Regenstauf. Am liebsten würde er den ganzen Tag über Musik, Rap und Hip-Hop reden, wenn er nicht gerade diese drei Dinge selbst macht bzw. produziert. Geboren in Burglengenfeld, der Opa war GI, lebt und wirkt Harold „Harry“ Merl alias „Liquid“ – sein Künstlername entstammt dem Computer-Spiel „Metal Gear Solid“ – heute in Regenstauf bei Regensburg. Sein Markenzeichen neben der hochgesteckten Raster-Frisur: boarischer Rap. Mit seinem Polt-Remix, gemeinsam mit Kumpel „BBou“ eingespielt, sorgte er 2012 erstmals für Aufsehen.
Zurzeit macht der gelernte Anlagenmechaniker eine dreijährige Ausbildung am Regensburger Music College zum staatlich geprüften Chor- und Ensembleleiter für Popularmusik. Sein Hauptfach: Bass. Die Schule macht ihm grundsätzlich sehr viel Spaß, in Corona-Zeiten ist nur die Maske ziemlich lästig – denn die bleibt während des Unterrichts drauf. Das Ziel des 30-Jährigen: Er möchte ein besserer Produzent und Musiker werden, wie er im folgenden Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n verrät.
Bis heute fast 1,5 Millionen Aufruf bei YouTube: „Mach doch dein Polt-Remix“:
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Harold: Wie bist du generell zum Rappen bzw. zum Hip-Hop gekommen?
Mit 15, bevor ich zum Rap gekommen bin, war ich leidenschaftlicher Skater. Kumpels von mir hatten damals das technische Equipment zum Aufnehmen von Beats und Rap-Features. Sie haben mir im Skatepark einen Track gezeigt, den sie selbst gerappt haben – das fand ich absolut cool. Bis dato hatte ich noch eher Skate-Rock gehört und ein bisschen Gitarre gespielt. Doch von da an war’s um mich geschehen…
„Waost wos, Harry, du muast boarisch rappen!“
Dein Rap-Kollege BBou hat dich dazu gebracht, im Oberpfälzer Dialekt zu rappen – wie war das damals genau? Erzähl mal.
Wir hatten eine Musiker-WG in Regensburg, haben Beats gebaut und Musik aufgenommen. Gerappt hab ich damals, Anfang 20, noch auf Hochdeutsch. Ich bin dann auch mit den Jungs von der RC Gaeng in Kontakt gekommen, die bereits Projekte mit BBou am Start hatten. Ich fand den BBou immer schon cool, weil er bairisch rappt – selbst bin ich aber nie auf die Idee gekommen es ihm gleich zu tun. Ein Kumpel hat dann den Kontakt zu ihm hergestellt, weil wir ein Feature machen wollten bei ihm in Amberg. Wir wollten gerade aufnehmen, plötzlich drückt er die Stopptaste und sagt zu mir: „Waost wos, Harry, du muast boarisch rappen!“ Und seitdem bin ich ein bayerischer Rapper (lacht). Er hat mir den Weg geebnet, hat mir klargemacht: Verstell dich nicht, sei wie du bist – des is cool genug! Und bald darauf kam mein erstes Album raus: Lalilulelo.
„I bin halber Ami, aber Amerika ka mi kreuzweis, mei Lifestyle bleibt boarisch“, heißt es in einem deiner Texte. Hast du die Wahlen in den USA verfolgt? Was sagst du zum Ergebnis?
Ich hab’s verfolgt. Es war wie bei einer South-Park-Folge: Du konntest dich zwischen einem Scheiße-Sandwich und einem Rieseneinlauf entscheiden. Ob Trump oder Biden, die haben doch alle Dreck am Stecken. Auch die Vize-Präsidentin, Kamala Harris, soll nicht ganz koscher sein, was ich so gehört habe. Jeder feiert sie, weil sie die erste Farbige in diesem Amt ist, aber wenn sie sich nun als die amerikanische Marlene Mortler entpuppt, ist das Ganze auch nur für den Arsch…
Generell gefragt: Worum geht’s in deinen Texten? Was sind deine Botschaften?
Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Anfangs stand die Gaudi im Vordergrund – mit nur wenig kritischen Texten. Mittlerweile spiegeln die Texte meine Lebenseinstellung wider, mit Inhalten, die ich auch den Jüngeren vermitteln möchte. Der Zwieflsuppn-Track zum Beispiel, der ist zwar lustig, aber es schwingt auch die Kritik an der Landwirtschaft mit, die etwa die Felder überdüngt. Ich versuche gewisse Themen stets aus meiner Sicht so gut wie möglich zu beleuchten, freilich auch politische Themen.
Was entspricht deiner Lebenseinstellung?
Ich bin schon eher der Rage-Against-the-Machine-Fight-the-Power-Typ, der links-grün-versiffte Veganer, der die Umwelt schützen will (lacht).
„Freestylen is a bissal wia Gstanzl-Singa“
Du hast mal gesagt: „Es gaht nix über die 90er!“ – warum? Was ist so toll an den 90ern?
Die 90er sind das Jahrzehnt, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Die Zeit, als ich erstmals Musik gehört habe, bei MTV und Viva, mit den Backstreet Boys und Fanta4 – eher Pop-Musik und Dancefloor damals, weniger Rap. Das ist für immer in meinem Kopf drin, hat mich geprägt. Bei einem meiner nächsten Alben will ich auch unbedingt die 90er-Ästhetik wieder mit reinnehmen. Nach dem Motto: Back to the Roots – nach gewissen Ausflügen in die Moderne.
Welche Vorbilder aus dem Hip-Hop-Bereich hast Du?
Ich hab angefangen zu rappen wegen Leuten wie A.O.T.P., Eminem und Saian Supa Crew.
Freestyle-Rap machst du auch. Worauf kommt’s dabei an?
Vor allem: viel üben. In meinem Umfeld sind Roger Rekless und Maniac hier die Meister. Ich habe live selten so krasse Freestyler gesehen. Ich persönlich zähle mich nicht dazu. Ich bin eher ein durchschnittlicher Freestyler, würd ich sagen – aber ich trau mich wenigstens. Wenn sich mal ein Rhyme nicht ausgeht, ist’s auch nicht schlimm, Hauptsache die Leute haben eine Gaudi. Beim Freestylen geht’s um Spontaneität und um Mut. Freestylen is a bissal wia Gstanzl-Singa… (lacht)
Hip-Hop aus Regensburg – wie schaut’s aus mit der dortigen Hip-Hop-Szene?
Eigentlich ganz gut. Es gibt viele junge Leute, die cooles Zeug machen, zum Beispiel da RAWBIN, der auch aus meinem Dorf Regenstauf kommt. Er macht saucoolen Sound. Die RC-Gaeng gibt’s immer noch. Wir treffen uns auch häufiger mal auf Jams, wenn in Regensburg fernab von Corona etwa Open-Mike stattfindet. Ja doch, es passiert einiges in Regensburg. In ein paar Jahren, wenn die Jungen alle reif und fit sind, da wird schon was gehen.
„Ich kann mir grad nirgends die Vibes holen“
Einer, mit dem du auch immer wieder mal was gemeinsam machst, ist der Maniac. Warum passt das bei euch so gut?
Wir sind beide leidenschaftliche Musik- und Hip-Hop-Nerds, haben so ziemlich den gleichen Musikgeschmack. Wir beide könnten den ganz Tag über Hip-Hop und übers Rappen reden, haben auch eine gemeinsame Radio-Show, die jeden Samstag um 18 Uhr bei BR-PULS läuft. Es macht einfach Spaß einen Kumpel zu haben, der das alles genauso feiert wie ich. Da Maniac is mei Go-to-Guy. Und aloa is sowieso faad…
Wie hast du die Corona-Phase bis jetzt überlebt? Was hast du gemacht die letzten Monate über?
Ich war viel am Music College, weshalb ich glücklicherweise noch BAföG bekomme. Ohne hätt’s nicht so rosig ausgeschaut. Finanziell wär’s freilich besser gewesen, wenn Festivals und Auftritte stattgefunden hätten. Aber ich hab viel für die Schule gemacht, Bass gespielt, Klavier und Drums geübt.
Motivation und Antrieb waren aufgrund der Corona-Situation freilich schon mal besser, weil ohne Input – zum Beispiel durch ein Live-Konzert – auch nur wenig Output da ist. Ich kann mir grad nirgends die Vibes holen, das zehrt an der Energie.
Wie wird’s weitergehen die nächsten Jahre für dich?
Wenn ich die Ausbildung in der Tasche hab, will ich im Bandkontext oder solo weitermachen, Wie das genau ausschauen wird, weiß ich noch nicht. Durch die Ausbildung hab ich dann auch die Möglichkeit als Musiklehrer zu arbeiten. Auf jeden Fall werde ich weiterhin bayerischen Rap machen. Das neue Album mit Maniac ist fast fertig, wir warten jetzt coronabedingt nur noch auf den richtigen Zeitpunkt für die Veröffentlichung. Aber vorerst will ich mich in erster Linie auf die Schule konzentrieren.
Dabei wünschen wir viel Erfolg und weiterhin „Ois Guade“!
Interview: Stephan Hörhammer