Bad Füssing. Die schiefen Blicke der älteren Kurgäste, die deutlich in der Überzahl waren, haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Sie beschwerten sich nicht nur lauthals, wenn mein Bruder und ich die Thermalbecken Bad Füssings eigenhändig zu Wasseraction-Bereichen umgewandelt haben – einhergehend mit deutlich erhöhter Lärmkulisse und vermehrter Tropfenemission. Generell war gefühlt alles unter 70 Jahre störend. Mitte der Neunziger galt der Kurort im Rottaler Bäderdreieck noch nicht gerade als kinderfreundlich. Das hat sich mittlerweile zum Positiven gewandelt, wie ich jüngst bei einem Aufenthalt feststellen durfte. „Wir haben bewusste Schritte hin zu einem familienfreundlichen Bad Füssing eingeleitet – als Wohnort und Reiseziel. Es ist noch Luft nach oben, aber unser Image hat sich schon etwas gewandelt“, verdeutlich Bürgermeister Tobias Kurz. Die Versprechungen der Verantwortlichen, auch für Familien attraktiver zu werden, scheinen keine plakativen Aussagen zu sein. Doch längst ist noch nicht alles Gold, was glänzt…
Unser Kleiner ist zwei Jahre alt – und ein Weltentdecker mit Haut und Haar. Im wahrsten Sinne des Wortes. Im Volksmund würde man ihn mit einem wohlwollendem Lächeln als „umfoarad“ bezeichnen. Aus diesem Grund fuhren wir – zugegeben: mit einem etwas mulmigen Gefühl – in unseren Kurzurlaub nach Bad Füssing, das traditionell eher für Ruhe und Erholung steht als für abwechslungsreichen Kinderspaß. Für den Start nahmen wir bei der Anreise einen kleinen Umweg in Kauf und machten einen Abstecher zum Vogelpark Irgenöd. In Gesellschaft von Gepard, Totenkopfäffchen & Co. taute nicht nur unser Sohn langsam auf, sondern auch wir Erwachsenen. Guter Dinge steuerten wir unser endgültiges Ziel an – und unsere Hoffnungen wurden nicht enttäuscht.
Selbst der obligatorische Badegang wird zum Highlight
Der erste Eindruck zählt. Und überraschenderweise flanierten dieses Mal nicht nur Senioren durch die Einkaufs- und Gastrostraßen Füssings, sondern viele Familien mit Kinderwagen. War das nur mein subjektiver Eindruck, weil ich als relativ junger Vater selbst „Betroffener“ bin? Egal. Denn meine erste Vermutung bestätigte sich nach und nach auch auf andere Art und Weise: Die vorab bei der Kurverwaltung abgefragten spezifischen Kinderziele in der Ortschaft erwiesen sich der Reihe nach als Volltreffer. Der Kinderspielplatz am Kurparksee – eine schöne Anlage mit besonderen Attraktionen neben der üblichen Ausrüstung wie Schaukel und Rutsche. Das Kinderparadies im Haslinger Hof wird der Sohnemann sicher in Erinnerung behalten. Und auch die obligatorischen Badegänge entwickelten sich zum Highlight. Plantschen war kein Problem – und wurde von den älteren Mitschwimmern sogar wohlwollend goutiert.
Alles prima also? Nicht ganz. Die ersten Hausaufgaben in Sachen Kinderfreundlichkeit sind zwar gemacht worden. Nun ist jedoch der Feinschliff nötig. Denn es ist durchaus noch Potenzial vorhanden. Einzelne Restaurants beispielsweise könnten sich noch besser auf die kleinen Gäste einlassen – mit kinderkonformen Gerichten oder mit den in vielen Gasthäusern längst zum Alltag gehörenden Malvorlagen samt Stiften. Und auch so einige Beherbergungsbetriebe müssen die Gunst der Stunde nutzen und sich noch mehr auf coronabedingte „Urlaub dahoam“-Familien einstellen. Selbst kleinste Spielecken mit einer gewissen Grundausstattung lassen Kinderaugen leuchten. Zwei, drei altersgerechte Fahrzeuge wie Tretbulldogs oder Bobycars, eine Babyphon-Anlage oder einen extra Buffetbereich für die Halbwüchsigen wären weitere Punkte auf der Agenda. Allesamt kleinere Investitionen mit großem, nachhaltigem Effekt.
Der Kurort muss es jedoch meistern, dass…
Und auch eine Weiterführung des Imagewandels ist vonnöten. In den Augen vieler Familien gilt Bad Füssing weiterhin als Senioren-Hochburg – auch die Altersgruppe selbst scheint davon überzeugt. Dementsprechende Exklusivität verlangen Großteile des Ü70-Klientels nach wie vor. Der Kurort muss es jedoch meistern, dass alle Generationen gerne und ohne entsprechende Vorbehalte im Ort urlauben können. Schaffen die Verantwortlichen dies, befindet sich Bad Füssing nicht nur auf dem Weg zum neuen Kinderparadies, sondern entwickelt sich zu einem Mehrgenerationen-Treffpunkt, der aufgrund eines breit aufgestellten Gästekonzepts auch langfristig krisensicher auftreten kann.
Helmut Weigerstorfer