Fürsteneck. Politisieren gehört zu seinem Leben. Aufgewachsen in einer Wirtsfamilie, weilte Alexander Pieringer von Geburt an unter Menschen verschiedenster Couleur – und war somit Teil von Streitgesprächen aller Art. Das Diskutieren liegt ihm demnach im Blut. Und nach seiner fast 30-jährigen Tätigkeit als Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft Perlesreut war es für den 49-jährigen Familienvater der nächste logische Schritt, Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Fürsteneck werden zu wollen.

Alexander Pieringer ist Nachfolger auf dem Fürstenecker Rathaussessel von Heinz Binder, der 18 Jahre das Amt des Bürgermeisters inne hatte.

Letztlich setzte sich der Loizersdorfer bei den jüngsten Kommunalwahlen deutlich gegen Bernhard Meisl durch. Wie es zu diesem starken Ergebnis kam, warum Fürsteneck nur ein statt zwei Baugebiete braucht, wie es mit der Schule in Atzldorf weitergehen soll und wann die Dorferneuerung in Angriff genommen wird – darüber spricht der neue Fürstenecker CSU-Bürgermeister im Hog’n-Interview.

Herr Pieringer, warum Sie – und nicht die weitum bekannte Fußball-Legende Bernhard Meisl?

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Oh weh, gleich zu Beginn eine derart schwierige Frage… (schmunzelt). Ich bin seit 30 Jahren als Verwaltungsangestellter bei der VG Perlesreut beschäftigt und im Rahmen dieser Tätigkeit die rechte Hand des jeweiligen Fürstenecker Bürgermeisters. Ich war bei offiziellen Terminen dabei, in die Vorgänge involviert – eigentlich immer dabei. Nachdem mein Vorgänger Heinz Binder nach zwölf Jahren aus freien Stücken nicht mehr zur Wahl angetreten ist, war für mich sofort klar, dass ich kandidiere. Die Fürstenecker Themen sind für mich kein Neuland, ich musste nur die Rollen tauschen. Und deshalb, glaube ich, haben mich die Bürger hier zum Bürgermeister gewählt. Sie wussten im Endeffekt von Anfang an, wen und was sie bekommen, wenn sie für mich stimmen.

„Ich gebe nun die Richtung vor und muss delegieren“

War es denn schwierig, die angesprochenen Rollen zu tauschen?

Ja. Ich muss mich selber immer wieder ermahnen, dass ich nicht mehr der Verwalter, also die ausführende Gewalt bin. Als Bürgermeister ist es meine Aufgabe, die Richtung vorzugeben und zu delegieren. Diese Gedankengänge hatte ich aber schon vor meiner Wahl – eigentlich seitdem ich weiß, dass ich überhaupt kandidiere. Insofern ist die Lernphase bald abgeschlossen.

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Zusammengefasst: Sie sind einfach aus dem Schatten der bisherigen Bürgermeister getreten?

Das würde ich so nicht sagen. Ich hatte auch schon als Bürgermeister-Assistent eine klare Meinung, die ich auch nach außen hin vertreten habe. Will heißen: Ich musste mein Profil nicht extra schärfen, nur weil ich Bürgermeister werden wollte. Dass das Wahlergebnis dann aber so deutlich ausfällt, hat mich selber überrascht.

Keine 200 Meter vom Rathaus in Atzldorf entfernt ist das Gasthaus Pieringer, in dem der jetzige Bürgemeister geboren und aufgewachsen ist.

Welche Rolle spielte bei Ihrer Wahl die Parteizugehörigkeit? Die CSU hat in Fürsteneck traditionell eine Hausmacht.

Hier muss man differenzieren zwischen Gemeinderat- und Bürgermeisterwahl. Bei Letzterer ist einzig und allein die Persönlichkeit ausschlaggebend, die Partei spielt keine Rolle. Etwas anders ist es bei der Wahl der Gemeinderäte. Doch auch in diesem Zusammenhang kann man von keiner Hausmacht sprechen. Mit vier Mandatsträgern hat die CSU genauso viele wie die andere im Gremium vertretene Fraktion.

Die Gefahr, dass die CSU zu stark wird in ihrer Kommune, besteht also nicht?

Nein, überhaupt nicht. Ein weiterer Beleg dafür: Dem Ortsverband gehören nur zwölf Leute an. Die CSU ist in Fürsteneck kein Alleinherrscher. Bei uns gibt es rege Diskussionen über Parteigrenzen hinweg – so wie es sich gehört. Und bei den Sitzungen geht es, das kann ich bestätigen, nur um die Sache, nicht um irgendwelche Parteiinteressen.

Weg vom Persönlichen, hin zu den Sachthemen. Stichwort: Dorferneuerung. Was ist Stand der Dinge? Zuletzt ist es ja recht ruhig geworden um dieses Projekt…

Es muss jedem klar sein, dass eine Dorferneuerung kein Schnellschuss ist, sondern ein langer Prozess. Es ist praktisch unmöglich, innerhalb von nur ein paar Jahren ganze Dörfer umzubauen. Ich rechne mit 20, 25 Jahren, bis in diesem Zusammenhang alles abgeschlossen ist. Dass die vorbereitende Planungsphase so viel Zeit in Anspruch nimmt, hat uns selber etwas überrascht. Aber inzwischen sind wir auf einem guten Weg. Kürzlich haben wir die Genehmigung für den Umbau der Schlosszufahrt in Fürsteneck bekommen. Läuft alles nach Plan, sollte heuer noch der Baustart erfolgen.

Zwei frühere Gemeinderats-Entscheidungen wurden revidiert

Ein weiteres heißes Eisen: Der alte Gemeinderat hatte sich dafür ausgesprochen, zwei Baugebiete auszuweisen. Das neue Gremium hat diese Entscheidung revidiert und sich für nur eine neue Siedlung ausgesprochen. Warum?

Ja, ein heißes Eisen – daraus mache ich keinen Hehl. Letztlich wird nur das Baugebiet in Atzldorf umgesetzt. Die weitere geplante Fläche am Atzldorfer Berg hatte von Beginn an nicht den großen Zuspruch von der Bevölkerung erhalten. Viele sind der Meinung, dass diese exponierte Lage unverbaut bleiben muss. Ausschlaggebend war schlussendlich, dass sich übergeordnete Stellen gegen dieses Vorhaben ausgesprochen haben. Deren Meinung lautet: Angesichts der Bevölkerungsentwicklung brauchen nicht zwei Baugebiete gleichzeitig verwirklicht werden.

In vielen Gemeinden sind deutlich zu wenig Bauplätze vorhanden, die Nachfrage jedoch groß – sind zehn neue Parzellen im Baugebiet Atzldorf denn ausreichend für Fürsteneck?

Erstens: Ein Baugebiet ist auch eine Frage des Geldes. Als kleine Gemeinde muss ich mir Gedanken darüber machen, ob ich zwei Siedlungen überhaupt entsprechend ausbauen kann. Zweitens: Die Stellungnahmen – beispielsweise seitens der Regierung von Niederbayern – waren eindeutig. Drittens: Auch uns liegen für die zehn Parzellen bereits einige Anfragen vor. Nur Anfragen, keine Anträge. Wir dürfen uns nicht täuschen lassen. Jeder Häuslebauer reserviert doch mehrere Grundstücke, um dann auswählen zu können. Alles in allem bin ich davon überzeugt, dass die zehn Flächen vorerst ausreichen. Sollten wir wieder Bedarf haben, können wir ja wieder handeln, gehen aber nicht vorab ins Risiko – dann aber nicht in Atzldorf, sondern in Fürsteneck.

„Ich musste mein Profil nicht extra schärfen, nur weil ich Bürgermeister werden wollte.“

Wir müssen dafür sorgen, dass alle Ortsteile entsprechenden Zuwachs bekommen. Hinzu kommt die auch bei uns vorhandene Leerstandsproblematik und angestrebte Ortskernverdichtung. Auch wenn es schwierig scheint, müssen wir es schaffen, leerstehende Häuser und auch einzelne Parzellen in den Orten zu vermitteln – keine leichte Aufgabe, da sich diese in Privatbesitz befinden und wir auf einen Veräußerungswillen keinen Einfluss haben. Um dieses Problem aufzuzeigen, haben wir erst kürzlich den Flächennutzungsplan neu ausgearbeitet und der Bevölkerung vorgestellt. 

Für hitzige Diskussionen sorgte auch der mögliche Umbau der alten Schule in Atzldorf zu einem Bürger- und Gemeindehaus. Der alte Gemeinderat hatte sich dafür entschieden, einen Umbau auf den Weg zu bringen – 90 Prozent (1,5 Millionen Euro) davon sollten gefördert werden. Das neue Gremium hat dieses Vorhaben nun gestoppt.

Die große Frage: Brauchen wir dieses Projekt in diesem Ausmaß? Wir sind zum Ergebnis gekommen: nein. Es gab in der Vergangenheit immer zwei Varianten. Die große Lösung mit einem Komplett-Umbau des Innenraumes, um eine große, fast schon gigantische Turnhalle zu schaffen. Und eine kleine Lösung, die nur einen Anbau vorgesehen hätte, der als Turnhalle genutzt werden soll. Der ehemalige Gemeinderat hatte sich für Ersteres ausgesprochen. Bereits damals haben die hitzigen Diskussionen unter anderem zum Rücktritt zweier Gemeinderäte geführt.

„Ich wollte zur Diskussion anregen, was mir gelungen ist“

Während meiner Wahlveranstaltungen habe ich in Erfahrung gebracht, dass der Großteil der Bevölkerung gar nicht weiß, was genau hinter der kleinen und großen Lösung steckt. Der Umbau der alten Schule wurde nach und nach zum Tabuthema. Es war deshalb Aufklärungsarbeit nötig. Und plötzlich wollte die Mehrheit die große Lösung nicht mehr, weil dann viele Vereine ihre Räumlichkeiten verloren hätten. Zudem hat eine Neuaufstellung der Kosten durch den zuständigen Architekten ergeben, dass sich die Ausgaben für den Umbau durch Preissteigerungen inzwischen auf 2,2 Millionen Euro belaufen würden – wobei die 90-prozentige Förderung auf 1,5 Millionen Euro gedeckelt wäre. Heißt: Die 700.000 Euro Mehrkosten hätte die Gemeinde tragen müssen. Und das bei einer Investitionsspanne von sechs Millionen Euro in den nächsten sechs Jahren.

Trotzdem gab es kritische Stimmen.

Ja – und diese kann ich auch irgendwie nachvollziehen. Immerhin hat der Gemeinderat einen entsprechenden Antrag vor Jahren abgesegnet. Doch viele Leute sehen einfach nur die hohe Fördersumme – und befürchten, dass wir Geld verschenken. Doch dem ist nicht so, wie meine vorherige Rechnung aufzeigt. Viele wurden auch einfach nur davon geblendet, dass etwas großes Neues entstehen soll.

Die Schule in Atzldorf soll, so der Wunsch von Pieringer, wieder zu ihrer ursprünglichen Funktion zurückkehren.

Was soll dann Ihrer Meinung nach mit der Schule passieren?

Seitdem die Schule zugesperrt wurde, bin ich ein Verfechter der Rückkehr des normalen Schulbetriebes. In Perlesreut platzt das Schulhaus aus allen Nähten, es wird über einen Anbau spekuliert. Und hier bei uns stehen die Räume leer und könnten morgen, wenn die derzeitige energetische Sanierung abgeschlossen ist, bezogen werden. Das passt für mich nicht zusammen. In Zeiten von Corona, in denen eine getrennte Beschulung so etwas wie die Grundvoraussetzung ist, erschließt es sich mir nicht, dass in Atzldorf nicht mehr unterrichtet wird. Zudem brauchen unsere Vereine, wie vorher angesprochen, eine Heimat. Ebenso die dort untergebrachte Fahrschule und die Musikschule.

„Meine Intension ist es nicht, meine Vorstellungen durchzudrücken“

Ob Baugebiet oder Schule – beides Themen, in dessen Verlauf sich Bürgermeister Pieringer gleich einmal nicht nur Freunde gemacht hat…

Richtig. Aber das gehört dazu. Meine Aufgabe ist es, zum Wohle der gesamten Gemeinde zu entscheiden – und nicht im Sinne derjenigen, die am lautesten schreien.

Dennoch: Besteht die Gefahr, dass Sie gleich von Beginn ihrer Amtszeit an als Besserwisser gelten?

Durchaus. Meine Intension ist es aber nicht, meine Vorstellungen durchzudrücken. Ich will einfach zur Diskussion anregen – und das ist mir gelungen. Wie der Gemeinderat dann entscheidet, liegt nicht in meiner Hand.

Danke für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.

Interview: Helmut Weigerstorfer


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