Deggendorf. Mitte Juni verhängte das Amtsgericht Viechtach gegen Walter Strohmeier eine Haftstrafe von zwei Jahren wegen Veruntreuung von Firmengeldern (da Hog’n berichtete). Da der ehemalige Stützpunktleiter Ostbayern der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ Berufung einlegte, wurde am vergangenen Montag vor dem Landgericht Deggendorf neu verhandelt.
Es ist ein lauter Seufzer der Erleichterung, der Walter Strohmeier am Montag entfährt. Soeben hat Richter Georg Meiski das Urteil der Strafkammer verkündet. Die zweijährige Haftstrafe aus der ersten Instanz bestätigt die Kammer, setzt diese allerdings zur Bewährung aus. Dem Urteil geht eine knapp achtstündige Verhandlung voraus, bei der es auch darum geht, ob bei dem Angeklagten eine schwere Spielsucht und damit eine verminderte Schuldfähigkeit angenommen werden kann.
„Ich habe ihn damals aber nicht mehr gesehen“
Wie berichtet, hatte Strohmeier, der eigenen Angaben zufolge schon immer eine gewisse Affinität für Glücksspiele hatte, 2019 innerhalb weniger Monate mehrere 10.000 Euro seines damaligen Arbeitgebers in Online-Casinos verzockt. Dies sei zunächst durch einen blöden Zufall und ungewollt passiert. Wie Strohmeier am Montag wiederholt, habe er damals im Büro eines Bauunternehmens gearbeitet und dadurch Zugriff auf das PayPal-Konto seines Chefs gehabt. Da sein heimischer Computer mit der Arbeit synchronisiert gewesen sei, habe er Anfang 2019 versehentlich eine Überweisung auf sein Spielkonto getätigt. „Ich wollte das Geld dann sofort zurückzahlen. Allerdings hatte ich dann auch den Gedanken, dass ich ja jetzt erstmal spielen könnte.“ Denn er selbst sei zu diesem Zeitpunkt blank gewesen. Daraus sei dann ein Automatismus entstanden. Je mehr er spielte und verlor, desto weniger konnte er das Geld zurückzahlen. „Es war wie in einem Hamsterrad“, beschreibt Strohmeier rückblickend.
Als es dann doch zu einer Glückssträhne kam und Strohmeier mehrere 10.000 Euro gewinnen konnte, fehlten dem Geschädigten bereits 27.000 Euro auf dem Firmenkonto. Da sich der Unternehmer mit der Buchhaltung nicht selbst beschäftigte, viel ihm der Schaden erst auf als die Bank bei ihm nachfragte. Er stellte Strohmeier zur Rede, man sprach sich aus – und da dieser aufgrund des hohen Gewinns das Geld umgehend zurückzahlen konnte, war das Thema für den Geschädigten zunächst auch erledigt.
Da einen Monat später erneut mehrere tausend Euro abgebucht wurden, kündigte er Strohmeier schließlich doch und stellte Anzeige – auch weil dieser nun kein Geld mehr hatte und sich daher nicht mehr kooperativ zeigte. Einen kurzzeitigen Gewinn von insgesamt 95.000 Euro hatte der gebürtige Drachselrieder innerhalb weniger Tage komplett verspielt. Vermutlich hätte es einen Ausweg gegeben, meint Strohmeier vor Gericht. „Ich habe ihn damals aber nicht mehr gesehen.“ Seit kurzem sei er bei der Caritas in Therapie, um sich auch mit den Gründen seiner Sucht zu beschäftigen, wie er meint.
Führt Spielsucht zu verminderter Schuldfähigkeit?
Das Amtsgericht Viechtach ging in seinem Urteil davon aus, dass eine Spielsucht vorliege, was auch zur Reduzierung des Strafmaßes geführt hatte. Allerdings wurde damals kein Sachverständiger hinzugezogen. „Das geht natürlich eigentlich nicht. Deswegen haben wir jetzt einen eingeschaltet“, erklärt der Richter am Montag und verweist zunächst auf ein Urteil des Bundesgerichtshof vom 9. Dezember 2012. Der BGH beschäftigte sich damals mit der Frage, ob eine Spielsucht zu einer verminderten Schuldfähigkeit nach den §§20 und 21 StGB führen kann. Darin heißt es:
„Pathologisches Spielen stellt für sich genommen noch keine die Schuldfähigkeit erheblich einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob der Betroffene durch seine Spielsucht gravierende Änderungen in seiner Persönlichkeit erfährt, die in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig sind. Nur wenn die Spielsucht zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen führt oder der Täter bei Geldbeschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat, kann ausnahmsweise eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit anzunehmen sei.”
Laut Sachverständigen Dr. Jürgen Thomas könne bei dem Angeklagten genau dies nicht festgestellt werden. In den vergangenen Jahren sei es aber zu einer gewissen Spieldynamik gekommen. Ende der 2000er Jahre beschäftigte sich Strohmeier während eines längeren Maßnahmenvollzugs im Bezirksklinikum Mainkofen wegen einer Alkoholsucht mit dem Pokerspielen. „Das war damals ein richtiger Hype und ich habe viele Bücher dazu gelesen. Gespielt habe ich aber erst später dann, als ich wieder draußen war“, wirft Strohmeier kurz ein.
„Er begann es zu genießen“
Einen ersten größeren Gewinn von 10.000 Euro erzielte er 2016 in einem Casino. Das sei laut Gutachter der Anstoß gewesen, sich intensiver mit dem Glücksspiel zu beschäftigen. „Wer sich mit pathologischer Glücksspielsucht beschäftigt, der weiß, dass klassisch ein hoher Gewinn dazu motiviert in Glücksspiele einzusteigen. Die Angaben, die er hier gemacht hat, sind aus meiner Sicht glaubhaft und nachvollziehbar.“
2018 zeigte sich dann eine wichtige Kehrtwende im Spielverhalten des Angeklagten. Denn bis dahin habe er sehr überlegt und kontrolliert gespielt. „Er war in der Lage auch größere Gewinne mitzunehmen und ist seinen Angaben nach kein unnötiges Risiko eingegangen“, schildert der Gutachter weiter. Dies habe sich dann mit der Anmeldung bei Online-Casinos im Herbst 2018 geändert. Zu der Zeit war er bereits bei dem Bauunternehmen angestellt.
Auch beim Online-Roulette machte er mit 26.000 Euro an einem Abend recht schnell einen großen Gewinn. Der Gutachter spricht dann aber von einer Phase, in der „eine gewisse Emotionalität mit eingeflossen ist. Er begann es zu genießen. Das Risiko, Geld zu verlieren, spielte hier eine Rolle – und es war auch eine gewisse Entspannung, die er verspürte“. Er habe dann angefangen, Gewinnen hinterher zu jagen und sei nicht mehr in der Lage gewesen, Gewinne mitzunehmen. Auch die Einsätze seien von zunächst geringen Summen schnell deutlich angestiegen.
All das spreche dafür, dass sich Strohmeier in einem kritischen Gewöhnungsstadium befunden habe. „Ein pathologisches Spielverhalten kann aber erst angenommen werden, wenn es zu einem dauerhaft gesteigertem Verhalten über mindestens zwölf Monate kommt.“ Als weitere Kriterien nennt der Gutachter zudem entzugsähnliche Erscheinungen, eine Entfremdung von dem persönlichen Umfeld sowie ein sozialer Abstieg. All das liege hier nicht vor, weshalb eine verminderte Schuldfähigkeit nach §28 StGB nicht angenommen werden könne.
„Sie haben Familie und dafür sind Sie verantwortlich“
Dieser Einschätzung folgt am Ende auch das Gericht und bestätigt die vom Amtsgericht verhängte Haftstrafe von zwei Jahren. Anders als das Viechtacher Gericht sieht man in Deggendorf die Bedingungen für eine Bewährungsstrafe aber gegeben. Dabei wurde insbesondere Strohmeiers mehrfach bekräftigtes Versprechen, sich künftig intensiv um seine Familie kümmern zu wollen, zu seinen Gunsten bewertet.
Der frühere Kader der neonazistischen Kleinpartei „Der III. Weg“ hat den eigenen Angaben nach mittlerweile sämtliche Kontakte zu ehemaligen Weggefährten abgebrochen. „Ich will jetzt die Zeit in meine Familie stecken. Es würde mir das Herz brechen, wenn ich aufgrund meiner eigenen Unfähigkeit die Einschulung von meinem Sohn verpasse.“ Er wolle Verantwortung übernehmen und den Schaden wieder gut machen. Auch die Suchttherapie wolle er weiter fortsetzen.
Dass der Richter am Ende tatsächlich eine Bewährung von fünf Jahren ausspricht, sei „ganz ganz knapp“ gewesen. „Wir haben Vertrauen in den Menschen. Sie haben Familie und dafür sind Sie verantwortlich“, betont Meiski an Strohmeier gewandt. „Es ist eigentlich eine Ausnahme, dass jemand Bewährung bekommt, der bereits unter Bewährung steht. Aber es handelt sich dabei um bereits ältere und anders gelagerte Delikte. Wir setzen gerne Hoffnung in unsere Angeklagten, sind aber um so enttäuschter, wenn sie uns enttäuschen.“ Der Richter spricht hier auf das lange Vorstrafenregister des Angeklagten an. Hier stehen bereits mehrere Unterbringungen in Erziehungsanstalten wegen Alkoholmissbrauchs und Körperverletzungen sowie Strafen wegen Tragens verfassungsfeindlicher Symbole.
Seinen Alkoholkonsum habe er mittlerweile weitestgehend in den Griff bekommen, versichert auch sein Bewährungshelfer vor Gericht. Nun müsse man hoffen, dass er auch seine Spielsucht in den Griff bekommen kann, sagt der Richter. Strohmeier muss neben der Fortführung der Suchttherapie zudem in monatlichen Raten von 500 Euro an seinen ehemaligen Arbeitgeber den noch offenen Schaden in Höhe von rund 16.500 Euro begleichen.
da Hog’n
Update: Die Staatsanwaltschaft hat Revisionsantrag gegen die richterliche Entscheidung gestellt.