl hat gerade alle Hände voll zu tun. Das oberste Gebot für die gesamte Tourismusbranche in seinem Einzugsgebiet laute derzeit „Kosten senken“, wie er auf Hogn-Nachfrage erklärt. Der Hochficht, so List, sei ein klassisches Tagesskigebiet, Skifahrer aus Österreich, Deutschland und Tschechien reisen meist morgens an – und nach einem Tag auf der Piste wieder ab. Beim Tourismusverband laufen die Planungen zum Wiederhochfahren des Wintergeschäfts bereits auf Hochtouren. Ab 18. Dezember soll auch das Marketing wieder forciert werden.
Immerhin: Leere Pisten für Österreicherinnen und Österreicher
„Das Schwierigste ist, dass die Betriebe nach wie vor keine Planbarkeit haben“, kritisiert List. Mit etwas neidischem Blick schaut er über die bayerische Grenze nach Mitterfirmiansreut: im Gegensatz zum staatlich betriebenen Skizentrum Mitterdorf ist der Hochficht genauso wie alle österreichischen Liftbetriebe ein zu 100 Prozent privates Unternehmen. Was das finanzielle Risiko entsprechend größer macht. List ist optimistisch, dass die Grenzen für Touristen zum 7. Januar wieder öffnen können – „es schaut gut aus“. Mit der Öffnung „orientieren wir uns sofort wieder nach Bayern“, bekräftigt der Geschäftsführer. Bis dahin können sich die Österreicher über leere Pisten freuen, sagt er mit einem Augenzwinkern.
„Katzensprung“ ins Skiparadies?
Auf bayerischer Seite orientieren sich einige Skisportbegeisterte aus den angrenzenden Landkreisen bereits jetzt Richtung Österreich und genießen die „leeren Pisten“. In den sog. Sozialen Medien und auf einschlägigen Plattformen finden sich Dutzende Posts und Bilder von Skitourengehern, die die Ruhe und Einsamkeit am Hochficht – trotz COVID-Verordnung – zu genießen scheinen. Viele können oder wollen sich nicht damit abfinden auf den Wintersport zu verzichten, „auch wenns nur ein Katzensprung nach Schwarzenberg“ wäre, wie ein Facebook-User schreibt.
Ein anderer kommentiert schlicht: „i Drah durch“. Offen über gelegentliche Skisportausflüge ins Nachbarland sprechen, wollte mit dem Hog’n zwar niemand, bekam aber von mehreren Seiten bestätigt, dass dies eine Art offenes Geheimnis sei, dass man den „Katzensprung nach Schwarzenberg“ trotz Grenze und COVID-Verordnung in Kauf nimmt.
Die Sinnhaftigkeit der Grenzregelungen will Liftbetreiber Paschinger indes nicht beurteilen. Er verweist aber darauf, dass Skitourengehen am Hochficht auch in dieser Ausnahmesituation untersagt ist. Selbst wenn die Lifte derzeit stillstehen, finden auf den Pisten Präparierungsarbeiten statt, betont der Geschäftsführer. Ein kleines Trostpflaster für die bayerischen Grenzgänger: diese Regelung gilt auch für Österreicherinnen und Österreicher.
Johannes Greß
- Zeit-Podcast: „Wer gewinnt den Skikrieg?“