Passau. „Juristen und Technik haben traditionell eine schwierige Beziehung – Gerichte, Verwaltung und Anwaltschaft gelten eher als technologiefeindlich“, sagt Rechtsprofessor Michael Beurskens von der Universität Passau. Er hat sich vorgenommen, das künftig zu ändern: Die Hochschule an der bayerisch-österreichischen Grenze will Recht und Zukunftstechnologien in einem neuen, in dieser Form bundesweit einzigartigen Studienangebot miteinander versöhnen.

Spezialisten an der Schnittstelle zwischen Recht und Technologie werden von Kanzleien, Unternehmen und Startups händeringend gesucht. Die Universität Passau schafft erstmals einen Studiengang, der die beiden Welten miteinander verbindet.
Wenn von Legal Technology oder „Legal Tech“ die Rede ist, geht es um weit mehr als nur Software für Anwälte: Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die berufliche Tätigkeit von Juristinnen und Juristen künftig aussehen wird. Der neue Studiengang „Legal Tech“ startet in Passau erstmals in diesem Herbst und behandelt in acht Semestern einerseits klassische juristische Pflichtfächer wie Privatrecht und Staatsrecht, andererseits Kerninhalte eines Studiums der Wirtschaftsinformatik. Bereits ab dem zweiten Semester besuchen Studierende die ersten Legal-Tech-spezifischen Veranstaltungen zu Algorithmen und Recht sowie zum Internet Computing.
„Technische Fragen gehören bislang nicht zur Juristenausbildung“
Das ist ein Novum in der Bundesrepublik: „Technische Fragen gehören bislang nicht zur Juristenausbildung“, sagt Professor Beurskens, der den neuen Studiengang leitet. Zunehmend würden Universitäten den entsprechenden Bedarf zwar erkennen und Ergänzungsangebote oder Masterstudiengänge schaffen, die Juristen in Sachen Technologien fit machen. „Unser Ansatz ist jedoch anders und deutschlandweit einmalig: Die Studierenden im LL.B. Legal Tech sitzen von Anfang an mit Studierenden der Wirtschaftsinformatik, aber auch mit Staatsexamensstudierenden in einem Hörsaal“, sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht. Beurskens studierte unter anderem in Chicago und ist im Bundesstaat New York als Rechtsanwalt bei Gericht zugelassen.
Das neue Studium beinhaltet Kurse zu Schuldrecht, Sachenrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht einschließlich Polizei- und Baurecht, Europarecht, zum Umgang mit Daten und Datenbanken inkl. „Big Data“, Softwareentwicklung, aber auch zentrale Bausteine der Betriebswirtschaft, etwa Rechnungslegung, Organisation und Kostenrechnung. Über das rein wissenschaftliche Studium hinaus belegen die Studierenden nach den Worten des Studiengangsleiters auch praxisbezogene Kurse, etwa zum rechtlichen Rahmen für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen sowie zum IT- und Datenrecht. Auch ein Praktikum ist Teil des Studienverlaufs.
Auf dem Arbeitsmarkt ist die neuartige Kombination gefragt: „Derzeit suchen insbesondere große Kanzleien und Startups dringend nach Personen, die sowohl Rechtskenntnisse haben als auch in der Lage sind, technische Lösungen für deren praktische Handhabung zu konzipieren und zu evaluieren“, sagt Professor Beurskens. Die Zahl der Stellenangebote im Bereich Legal Tech wachse jährlich in erheblichem Umfang. „Dennoch gibt es bislang nur wenige potentielle Bewerberinnen und Bewerber.“
da Hog’n/ obx-news