Rinchnach/Frauenau/Woid. „The Rise and Fall of the Zitronen Püppies and the Lemon Orchestra from outer Space“. Ein Album-Titel, den man erst einmal sacken lassen muss. Alles andere als eingängig. Der einem nicht gerade locker von den Lippen geht. Der schräg und sperrig ist. Der nichts mehr mit der simplen „Bambis Rache“ von vor drei Jahren zu tun hat. Eigentlich so ganz anders als die Musik derjenigen Band, die dahinter steckt. Doch der Titel ist freilich auch Absicht – und auf den zweiten Blick passt er dann doch recht gut zu den überaus verrückten Klängen der Bayerwald-Punk-Kapelle um Johannes M. Haslinger, Alexander Lange, Florian Seemann und Fabian Weinzierl. Das klar vernehmbare Grundthema der neuen Platte: Indien!
Lasst uns das Pferd von hinten aufzäumen: „Orient Disco“, die letzte von sieben Nummern, startet nach einminütigem Hintergrundrauschen aus Gemurmel, gelegentlichem Geschirrgeklapper und Gitarrenstimmerei – einer Momentaufnahme in einem indischen Straßencafé ähnelnd – so richtig durch. Und man fühlt sich unweigerlich an den Film „Indien“ mit Josef Hader und Alfred Dorfer erinnert, an jene Szene, in der die beiden sich im Schein der untergehenden Sonne in völlige Ekstase „tanzen“, irgendwo auf einem von Hochspannungsmasten durchzogenen Feld zwischen Wien und St. Pölten. Man bekommt beim Püppies-Sound direkt Lust, es ihnen gleich zu tun…
Wenn der Hader mit dem Dorfer…
Den Anfang macht ein Stück, das rein textlich zitronenpüppiger gar nicht sein könnte: „Schwoaz-braun gscheckerte Katz“, die im boarischen Dialekt wiedergegebene Tragödie eines befreundeten Katzenliebhabers, dessen Stubentiger „blöderweise“ seit einem halben Jahr tot ist, das Ableben desselbigen jedoch noch nicht ganz verdaut zu sein scheint. Ein zunächst recht harmonischer Fünfminüter, der ab der Hälfte ins Chaos verfällt, um sich am Ende wieder im Wohlklang aufzulösen – und ganz zum Schluss im Geräuschpegel einer verstaubten Plattenspielernadel versiegt.
Bei „Museum Rotes Schulhaus“ dürfte es sich mit großer Sicherheit um eine Ode an das in Rinchnach befindliche, unter Denkmalschutz stehende Backstein-Gebäude handeln, das Püppies-Sänger und Gitarrist Johannes M. Haslinger mit seiner Frau im vergangenen Jahr bezogen hat – und in das ein Museum eingerichtet werden soll. Das Instrumental-Stück wird dabei dominiert von den Tönen einer Melodica, die teils recht unorthodox daherkommen, aber durchaus im Ohr hängen bleiben wollen. Ein insgesamt ziemlich verrücktes Ding.
Die bedrückende Geschichte eines vereinsamten, verlassenen Mannes, der sich wie gefangen fühlt, „wie ’ne Maus im Labyrinth“, wird im Stück „Haus“ besungen. Er hat ein gut verstecktes Geheimnis, das er niemandem erzählt, das ihn niemals loslässt, das ihn überall hin verfolgt. Die Lösung: das Haus anzünden, es muss brennen. Ein sehr gefühlvoller, fein arrangierter Song, diesmal auf Hochdeutsch, der die Ausweglosigkeit beschreibt, die bereits so manchen in den Suizid getrieben hat. Melancholisch-kraftvoll, psychologisch-tiefgängig.
„Sei net traurig wennst dein Horizont amoi volosst“
In „Roude Krawattn“, so könnte man interpretieren, geht’s um keinen Geringeren als US-Präsident Donald Trump, der nur an sich denkt und der mit „teurem Toupet aufm Fernsehbildschirm auftaucht“, um beim Betrachter eine gewaltvolle Reaktion hervorzurufen. „Do dadad I eam am lieban oane in sei Fressn zementieren“, heißt’s im Text, der wieder schee frech und schee boarisch daherkommt. Musikalisch mutet’s diesmal eher spanisch an. „Und dann doama wieder Mauern baun“…
Fett gerappt wird in „Galapagos Paradoxon“: Nachdem das piepsige Intro, untermalt mit indischer Sackpfeife, verstummt ist, dringt an das Ohr des Zuhörers ein regelrechter Wortschwall, der sich im Kern mit so mancher Beschränktheit des ländlichen Mikrokosmus beschäftigt. Der gut gemeinte Rat der Püppies lautet: „Sei net traurig wennst dein Horizont amoi volosst, suach auf de Galapagos-Inseln Trost, so wie ein Albatros… fluig noch Hongkong, fluig noch irgendwo in Indien…“
Womit wir bei „Indish Mama“ wieder am Ausgangspunkt unserer Reise angelangt wären. Nochmals ein lyrisches Pfund, das mit viel Wortwitz und Charme überzeugt – und so manchem Mitdreißiger den vielleicht nicht immer ganz so angenehmen Spiegel vorhält. „Ohh Indish Mama“, flehen die Püppies aus den Lautsprecherboxen, „hohl mich aus meiner Lethargie, koch mir Dal Bat mit Brokkoli“. Epische, musikalisch vielfältig in Szene gesetzte Zeilen, die die Welt und die da Woid brauchen. Aber sowas von…
Stephan Hörhammer