Ein sehr ungewöhnlicher und geheimnisvoller Ort befindet sich nur wenige Kilometer von Saldenburg entfernt: ein Fels- und Labyrinthheiligtum mit dem etwas irreführenden Namen Steinernes Kirchlein. Da Hog’n mit einem weiteren Blick in das jüngst erschienene Buch „Keltenschanzen, Ringwälle, Burgställe“ von Manfred Böckl.
Am besten erreicht man dieses höchst eindrucksvolle Großstein-Ensemble, wenn man von Saldenburg aus auf der St2322 über Hundsruck und Entschenreuth bis zu einer kleinen Kreuzung fährt, die ungefähr einen halben Kilometer hinter Entschenreuth liegt. Links geht es dort nach Thurmansbang, rechts zweigt eine Schotterstraße ab. Gleich am Beginn dieser unbefestigten Straße befindet sich ein Wanderparkplatz, und von ihm aus fährt oder geht man nun etwa eineinhalb Kilometer stetig durch ein großes Waldgebiet bergauf, bis man rechter Hand einen kleinen Waldparkplatz (bei 48°47’41.10’’N 13°18’32.42’’O) sieht, auf dem man drei, vier Autos abstellen kann.
Kitschige katholische Devotionalien wirken abstoßend
Von diesem Platz aus zeigt ein Wanderwegweiser die Richtung zum Wackelstein an: zu einem beliebten Ausflugsziel, das noch ein Stück höher am Berg liegt. Zum Steinernen Kirchlein geht man aber vom Parkplatz aus nicht geradeaus in Richtung Wackelstein bergauf, sondern man nimmt den Pfad, der beim Wegweiser nach rechts (wieder ungefähr in Richtung Entschenreuth) abzweigt. Diesem Weg folgt man circa 400 Meter weit, wobei man unterwegs an einer Quelle vorüberkommt, die, wie ein Hinweisschild aussagt, den Namen Zigeunerbrunnen trägt, und zuletzt sieht man (bei 48°47’34.59’’N 13°18’43.24’’O) das mächtige Großstein-Ensemble, in dessen Innerem sich das sogenannte Steinerne Kirchlein verbirgt.
Bei diesem Steinernen Kirchlein handelt es sich in Wahrheit um eine Höhle mit dreieckigem Grundriss, die von gewaltigen Felsblöcken gebildet wird. Ihr Eingang ist nicht ganz leicht, aber nach einigem Suchen zu finden; wenn man ihn entdeckt hat und den Höhlenraum betreten will, stellt man fest, dass in dem schmalen Felsspalt, welcher den Kaverneneingang bildet, ein eindeutig von Menschenhand geformter Schwellenstein aus dem Erdboden ragt. Dieser Stein zwingt jeden Besucher, die Höhle in gebückter Demutshaltung zu betreten, und er ist damit ein Beweis dafür, dass die Kaverne ein Sakralort ist – allerdings keine christliche Kirche, vielmehr ein Naturheiligtum aus heidnischer Zeit.
Dies wird auch durch verschiedene Dreiecksformen klar, die in der Kavernenstruktur auszumachen sind. Sie alle weisen auf die Dreifache Göttin hin; die Große Göttin, die für das Geschenk des Lebens und die immerwährend sich erneuernden Lebenskreisläufe steht. Leider jedoch wird die uralte pagane Weihestätte durch ein großes christliches Eisenkreuz geschändet, das an einer Stelle brutal an eine Felswand gebolzt wurde, und auch kitschige katholische Devotionalien bei diesem Kreuz wirken abstoßend.
Zigeuner schätzten den Ort bis in die Neuzeit
Wenn man das Großstein-Ensemble, das weit über den Höhlenraum hinausreicht, näher untersucht, dann stellt man fest, dass es ein riesiges, vielfach gegliedertes Labyrinth darstellt: ein jahrtausendealtes Symbol für den oftmals nicht leicht zu durchlebenden Daseinskreislauf von der Geburt über die Reife zum Tod und danach zur Wiedergeburt. Und wenn man die Felslandschaft umschreitet, wird man ungefähr gegenüber dem Kaverneneingang eine hohe Felsspalte entdecken, die verblüffend an eine Vagina erinnert; auch sie besitzt Sakralcharakter, denn sie stellt den heiligen Schoß der wieder und wieder gebärenden Großen Göttin dar.
Ohne Zweifel handelt es sich bei dem Felsensemble mit seinem Höhlenraum um eine sehr schöne und sehr bedeutende vorchristliche Weihestätte – und das scheinen die Zigeuner, welche den Platz offenbar bis in die Neuzeit herauf aufsuchten und ganz in der Nähe beim Zigeunerbrunnen lagerten, noch gewusst zu haben.
Und ebenso hielten sich die Zigeuner wahrscheinlich manchmal beim Wackelstein auf der Hügelkuppe hoch über dem Felslabyrinth auf, denn auch dieses Steinensemble ist wohl ein paganes Heiligtum. Der riesige rundliche Wackelstein, der sich mit Menschenkraft sanft schaukeln lässt, scheint einst dazu gedient zu haben, pagane Schamanen mit Hilfe der Steinbewegungen in Trance zu versetzen; dies jedenfalls vermuten moderne Schamanismusforscher.
Manfred Böckl/ da Hog’n
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„Keltenschanzen, Ringwälle, Burgställe“: 120 Ausflüge zu verwunschenen Plätzen im Niederbayerischen Hügelland und im Bayerischen Wald. Das Buch von Manfred Böckl mit diesem Titel ist hier bestellbar.