
Passau. Integration ist seit Jahren ein großes Thema, sowohl in politischen als auch gesellschaftlichen Kontexten. Doch während viele bei dem Begriff eher an die Aufnahme von Menschen aus anderen Ländern denken, ist spätestens seit diesem Jahr ein weiterer Aspekt in den Mittelpunkt gerückt: Nach dem gewaltsamen Tod des Amerikaners George Floyd im Mai 2020 formierte sich eine globale Bewegung, die auf die Probleme der BPoC (Blacks and People of Colour)-Community aufmerksam machen möchte. Zwar gab es die #blacklivesmatter-Initiative schon zuvor, doch seit den Vorkommnissen in diesem Jahr wurden noch mehr Menschen auf die Problematik aufmerksam.
Doch so wichtig und überfällig die Thematisierung des nach wie vor in vielen Gesellschaften gegenwärtigen Rassismus ist, scheinen einige der nicht Betroffenen dies eher als eine Art Modeerscheinung wahrzunehmen. Und genau das möchte Pia Ihedioha ändern: „Rassismus und der Kampf dagegen sind kein Trend, sondern für uns BPoC Teil des alltäglichen Lebens.“
Nachhaltige Inhalte statt kurzer Trends
Die 22-Jährige, die sich selbst als „mixed“ bezeichnet, hat im Sommer 2020 eine Demonstration in Landshut besucht. Hier lernte die aus Dingolfing stammende Lehramtsstudentin die 19-Jährige Akosua Abrefa-Busia kennen, die ebenfalls in Passau an der Universität eingeschrieben ist und dort Jura studiert. „Wir waren uns schnell einig, dass Demonstrationen allein nicht reichen“, erinnert sich Pia. Eigentlich wollten die beiden Frauen, die als Rednerinnen bei der Demo auftraten, ihre Beiträge in einer Gewerkschaftszeitung veröffentlichen, doch die Idee entwickelte sich rasch weiter: „Wir haben beschlossen, anstatt eines einmaligen Textes einen größeren Beitrag für den Rassismus-Diskurs beizusteuern.“

Und so entstand die Idee eines BPoC-Magazins. Die beiden Herausgeberinnen sprachen in der Planungsphase mit Betroffenen, wobei ihnen schnell klar wurde, dass viele BPoC sich einen Ort wünschen, an dem sie sich selbst und ihre Gedanken repräsentiert fühlen. Genau diesen soll das Magazin ihnen künftig bieten. Das große Interesse, das den beiden dabei entgegenschlug, verdeutlichte die Relevanz der Thematik: „Es war ein echter Selbstläufer“, erinnert sich Herausgeberin Pia Ihedioha. „Wir erzählten Freunden von unserem Vorhaben – und fast jeder kannte jemanden, der uns irgendwie unterstützen konnte, sei es bei der Grafik, den Fotos oder weiteren Inhalten.“
Von Poesie, Kultur und Haarpflege
Insgesamt umfasst das Magazin sechs Bereiche. In der Rubrik „Erklär mir Mal…“ werden journalistische Beiträge veröffentlicht, die sich mit dem Thema Anti-Rassismus beschäftigen. Dazu gehören beispielsweise Erklär-Texte zu Colorism sowie weiteren Formen des Rassismus, mit denen sich BPoC häufig im Alltag konfrontiert sehen. Denn meist passiert dieser Alltagsrassismus unbewusst und nicht intendiert.

Der Abschnitt „Poetry“ bietet den Blacks and People of Colour eine Plattform der kreativen Auseinandersetzung mit passenden Themen. Ein Beispiel hierfür ist der Beitrag „Angry Black Woman“, der im Magazin zu lesen sein wird. Im Bereich „Culture and Business“ werden BPoC-Künstler vorgestellt, die in der Kunst und Musik beheimatet sind, sowie Geschichten über diverse Unternehmer.
Ähnlich dazu stellt auch die Rubrik „Interviews“ Menschen vor und gibt ihnen eine Stimme. Unter dem Motto „Du kannst alles sein, was du willst“ sollen die Texte informieren, aber auch inspirieren: „Wir möchten BPoC zeigen, dass sie alles erreichen können, und auch unseren Lesern verdeutlichen, dass es immer noch Berufsfelder gibt, in denen Schwarze unterrepräsentiert sind“, beschreibt Pia die weiteren Inhalte. Als Beispiel nennt sie das Interview mit einem Rechtsanwalt, der sich unter anderem auf die Rechte Schwarzer konzentriert.
Das Kapitel „All about hair“ könnte vor allem diejenigen Leser überraschen, die sich bislang wenig in der BPoC-Szene auskennen. Denn für viele schwarze Frauen und Männer stellt die Haarpflege eine besondere Herausforderung dar, da sie nicht wissen, wie sie ihr Haar bestmöglich pflegen können. Ein Grund dafür stellt etwa der nach wie vor herrschende Mangel an Angeboten im Warensortiment dar: Ein Großteil der Drogerieprodukte ist hierzulande nicht auf die Bedürfnisse von BPoC ausgerichtet.
Das Magazin schließt mit verschiedenen „Buchrezensionen“ ab: Hier wird Lektüre zum Thema Rassismus vorgestellt und kritisch bewertet. „Bücher wie ‚Exit Racism‚ von Tupoka Ogette oder ‚Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten‚ von Alice Hasters sind derzeit häufig im Gespräch. Wir möchten eine Auswahl an Büchern aufzeigen, mit denen sich Interessierte informieren können“, beschreibt Pia Ihedioha diese Rubrik des Magazins.
Fehler eingestehen – und offen sein für Neues
Viele der Mitwirkenden leben oder studieren in Passau. Die 22-jährige Lehramtsstudentin ist selbst Mitglied der Hochschulgruppe „Minorities United“. Diese setzt sich für die Themen Gleichheit und Fairness auf dem Campus ein. Dazu gehört etwa die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle, an die sich Betroffene in Fällen von Rassismus durch Dozierende wenden können. Die Tatsache, dass eine solche Institution noch nicht existiert, ist mindestens genauso besorgniserregend wie das Vorkommen von Alltagsrassismus an sich.
Pia zufolge hat sich die BPoC-Community nach den jüngsten Geschehnissen zwar weltweit nochmals auf einer anderen Ebene miteinander verbunden, doch gibt es immer noch eine Menge zu tun. „Ich bin ja auch in meiner kleinen, recht aufgeklärten Bubble“, gibt die Studentin offen zu. „Natürlich umgebe ich mich freiwillig lieber mit Menschen, die ebenfalls offen sind und sich informieren möchten – trotzdem bin ich nicht vor Themen wie Rassismus und Ungerechtigkeiten geschützt.“

Pia sorgt sich, dass viele weiße Menschen den Diskurs eher als Trend betrachten. Um jedoch dauerhaft Probleme anzupacken, seien vor allem Selbstreflexion und Offenheit wichtig: „Je mehr sich die Leute von sich aus informieren, Bücher lesen oder Podcasts hören, desto mehr Verständnis können sie aufbringen.“ Genau diesen Beitrag soll auch das BPoC-Magazin leisten, das einmal jährlich erscheinen soll. Die daran Beteiligten arbeiten seit August intensiv an den Inhalten, für jeden von ihnen ist es ein Herzensprojekt, wie Akosua Abrefa-Busia mitteilt: „Die Organisation ist sehr zeit- und arbeitsintensiv, aber die Motivation, das Magazin herauszubringen, gibt uns enorm viel Energie.“ Derzeit sei die größte Hürde noch die Finanzierung, denn für den Druck benötigen die Herausgeberinnen dringend Sponsoren. „Wir möchten, dass alles passt – deshalb wünschen wir uns jemanden, der uns gerne finanziell unterstützt und unter dessen Namen wir mit einem guten Gefühl veröffentlichen können.“
Für die einen ein kleiner Pieks, für die anderen ein Stich ins Herz
Denn gerade bei sensiblen Themen wie persönlichen Erfahrungen, Ungerechtigkeiten und (Alltags-)Rassismus müssten die Gefühle der Beteiligten an erster Stelle stehen. „Während eine Frage oder ein Kommentar für den einen nur ein kleiner Pieks mit der Nadel ist, fühlt es sich für jemand anderen an wie ein Messerstich ins Herz“, weiß Pia.

Daher wünscht sie sich noch mehr Eigeninitiative von Menschen, die sich informieren wollen. „Nicht jeder aus der BPoC-Community geht auf die gleiche Art mit gewissen Themen um. Auch Rassismus wird subjektiv wahrgenommen.“ Jeder Mensch macht ihr zufolge Fehler – und fast jeder hat sich schon einmal unbewusst rassistisch geäußert, ohne es böse zu meinen. Deshalb sei es umso wichtiger, offen für Kritik zu sein und die eigenen Handlungen und Aussagen zu reflektieren, damit auch solche Situationen in Zukunft vermieden werden können.
Malin Schmidt-Ott
Titelbild: pixabay/viarami
Das Magazin wird voraussichtlich erstmals im Januar/Februar 2021 erscheinen und in Passau und Landshut erhältlich sein.