Freyung. Das Foto ist mittlerweile wieder von der StadtplatzCenter-Facebook-Seite gelöscht worden. Unmittelbar nachdem der entscheidende Hinweis am Montagabend vergangener Woche eingegangen ist. Darauf zu sehen war ein junger Mann, ab Körpermitte aufwärts, die Gesichtszüge klar erkennbar. Das Umfeld, in dem er sich bewegte: die zum StadtplatzCenter gehörige Tiefgarage. Das Bild wurde von einer dort installierten Videokamera gemacht, wie Norbert Kremsreiter, Mitinhaber des 2013 eröffneten Freyunger Einkaufszentrums am Stadtplatz und Geschäftsführer des darin beheimateten Modegeschäfts „Trendline“, dem Hog’n auf Nachfrage mitteilt. Unter dem geposteten Foto stand sinngemäß: Wer kennt diesen jungen Mann? Hinweise aus der Bevölkerung werden erbeten – und mit einem Gutschein belohnt.

Das Umfeld des Freyunger StadtplatzCenters, insbesondere die Tiefgarage im hinteren Bereich des Gebäudes, ist immer wieder Treffpunkt von Gruppierungen, die dem übermäßigen Alkoholkonsum zugeneigt sind.
Tags darauf war (und ist immer noch) auf der Facebook-Seite folgendes zu lesen: “
„Herzlichen Dank allen, die mitgeholfen haben den jungen Burschen zu identifizieren. Ob es recht ist, Eigentum und Gegenstände anderer zu zerstören oder Unrecht ist, so etwas öffentlich zu machen darüber kann jeder selber urteilen. Wer den Schaden hat, dem wird auch so ein Mittel recht sein damit so eine feige Tat aufgedeckt wird. Natürlich darf die Polizei und Justiz jetzt an die Arbeit gehen – wir haben nur einen kleinen Beitrag (geleistet – Anm. d. Red.). Was Recht ist muss recht bleiben und wir wollen, dass unser StadtplatzCenter ein sicherer Ort bleibt?“
72 mal ging der Facebook-Daumen für diesen Post nach oben, zehnmal wurde er geteilt, dreimal wurde eine Daumen-Hoch-Grafik von Facebook-Nutzern in die Kommentarleiste gesetzt. Einer schrieb: „Rechtstaat? Es gibt immerhin Gesetze. Nicht jedes Mittel ist billig.“
„Freiwillig hat er sich nicht gemeldet“
Was war vorgefallen? Der junge Mann soll Kremsreiter zufolge in der Tiefgarage des StadtplatzCenters einen dort abgestellten Roller demoliert haben. „Es gibt verschiedene Ebenen in der Tiefgarage: Zwei davon sind von der Stadt angemietet und werden als öffentliche Tiefgarage betrieben, dann gibt’s noch eine dritte Ebene, die ist privat, hier kann man einen Platz anmieten und sein Fahrzeug unterstellen“, teilt der StadtplatzCenter-Inhaber, der seit diesem Jahr auch im Freyunger Stadtrat sitzt, weiter mit. „Der Bursch ist auf den Roller zugelaufen, hat mit dem Fuß das Top-Case heruntergetreten, hat den Roller gepackt und ihn umgeschmissen und ihn dadurch beschädigt.“ Dies sei auf den von der Überwachungskamera gelieferten Videobildern eindeutig zu sehen.

Norbert Kremsreiter, Mitinhaber des Freyunger StadtplatzCenters, Geschäftsführer des Modegeschäfts „Trendline“ sowie Freyunger CSU-Stadtrat. Foto: Hog’n-Archiv
Den Schritt zur Veröffentlichung des Bildes via StadtplatzCenter-Facebook-Seite wurde laut Kremsreiter deshalb nötig, da etwaige Nachforschungen im Vorfeld im Sande verliefen. „Der Rollerbesitzer kam zu uns als Mieter des Parkplatzes. Er sagte, dass sein Roller zerstört worden sei, und fragte, was er nun tun soll. Daraufhin haben wir ihm geraten, Anzeige gegen Unbekannt bei der Polizei zu erstatten – wir prüfen parallel dazu die Bilder unserer Überwachungskameras.“
Der Verdacht Kremsreiters fiel im Vorfeld relativ schnell auf eine Gruppe von Leuten, die sich seinen Aussagen zufolge regelmäßig im Umfeld des StadtplatzCenterse tummeln und sich insbesondere bei schlechtem Wetter auch mal in der Tiefgarage zum nachmittäglichen Besäufnis aufhalten sollen. „Der Kreis derjenigen, die dort regelmäßig verkehren, ist überschaubar.“
Kremsreiter sei bei der „Fahndungsaktion“ durchaus bewusst, dass er sich rechtlich „in einem absoluten Graubereich“ bewegt. „Ich bin angreifbar mit dem, was ich gemacht habe.“ Doch seine persönliche Meinung lautet: „Wenn man anderer Leute Sachen zerstört, sind mir verschiedene Mittel recht, den Täter ausfindig zu machen. Freiwillig hat er sich nicht gemeldet, dazu hätte er lange genug Zeit gehabt. Jetzt haben wir ihn gefunden, wir sind dafür dankbar, jetzt wird er hoffentlich zur Rechenschaft gezogen. Jetzt muss die Polizei ihre Arbeit machen.“
„Öffentlichkeitsfahndung eine polizeiliche Angelegenheit“
Nicht wenige haben sich gefragt, ob es sich beim Vorgehen via Facebook-„Fahnungsfoto“ um einen Akt der Selbstjustiz handele? „Eine solche private ‚Fahndung‘ ist rechtlich nicht zulässig“, sagt dazu Robert Golz, Berliner Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, auf Hog’n-Nachfrage. Sie verletze das Recht des mutmaßlichen Täters am eigenen Bild (§ 22 KUG). Und: „Wenn es sich zudem gar nicht um den Täter handelt, käme sogar der Straftatbestand der üblen Nachrede hinzu.“
Auch eine Berechtigung nach der DSGVO sehe Golz in diesem Falle nicht, „da die öffentliche ‚Fahndung‘ und Anprangerung in keinem Verhältnis zu dem eingetretenen materiellen Schaden stehen dürfte, also das Recht des Betroffenen in Bezug auf sein personenbezogenes Datum, sein Bildnis, höher wiegt“.
„Grundsätzlich ist Öffentlichkeitsfahndung eine polizeiliche Angelegenheit“, stimmt Walter Scheungrab, Polizeihauptkommissar bei der Polizeiinspektion Freyung, dem Berliner Rechtsanwalt zu.
Stephan Hörhammer