Unzählige freie Lehrstellen, Fachkräftemangel: Handwerksbetriebe in der Region haben es definitiv nicht leicht. In diesem Jahr gab es in Niederbayern laut Handwerkskammer einen Rückgang in Sachen Ausbildungsverträge um 10,6 Prozent. Ende August waren noch 724 Ausbildungsstellen in Niederbayern frei. „Wir haben im Laufe der letzten 15 Jahre einen massiven Schülerrückgang von etwa 79 Prozent zu verzeichnen. Mittlerweile haben wir uns auf niedrigem Niveau stabilisiert. Ein Aufwärtstrend ist momentan nicht zu erkennen“, sagt Lothar Graf, Abteilungsleiter „Ernährung“ an der Staatl. Berufsschule Passau.
Es stellen sich unweigerlich die Fragen: Wo ist es besonders schwierig? Wo sind Lichtblicke erkennbar? Das Onlinemagazin da Hog’n will in einer Serie über Sanitärfachleute, Schreiner, Maler und andere Berufszweige berichten, die täglich „Hand anlegen“. Den Anfang macht ein durchaus Mut machendes Beispiel.
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Bischofsreut. Er bildet zwei Lehrlinge aus, beschäftigt elf Mitarbeiter, vergrößert seine Produktion gerade um satte 300 Quadratmeter und verkauft seine Produkte im Umkreis von 20 Kilometern: Für Metzgermeister Matthias Madl läuft derzeit alles rund. Alles gut also im Metzgerhandwerk?
In der dritten Generation führt Matthias Madl die Metzgerei mitten im kleinen Ort Bischofsreut (Gemeinde Haidmühle). „Ich hatte nie den Druck, dass ich das machen muss“, sagt er. „Du wächst damit auf. Und entweder es regt dich irgendwann auf – oder du liebst es“, erzählt der 36-Jährige mit einem Schmunzeln. Schon als kleiner Junge habe er seinem Vater geholfen beim Darm aufstecken und Wurst machen. Viel zu früh, mit nur 31 Jahren, verstarb dieser. Das Ende für den Betrieb? Keinesfalls. Mit Hilfe von Metzgermeister Günther Ilg und den Angestellten führte Madls Mutter Anneliese die Metzgerei weiter – bis schließlich der Sohn selbst sie übernahm.
Mehr Platz für die eigene Produktion
Und es läuft immer besser. In diesem Sommer hat Familie Madl damit begonnen die Produktion zu vergrößern, neue Arbeits- und Kühlräume zu bauen. „Außer Rohwurst und Geflügel stammt bei uns alles aus eigener Herstellung“, berichtet Metzgermeister Madl. Sein Fleisch bezieht er vom Schlachthof in Passau und von regionalen Bauern. Sehr wichtig ist ihm dabei, dass er weiß, wo die Tiere herkommen und dass er nicht bei Großkonzernen einkauft.
Rund eine Million Euro investiert er nun in seinen Betrieb, 200.000 Euro Zuschuss gibt es vom Amt für Ländliche Entwicklung (ALF). Gebaut wird nach EU-Vorgaben, die Standards sind streng. „Wir haben eine große Verantwortung in Sachen Hygiene“, weiß Matthias Madl. „Und als Chef will ich natürlich, dass die Qualität rausgeht an unsere Kunden.“
Schwierig sei bei den gesetzlichen Regelungen jedoch, dass vieles auf die Großkonzerne ausgelegt sei. Für einen kleinen Betrieb wie dem seinigen sei etwa der Aufwand in Sachen Dokumentation enorm: „Wir müssen alles aufschreiben. Solltemperaturen bei der Wurst, in den Kühlräumen, wann was geputzt wurde und so weiter“, erklärt Madl. Hygienemängel könne man aber anderweitig besser erkennen als durch die bloße Dokumentation: „Wenn ein Kontrolleur vorbeikommt, sieht er, wenn’s dreckig ist oder nicht.“
Den Plan, die Metzgerei zu vergrößern, hatte er bereits vor Jahren. Aufgrund der Förderung im Rahmen der Dorferneuerung Bischofsreut könne er sie jetzt endlich umsetzen. Der Anbau sei auch dringend nötig geworden, da sich die vier Metzger, die hier arbeiten, teilweise schon auf den Füßen stehen. „Wir brauchen einfach mehr Platz“, bringt es der Chef auf den Punkt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil das Team im September noch einmal Zuwachs bekommen hat: Zwei Lehrlinge stellte der Metzgermeister ein – eine Auszubildende im Verkauf sowie einen angehenden Metzger.
Nur sechs Metzgerlehrlinge in vier Landkreisen
„Tobias ist ein Handwerker durch und durch“, sagt Matthias Madl über seinen Lehrling Tobias Schanzer. „Das macht mir einfach Spaß“, bestätigt der 19-Jährige. Er hatte bereits eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann abgeschlossen, als er entschied, eine weitere Ausbildung zu beginnen.
Damit gehört er zu einer absoluten Minderheit in der Region: In seiner Klasse gibt es nur fünf weitere Metzger-Lehrlinge. Und die kommen aus vier Landkreisen: Freyung-Grafenau, Regen, Passau und Deggendorf. Lediglich 18 Metzger verteilen sich insgesamt auf drei Lehrjahre. Sie besuchen derzeit die Berufsschule Passau, wie Schulleiter Eduard Weidenbeck auf Hog’n-Nachfrage mitteilt. „Das klassische Handwerk – wie Bäcker, Gastro, Schreiner, Zimmerer, Heizungsbauer – hat eher Rückgänge zu verkraften als Berufe mit industrieller Anbindung: IT, Mechatronik, Metall etc.“, stellt Lothar Graf fest. Er leitet den Bereich „Ernährung“ an der Berufsschule Passau.
„Der Metzgerberuf wird schlecht geredet“, glaubt Matthias Madl. Hinzu komme das Problem, dass andere Branchen und Großkonzerne ihre Lehrlinge besser bezahlen könnten. Die Industrie sei daher eine große Konkurrenz, wenn es darum geht, Lehrlinge für eine Ausbildung zu begeistern.
Metzger-Mobil als Erfolgsgeheimnis
Dass es in seinem Unternehmen genügend Arbeit für vier Metzger und einen Azubi gibt, liegt nicht zuletzt daran, dass Matthias Madl vor sieben Jahren auf das richtige Pferd setzte – und sich dafür entschied, einen Verkaufswagen anzuschaffen. „Wir hatten überlegt, eine Filiale zu eröffnen“, erinnert er sich. Dann habe er eine Anzeige für eine „mobile“ Art von Filiale entdeckt: „Und schwuppdiwupp hatte ich das Fahrzeug gekauft“, sagt er und schmunzelt.
Der große Vorteil für die Metzgerei: Mit dem Verkaufs-Mobil kann sie eine viel größere Kundschaft erreichen. Von Bischofsreut über Hintereben und Waldkirchen bis nach Röhrnbach führen die Touren, die das Metzger-Mobil jede Woche zurücklegt. Nach und nach hat Madls Team herausgefunden, wo sich gute Standplätze für den Verkaufswagen befinden und die besten Touren zusammengestellt: „Wenn’s irgendwo nicht läuft, fahren wir da einfach nicht mehr hin“, teilt der Chef auf pragmatische Weise mit. Bei einer Filiale wäre das freilich nicht so einfach.
Wichtig seien zuverlässige Mitarbeiter, auf die man sich voll und ganz verlassen kann. „Und die habe ich“, betont Madl. Inzwischen wurde auch im Thekenbereich „aufgestockt“: Sieben Verkäuferinnen arbeiten mittlerweile im Laden in Bischofsreut. Darunter ebenfalls eine Auszubildende.
Erstmals seit 21 Jahren: Eine Auszubildende im Verkauf
Lange Zeit hatte Matthias Madl Werbung dafür gemacht, dass er auch im Verkauf ausbilden möchte. Bei den Fleischereifachverkäufern (meist -verkäuferinnen) ist die Lage keineswegs besser als im Metzgerhandwerk selbst: Insgesamt 29 Auszubildende besuchen momentan die Berufsschule Passau. Zehn davon haben in diesem Jahr die Ausbildung begonnen. Darunter die 16-jährige Isabell Frauenauer. Sie hatte ein Praktikum im Familienbetrieb Madl gemacht und sich dann für die Ausbildung dort entschieden.
„Seitdem ich selbst meine Lehre gemacht habe, hat es hier im Verkauf keinen einzigen Lehrling gegeben“, erzählt Madls Ehefrau Nicole. „Und das ist 21 Jahre her!“ Umso mehr freut es sie, dass sie nun Isabell alle notwendigen Kniffe beibringen kann – und hofft, dass sie nach Abschluss ihrer Ausbildung im Betrieb bleiben will: „Wer zu uns kommt, bleibt bis zur Rente“, sagt Nicole Madl und lacht. „Und bis die nächste Auszubildende ihre Lehre beginnt, dauert es hoffentlich nicht wieder 21 Jahre.“ Eine (inoffizielle) Bewerberin gibt es jetzt schon: Der Berufswunsch der fünfjährigen Madl-Tochter lautet derzeit Verkäuferin. „Sie tippt schon fleißig an der Kasse rum“, berichtet die Mama mit einem Schmunzeln.
Sabine Simon