Bad Griesbach. „Sünder, Pilger und Rebell – Part 1“ lautet der Titel des neuen Albums des in Bad Griesbach im Rottal beheimateten Singer-Songwriters Huey Colbinger. Dabei handelt es ich um den ersten Teil einer Trilogie, die mit dem „Sünder“ ihren Anfang nimmt. Zehn Stücke, die die Essenz zahlreicher persönlicher Erfahrungen, Beobachtungen und Erkenntnisse aus dem Leben des in Mittweida (Landkreis Mittelsachsen) geborenen Musikers widerspiegeln. „Akustisch pur und auf das Wesentliche reduziert, um den Kern des Anliegens freizugeben“, beschreibt Huey Colbinger sein aktuelles Werk – und ergänzt: „Das, was das Leben bereithält, gilt es zu erfahren, zu erleben und nicht davor zu entfliehen. Alles steckt in dir, in diesem Fall: der Sünder.“
„Du musst erstmal Mist bauen, um zu lernen; dann auf Pilgerreise zu dir selbst gehen, um dich kennen zu lernen – um dann irgendwann dem Richtigen die wichtigen Fragen zu stellen: nämlich dir selbst“, hatte Colbinger im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n die drei Aspekte von „Sünder, Pilger und Rebell“, die jeder in sich trage, zusammengefasst. Die Trilogie handelt von menschlicher Weiterentwicklung, vom Lernen, von Akzeptanz, von Hinterfragung. „Ich möchte morgen die bessere Version sein als die heutige“, sagt der 44-Jährige über sich selbst. Die zehn Sünder-Stücke auf dem neuen Album beschreibt er mit folgenden Gedanken:
„An meinem letzten Tag“
Der Opener gibt das Zwiegespräch zwischen dem eigenen Mut und der Angst wieder. „Nichts wird echt sein, wenn du es nicht selbst erlebst. Kehre die Kräfte deiner Ängste um und mache sie zu deinem Freund und Verbündeten – und du kommst Tag für Tag deinem Leben ein Stück näher“, schildert Huey Colbinger seinen musikalischen Selbstfindungstrip.
„Das Beste für dich“
„Sie wollen nur das Beste für dich, doch danach gefragt haben sie dich nicht“, heißt es in dem Stück, das mit stereotypischen Erwartungshaltungen und den Definitionen von Erfolg als Grundlagen der Konformität in unserer Gesellschaft abrechnet. „Das Aufbegehren, vor allem zuerst gegen die eigenen Bequemlichkeiten, ist eine persönliche Angelegenheit. Der, der die Verantwortung für sein Handeln übernimmt, findet auch zu sich selbst, seinen Platz und seine Souveränität“, ist der Sänger und Gitarrist überzeugt.
„Das nennt man Leben“
„Ein Song, der wie ein alter Freund daherkommt, der einem den Kopf wäscht und die Gewissheit gibt, nicht allein zu sein“, bringt Colbinger den Kern von „Das nennt man Leben“ auf den Punkt. „In seinem Anliegen ist er vehement und unnachgiebig, er bricht auf, doch zerbricht nicht, er erinnert, er öffnet und ermutigt zur selbstkritischen Reflexion.“
„Dein Berg“
„Das Leben ist wie eine Expedition in unbekannte Berge“, weiß Uwe Kolbe, wie der Künstler mit richtigem Namen heißt, aus eigener Erfahrung. „Es gibt keine Garantie für Schönwetter. Wenn man es will, dann schafft man Unmögliches und erreicht den ersten Gipfel, um plötzlich festzustellen, da liegt ein unübersehbares Gebirge vor einem. Es ist das eigene, selbst zu erfahrende Leben.“
„Lauf den Hügel hinunter“
„Wir Menschen neigen dazu, uns zu erhöhen, aber oft nicht dadurch unsere Perspektive zu ändern und weiter sehen zu können, sondern nur um gesehen zu werden“, erklärt der Musiker den Hintergrund des fünften Stücks auf dem Sünder-Album – und ergänzt: „Es bleibt die Frage, aus welchem Grund man den Hügel besteigt und wer man bei der Rückkehr ist.“
„Die höchste Instanz“
„Das, was ein Gesetz nicht verbietet, das sollte die höchste moralische Instanz verbieten: das eigene Gewissen.“ Ein Glaubenssatz, der Colbinger besonders am Herzen liegt. Der vieles aussagt. „Der Mensch scheint jedoch immun gegen ein moralisches Update zu sein. Selbstsucht und Vorteilsdenken, Korrumpierbarkeit, Neid und Hass, Doppelmoral und mangelndes Gewissen hinterlassen überall in unserer Gesellschaft schwere Schäden“, findet er und empfiehlt daher: „Es beginnt bei jedem Einzelnen sich tagtäglich zu hinterfragen, wie man selbst agiert in der Melange dieser Aspekte.“
Hörproben vom neuen Colbinger-Album namens „Sünder“:
„Fake“
„Der Arbeitstitel dieses Songs war: Influenza Instagramus Neurotica“, wie dessen Schöpfer mitteilt. Dabei geht es um den „inhaltlosen Narzissmus und den Umgang mit sozialen Netzwerken und das, was es mit den Menschen macht. Inszenierungen, die viel zu oft nichts mit der Wirklichkeit ihrer Protagonisten zu tun haben. Die Flucht in eine Scheinwelt.“ Colbingers Fazit: „Fake ist Fake und darauf lässt sich nichts nachhaltig und gesund aufbauen.“ Im Umgang damit liege die Herausforderung.
„Glück ist unsere Beute“
„Wir laufen dem Glück meist hinterher und übersehen, dass es oft schon da ist“, davon ist der 44-Jährige überzeugt. Sein Appell lautet: „Schauen wir genauer dorthin, wo wir gerade sind – und es gibt ungeahnte Überraschungen.“ Das Glück stelle sich nicht von selbst ein – es brauche dazu Raum frei von Erwartungen und es zeige sich dem, der offen und bereit dazu ist.
„Ich weck dich auf“
„Wir nennen Menschen Freunde, doch haben wir noch ein Ohr für einander?“, fragt sich der Colbinger bei diesem Lied. „Sind wir noch in der Lage zu fühlen, ob hinter einem Lächeln auch Freude steckt?“ Manchmal brauche es nur die eine aufrichtig gemeinte Frage „Wie geht es Dir wirklich?“ – und das Gesicht des Gegenübers erhelle sich. „Gelingt uns das, dann halten wir uns gegenseitig in Balance und in Bewegung.“
„Tu es endlich und sei im Spiel“
„Jeder bekommt ein Blatt an Möglichkeiten in die Hand. Welches, das wissen wir am Anfang nicht, aber ob und wie du dich damit schlägst, liegt an dir – und das gilt es zu erfahren“, lautet die Quintessenz dieses Stücks, zu dem der Colbinger rät: „Sei nicht einer, der jammert, sei einer, der es versucht – und vielleicht wirst du besser von Mal zu Mal und du entwickelst dich zu einem Ass im Spiel deines Lebens.“
Gefühlvoll, aber auch schonungslos
Wer auf der Suche nach Liedern und Texten mit Tiefgang ist, wer nichts von oberflächlichem Trallala hält und sich gerne zwischendurch mal wieder auf das Wesentliche (kon)zentrieren möchte, dem sei Colbingers „Sünder“-Album wärmstens ans Herz gelegt – und zwar buchstäblich.
Denn die zehn Songs haben viel mit dem Innern, mit dem Bauchgefühl und mit Selbstreflexion zu tun. Sie lassen in einem ganz unweigerlich Fragen wie „Bin ich richtig dran in meinen Leben?“, „Ist das, was ich mache, für mich richtig und wichtig?“ oder „Wer bin ich eigentlich?“ aufkommen – und spiegeln einem auf gefühlvolle aber auch schonungslose Weise wider, wo es bei einem selbst zu zwicken vermag. Wo sich die berühmten Baustellen befinden, die man schon so lange bearbeiten möchte, jedoch meist aus (Angst-)Gründen nicht anzupacken bereit war. Songs, die einen dazu animieren können in sich hineinzuhorchen, ob noch alles stimmig ist…
„Es wird der Moment kommen, egal was du tust und es dich zerreißt.
Ein Auge wird lachen, das andere manchmal weinen und eine Narbe, die für immer bleibt.
Solang du nicht alles in Scherben siehst, sei du der, der bei dir bleibt.
Den aufrechten Gang kann man erlernen in eine Zukunft, die du selbst schreibst.“
(aus: „Das nennt man Leben“)
Stephan Hörhammer