Passau. 37 Studenten des Studiengangs „Journalistik und Strategische Kommunikation“ (JoKo) waren es, die hinter den insgesamt neun Videos stecken, die das Onlinemagazin da Hog’n den Sommer über veröffentlicht hat. Ein paar der Gesichter hat man vor der Kamera gesehen – wie das von Julius Baumann, der im Rollstuhl die Barrierefreiheit in Passau unter die Lupe nahm. Die restlichen „versteckten“ sich hinter der Kamera und im Schnittraum. Deshalb möchten wir einige von ihnen zum Abschluss des Semesters genauer vorstellen.

Ein paar der Gesichter, die hinter den Hog’n-Videos der vergangenen Wochen stecken: JoKo-Studenten der Uni Passau. Fotos: privat
Sie alle sind Anfang 20, kommen aus Passau und Umgebung, zum großen Teil aber auch von weit her: aus Hannover, Saarbrücken, Trier, Aachen und aus dem benachbarten Österreich. Eine Teilnehmerin saß das gesamte Semester über zu Hause in Bulgarien (fest). Auch von dort aus war es ihr möglich, an den Videokonferenzen teilzunehmen, sich mit ihren Kommilitonen auszutauschen und einen Teil des Imagefilmes über das Startup „Smartricity“ zu schneiden. Ein anderer reiste erst kurz vor Beginn der ersten Veranstaltung aus Japan zurück. Dort hatte Peter Obradovic das Wintersemester verbracht. Und dorthin will er nach dem Studium auch zurückkehren: „Durch mein Auslandsemester habe ich eine Faszination für Japan entwickelt. Und da soll’s auf jeden Fall auch wieder hingehen. Am liebsten in eine Produktionsagentur mit angegliedertem Magazin. Da kann ich mich in aller Bandbreite ausleben“, sagt der Student freudig.
Journalist: Ein spannender, aber schlecht bezahlter Beruf
Arbeiten will er definitiv im klassischen Journalismus, obwohl er die Situation, in der sich die Medienbranche derzeit befinden, durchaus kritisch sieht:

Peter Obradovic würde nach dem Studium gerne als Journalist in Japan arbeiten. Foto: privat
„Ich finde, Informationen sind in unserer heutigen Gesellschaft zu wenig wert. Daran sind die Zeitungen/Medien aber nicht unschuldig. Durch das überstürzte kostenlose Spiegeln von Artikeln aus dem Printbereich hat es sich eingebürgert, dass im Internet alle Informationen for free zu erhalten sind. Da müssen Lösungswege gefunden werden, um mehr Geld in das System zu bringen. Es kann nicht sein, dass der Beruf nur einer gewissen privilegierten Gruppe vorenthalten wird, da diese es sich leisten kann, unbezahlte Praktika und schlecht bezahlte Jobs anzunehmen“, meint Peter Obradovic.
Wer in Passau „JoKo“ studiert (also den Studiengang „Journalistik und Strategische Kommunikation“ gewählt hat), könnte sich nach dem Studium auch in Richtung „Unternehmenskommunikation und PR“ orientieren. Trotzdem sind sich viele Kursteilnehmer in diesem Semester sicher, dass es für sie in Richtung Journalismus gehen soll. „Das Spannendste ist für mich vor allem das ‚Dabeisein‘. Man übt nur einen Beruf aus, taucht aber gleichzeitig in unendlich viele Branchen und Teile der Gesellschaft ein“, sagt etwa Vivian Stamer. Sie erlebte das Semester aus der Ferne, nahm von Hannover aus an den Online-Veranstaltungen teil. Beim Dreh ihrer Gruppe mit einem deutsch-tschechischen Paar, das durch die Pandemie voneinander getrennt wurde, konnte sie nicht dabei sein. Am Schnitt arbeitete sie dennoch mit – vom heimischen PC aus.
Wenn im Kopf der fertige Film entsteht
„Journalisten sind schon lange nicht mehr nur neutrale Beobachter, sondern Aufklärer, Lehrer, Influencer und Informationsquelle in einem“, sagt Maria Vossen. Diese Vielseitigkeit sei für sie das Spannende: „Ich finde schon, dass der Beruf schwieriger geworden ist – und weniger angesehen. Die Menschen haben wenig Vertrauen in die Medien.“ Sie will sich der Herausforderung stellen, dieses Vertrauen wiederherzustellen beziehungsweise nicht zu enttäuschen.

Maria Vossen kann sich vorstellen, später als Moderatorin zu arbeiten. Foto: privat
Wenn sich die Möglichkeit ergibt, würde Maria gerne irgendwo als Reporterin oder Moderatorin vor der Kamera arbeiten, am liebsten für ein überregionales Medium. Auch für das Onlinemagazin da Hog’n stand sie vor der Kamera und führte die Zuschauer durch den Nationalpark. „Die große Herausforderung bei der Arbeit am Nationalparkfilm war für mich, mir den fertigen Film in einem frühen Stadium vorstellen zu können. Dadurch, dass ich noch nie in dieser Gegend gewesen bin, hatte ich keinerlei Vorstellung davon, was man wohl da rausholen kann. Dementsprechend war die Planung echt herausfordernd, der Dreh dann aber umso spannender“, erzählt sie. „In unseren Köpfen ist während des Drehs ein fertiger Film entstanden – und das war ein tolles Gefühl!“
Seine Behinderung hält ihn nicht auf
Vor der Kamera stand auch Julius Baumann: Er zeigte den Hog’n-Zuschauern, auf welche Hindernisse und Probleme ein Rollstuhlfahrer in Passau stößt. „Meine Behinderung heißt Athetose und die Ursache dafür war eine sogenannte Infantile Cerebralparese, welche ich wiederum aufgrund eines postnatalen Sauerstoffmangels 24 Stunden nach der Geburt bekommen habe“, erklärt er. Sie äußere sich durch schraubenförmige, unwillkürliche Bewegungen. Motorische Einschränkungen machen sich bei Julius auch beim Sprechen bemerkbar.

Julius Baumann möchte einmal als Sport- oder Politikjournalist seine Brötchen verdienen.
Seine Handicaps halten den 28-Jährigen jedoch nicht auf: „Bereits als achtjähriger Junge hegte ich den Wunsch Journalist zu werden. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich schon immer gern geschrieben habe – und dies auch immer noch tue“, erzählt Julius. „Als sich im Laufe der Jahre das Interesse für Sport und Politik stetig weiterentwickelte, war schnell klar, dass ich als Journalist in einem dieser Ressorts arbeiten möchte.“
Sein Abitur machte er an einer Körperbehindertenschule mit Internat. Ein großer Vorteil dort sei die Klassengröße gewesen: „Wir waren im Abi-Jahrgang acht oder neun Schüler in meiner Klasse, da war fast 1:1 Betreuung möglich“, erinnert er sich. Auch die Gesundheitsversorgung und die medizinische Versorgung für Menschen mit Behinderung seien in Deutschland sehr gut geregelt, an technologischen und gesundheitstechnischen Hilfsmitteln mangele es nicht, hier funktioniere die Inklusion. „Auf der anderen Seite bedeutet Inklusion Teilhabe am Leben. Inklusion beginnt im Kopf. Wenn jeder Architekt inklusiv denken würde, würde es keine Treppen geben, die Toiletten wären behindertengerecht und alles wäre auf Brusthöhe“, ist Julius überzeugt. Deshalb war es ihm wichtig, im Film auf Probleme aufmerksam zu machen, auf die Menschen mit Behinderung tagtäglich stoßen.
Ein Semester wie kein anderes
Für manche war das Filmemachen, wie sie es in diesem Semester im Rahmen des Seminars in Zusammenarbeit mit dem Hog’n gelernt haben, nahezu komplettes Neuland. Andere dagegen wussten bereits genau, wie ein Dreh abläuft und das Schnittsystem funktioniert. „Ich habe vorher zwar schon kleinere Sendungsbeiträge produziert für eine Hochschulgruppe, in der ich aktiv bin, aber noch nie habe ich den Prozess von der Ideenfindung über das Erstellen eines Drehplans bis hin zum Schreiben des Schnittplans so detailliert und vor allem praktisch kennengelernt“, berichtet Kim Emmerich. „Leider hat uns die Technik öfter mal einen Strich durch die Rechnung gemacht, sodass nicht alles so problemlos lief, wie erhofft.“ Am meisten Spaß gemacht habe ihr letztendlich der Dreh beim Imkerverein Passau über das Startup „PlanBee“.

In diesem Sommer stand Julia Brechtelsbauer keine Kamera wie diese zur Verfügung. Die Studenten mussten mit ihren Smartphones Filme drehen. Foto: privat
„Ich möchte gerne in den Fernseh-Journalismus gehen. Seit meinem ersten Semester bin ich bei unserer Fernseh-Hochschulgruppe dabei, wo sich nach und nach die Liebe zum Drehen, Schneiden und der Postproduktion entwickelt hat,“ sagt Julia Brechtelsbauer, die am Film über die Coronasituation im Bayern-Park mitgewirkt hat. „Es gibt kaum ein besseres Gefühl als die angespannte – aber auch freudige Erwartung – kurz vor einer Live-Sendung. Toll fände ich es, für Sender wie arte, ntv oder TerraX Dokumentationen und Reportagen zu produzieren, weil ich dort auch noch meine Begeisterung für mein Nebenfach Geografie miteinfließen lassen könnte.“
Nicht nur in ihrer Gruppe bedeutete die Pandemie-Situation die eine oder andere Herausforderung: Mehrmals musste der Plan geändert, eine neue Herangehensweise an die Themen gefunden werden, Drehkonzepte über den Haufen geworfen und Drehtermine verschoben werden. Hinzu kam eine technische Problemstellung: „Wir mussten mit einem Minimum an Equipment das Bestmögliche herausholen“, berichtet Bayern-Park-Mitstreiterin Nina Wagner. Denn eine Ausleihe der professionellen Kameras an der Uni war in diesem Sommer nicht möglich. Stattdessen filmten die Studenten mit ihren Smartphones plus Zusatzequipment.
„Unsere Lehrredaktion wird uns allen noch lange im Gedächtnis bleiben, denn durch Corona wussten wir bis kurz vor Drehbeginn nicht, ob der Dreh überhaupt stattfinden würde,“ erzählt auch Pia di Blasi. Sie beleuchtete mit ihrer Gruppe die Situation der Passauer Künstlerszene während der Pandemie. „Dennoch hatten wir bei unseren Drehs viel Spaß“, blickt sie begeistert zurück.
„Über das Thema wäre ich sonst nie gestolpert“
„Alles miteinander zu organisieren, ohne die anderen Gruppenmitglieder wirklich treffen zu können, war nicht immer leicht“, sagt auch Tamina Friedl. Die gebürtige Passauerin war beim Stöbern in den Artikeln des Onlinemagazins da Hog’n auf das Thema gestoßen, das ihre Gruppe letztlich bearbeitete: das Projekt „Digitales Dorf“. „Die beiden Drehtage haben viel Spaß gemacht und das gute Gefühl, in der Gruppe einen großen Beitrag von Anfang bis Ende selbst produziert zu haben, überwog letztendlich“, berichtet Tamina.

Tamina Friedl drehte mit ihrer Gruppe einen Film über die „Digitalen Dörfer“ Frauenau und Spiegelau. Foto: privat
„Ich fand vor allem die Recherche und das Finden von Protagonisten, die auch bereit waren, vor der Kamera zu sprechen, am schwersten, weil viele Leute nicht gerne im Rampenlicht stehen wollen“, berichtet Patrick Loibl von jener Schwierigkeit, vor der insbesondere Fernseh-Journalisten nicht selten stehen. Er arbeitete am Film zur Barrierefreiheit mit und erhielt nicht nur von Wirten und Geschäften in Passau die ein oder andere Absage. Auch die Zusage zum Interview mit dem Behindertenbeauftragten der Stadt Passau ließ lange auf sich warten.
„Das Spannendste war, sich mit einem Thema zu beschäftigen, über das ich sonst nie gestolpert wäre“, sagt Peter Obradovic. Der Japan-Liebhaber hatte einen Beitrag über ein asiatisches Restaurant vorgeschlagen, landete aber schließlich in der Gruppe, die auf einem Hof nahe Daxstein mit Eseln wandern ging.
Neun Filme – 37 Studenten. Die Macher des Onlinemagazins da Hog’n freuen sich, dass dieses Projekt trotz widriger äußerer Umstände am Ende so gut umgesetzt werden konnte. Und dass es im Wintersemester in die zweite Runde geht…
Sabine Simon