Nun ist er auf dem Konto: Der Corona-Kinderbonus. 300 Euro pro Kind erhält jede Familie insgesamt. Hog’n-Autorin Sabine Simon hat den Betrag gespendet. An eine Organisation, die in diesem Jahr den Friedensnobelpreis bekommen hat: das Welternährungsprogramm. Warum sie der Meinung ist, dass das Geld dort besser aufgehoben ist als auf ihrem Konto, schildert sie im folgenden Kommentar.
Meine Kinder gehören, genau wie ich, zu den reichsten zehn Prozent der Menschen weltweit. Uns fehlt es an nichts: Wir werden jeden Tag satt, haben ein warmes Bett, eine große Wohnung, sind mobil und können uns auch immer wieder mal „was leisten“: Hobbys, Kurzurlaube, Ausflüge, Spielzeug.
Warum nicht die deutsche Wirtschaft unterstützen?
Der Friedensnobelpreis führt mir das nun wieder sehr klar vor Augen. Das Welternährungsprogramm, das von der Jury, dem norwegischen Nobelpreiskomitee, in diesem Jahr ausgewählt wurde, kämpft weltweit gegen den Hunger. 821 Millionen Menschen haben nach Angaben der Organisation aktuell nicht genug zu essen. Eine Zahl, die mich bewegt. Der Friedensnobelpreis hat etwas in mir wach gerüttelt – und ich hoffe, dass es vielen anderen auch so geht.
Mir ist sehr bewusst, dass ich enormes Glück habe, in einem Land geboren zu sein, wo ich mir um die nächste Mahlzeit keinerlei Gedanken machen muss. Mir ist ebenso bewusst, dass es auch in Deutschland viele Menschen gibt, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen, ihr Essen bei der Tafel holen und nachts schlecht schlafen, weil finanzielle Sorgen sie wachhalten. Erst recht in der aktuellen Corona-Situation. Ich verstehe jeden Solo-Selbständigen, der sich darüber beschwert, dass der Staat nicht an ihn denkt – und jeden Ladenbesitzer, der Angst vor der Insolvenz hat.
Ich könnte mit dem geschenkten Geld vom Staat deshalb das machen, was sich Finanzpolitiker davon erhoffen: es ausgeben und die deutsche Wirtschaft „ankurbeln“. Indirekt würde ich damit Menschen helfen, die in Deutschland Geldsorgen haben. Weil Arbeitsplätze daran hängen. Weil eine funktionierende Wirtschaft auch dazu führt, dass der Staat Menschen unterstützen, dass er das soziale Netz dichter weben kann.
Aber: Alles, was ich brauche, kann ich auch ohne den Kinderbonus bezahlen. Durch die Pandemie hatte ich keinerlei finanzielle Einbußen. Die deutsche Wirtschaft und vor allem auch regionale Geschäfte unterstütze ich dadurch, dass ich das kaufe, was wir wirklich brauchen. Den Kinderbonus nun für etwas auszugeben, das ich eigentlich nicht brauche, widerspricht meinem Vorsatz, mein Konsumverhalten zu überdenken und nicht immer mehr und mehr unnützen Kram anzuhäufen.
Geht das gesamte Geld tatsächlich an hungernde Kinder?
Ich könnte das Geld natürlich auch direkt vor Ort spenden: Örtliche Hilfsaktionen unterstützen, die zum Beispiel dann helfen, wenn Familien einen Schicksalsschlag erleiden mussten. Oder das Geld einer Einrichtung zugutekommen lassen, die behinderte, kranke oder sozial benachteiligte Menschen in Deutschland versorgt. Die Möglichkeiten zu helfen sind zahlreich. Vor Ort spenden – dafür entscheiden sich viele Menschen vor allem aus einem Grund: Hier sehen sie, dass die Spende auch dort ankommt, wo sie ankommen soll.
Anders bei großen Organisationen wie dem Welternährungsprogramm: Nicht das gesamte gespendete Geld wird direkt in Essen für Hungernde investiert. Die Organisation schlüsselt auf ihrer Internetseite klar auf, was mit Spendengeldern passiert: 64 Cent eines gespendeten Euros fließen direkt in die Ernährungshilfe. Acht Cent in die Verwaltung. Und die restlichen 28 Cent? Mit ihnen wird Werbung gemacht, damit neue Spenden eingehen.
Das mag zunächst paradox klingen. Aber es zeigt das Grundproblem: Menschen, die nicht an Hunger leiden, leben meist weit entfernt von denjenigen, die nicht wissen, wie sie an sauberes Trinkwasser und an die nächste Mahlzeit kommen sollen. Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Daher muss das Welternährungsprogramm viel Aufwand betreiben, um Spenden zu generieren.
Nicht nur deshalb müssen Organisationen wie das Welternährungsprogramm um jede Spende kämpfen. Spenden, Finanzhilfen – das sind politische Bomben. Egal, wie viel man gibt. Egal, wem man hilft: Es ist längst nie genug. Als gerecht kann die Verteilung von Finanzhilfen und Spenden zudem gar nicht jeder empfinden. Ist es gerecht, wie wir Deutschen mit unserem Geld umgehen?
Über 1,4 Billionen Euro will die Bundesregierung laut aktuellen Berechnungen insgesamt zur Verfügung stellen, um die Folgen der Coronakrise zu bewältigen. Eine gigantische Zahl. Wenn alles klappt, soll die deutsche Wirtschaft nach der Krise genauso gut dastehen wie zuvor. Vielleicht ist es naiv, aber: Sind dagegen die 890 Millionen Dollar, die Deutschland im vergangenen Jahr an das Welternährungsprogramm zahlte, nicht eine sehr kleine Zahl?
Selbst kleine Spenden können etwas bewirken
Eine andere Zahl war es jedoch, die mich persönlich dazu bewogen hat, das Geld hierhin zu spenden: Der Corona-Kinderbonus unserer Familie reicht aus, um ein hungerndes Kind fünf Jahre (!) lang zu ernähren (laut Angaben des Welternährungsprogramms). Diese Zahl zeigt: Selbst mit meiner vergleichsweise geringen Spende kann ich tatsächlich etwas bewirken. Auch wenn ein paar hundert Euro Kinderbonus nur ein minimaler Tropfen auf den heißen Stein sind, möchte ich damit als unbedeutende Einzelperson mithelfen. Natürlich gibt es einige Menschen, die noch viel mehr besitzen als ich. Natürlich wären vor allem sie gefragt, einen Teil ihres Reichtums an hungernde Menschen zu verteilen.
Aber ich vergleiche meine Spende mal mit meinen Bemühungen beim Umweltschutz: Der Klimaerwärmung ist es ziemlich egal, ob ich meinen Joghurt aus dem Glas oder aus dem Plastikbecher esse. Es gibt schließlich Millionen andere, die viel mehr Plastikmüll produzieren als ich. Wenn allerdings jeder Einzelne im Kleinen anfängt, dann entsteht etwas Größeres. Es dauert, aber in Sachen Umweltschutz hat sich in letzter Zeit sehr viel getan. Was Plastikverpackungen betrifft und was nachhaltiges Konsumverhalten ganz allgemein betrifft. Uns wird zunehmend bewusster, auf welchen Gebieten wir uns wie „Umweltschweine“ benehmen, viele von uns packen sich an der eigenen Nase und ändern ihr Verhalten.
Der Friedennobelpreis für das Welternährungsprogramm packt nun im besten Falle ebenfalls viele Leute (so wie mich) an der eigenen Nase – und führt ihnen vor Augen, wie gut es ihnen geht. Trotz Corona.
Kommentar: Sabine Simon