Herzogsreut/Neureichenau. Immer wieder betonten entsprechende Entscheidungsträger zuletzt, dass von Seiten des Staates nur wenig Holz dem Markt zugeführt werde, um den sich im Keller befindlichen Preis für Buche, Fichte & Co. zu stabilisieren. „Die Waldbesitzer müssen für ihr Produkt wieder etwas bekommen“, unterstrich Gudula Lermer, Leiterin des Forstbetriebes Neureichenau, kürzlich im Rahmen einer Pressemitteilung von MdL Gerhard Waschler. Nur wenige Woche nach dieser Aussage die scheinbar schallende Ohrfeige für alle privaten Waldbauern: Neben der B12, die derzeit wegen Erneuerungsarbeiten komplett gesperrt ist, werden zwischen Herzogsreut und Philippsreut derzeit auf einer Länge von zirka drei Kilometern unzählige Festmeter Holz geschlagen – begleitet von vielen kritischen Stimmen.
Bevor Gudula Lermer diese auf den ersten Blick unverständliche Maßnahme näher erklärt, nimmt sie sogleich Wind aus den Segeln. „Bei diesem Hieb geht es um Sicherheit – und keinesfalls ums Geld.“ Die Bayerischen Staatsforsten würden sich laut der Forstbetriebsleiterin weiter mit Nachdruck an ihre Versprechen halten, den Holzmarkt zu entlasten – bis auf einige, wenige, weil zwingend nötige Ausnahmen. Und einer dieser Sonderfälle ist der Wald neben der B12, kurz vor der berühmt-berüchtigen „Wossascheid“-Kurve. „In diesem Teilstück ist in den vergangenen 30 Jahren überhaupt kein Baum gefällt worden. Viele Fichten sind deshalb im Stammbereich verfault, die Buchen haben mit Schädlingen zu kämpfen“, erklärt Lermer. „Um die Sicherheit der angrenzenden Bundesstraße zu gewährleisten, ist es unbedingt nötig, diese Fällungen vorzunehmen. Dass es sich hierbei um eine größere Geschichte handelt, liegt eben daran, dass lange Zeit in diesem Bereich nichts gemacht worden ist.“
„Es wäre fahrlässig, einzelne große Bäume stehen zu lassen“
Eine genaue Zahl, wie viele Festmeter aktuell aus dem Wald geschlagen werden, kann der Forstbetrieb Neureichenau nicht nennen. Der Grund: Die Menge richte sich nach den unmittelbaren Feststellungen der zuständigen Förster: Droht durch einen Baum Gefahr, muss er weichen. Wie wichtig diese Maßnahme ist, so Lermer, zeige das Bild kurz vor dem Abschluss des Einschlages. Nur wenige, große Bäume stehen noch – aus vorher genannten Gründen. Kleinere, standfestere Gewächse bestimmen die Szenerie. „Es wäre fahrlässig, einzelne große Bäume stehen zu lassen, weil deren Windangriffsfläche dann enorm ist.“ Generell waren die letzten Wochen was diesen Abschnitt betrifft ein Ritt auf der Rasierklinge. Der Forstbetrieb und auch die übrigen beteiligen Behörden wie Polizei und Staatliches Bauamt wussten um die Gefahr durch die instabilen Hölzer. „Wir haben jedoch bewusst darauf gewartet, bis dass die B12 gesperrt wird. Einerseits, um Kosten für eine weitere Teilsperrung zu vermeiden. Andererseits, um weitere Behinderungen für die Fahrzeuglenker zu verhindern.“
Kritisch von Seiten der Bevölkerung wird zudem beobachtet, dass mit den Arbeiten fast ausschließlich österreichische Dienstleister beschäftigt sind. In Zeiten einer coronabedingten angeknacksten Wirtschaft wäre es doch sinnvoller, hiesige Waldarbeiter einzusetzen, so die Meinung vieler. Ein Einwand, den Gudula Lermer durchaus verstehen kann. Doch in diesem Zusammenhang sind ihr bzw. dem Forstbetrieb Neureichenau die Hände gebunden. „Die Staatsforsten unterliegen dem öffentlichen Vergaberecht, weshalb alle Dienstleistungen öffentlich ausgeschrieben werden. Derzeit arbeiten mehrere Unternehmer für uns. Diese werden je nach erforderlicher technischer Ausstattung den verschiedenen Einsatzorten zugewiesen.“
Der Wald und das dazugehörige Management ist und bleibt ein heißes Eisen – vor allem in der weiter fortschreitenden Coronakrise. „Die Einschränkungen haben dazu geführt, dass deutlich mehr Menschen als zuvor in den Wäldern unterwegs sind. Und seit dem Film von Peter Wohlleben ist sowieso jeder Experte“, berichtet Lermer. „Alles, war wir tun wird laut und unangenehm in Frage gestellt, mitunter geht es sogar ins Persönliche.“ Schwierige Zeiten – für alle Beteiligten. Aus diesem Grund versucht die Forstbetriebsleiterin noch einmal zu beschwichtigen: „Würden wir solche Maßnahmen wie an der B12 nicht durchführen, würde sich sofort das Ordnungsamt einschalten. Nochmal: Es geht um die Sicherheit.“
Helmut Weigerstorfer
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Ich finde die Vorgehensweise des Forstbetriebs Neureichenau vollkommen in Ordnung, die Vollsperrung der B 12 zum Einschlag/zur Beseitigung gefährlicher Bäume zu nutzen! Das ist gut und unbürokratisch! Die Maßnahme dient – wie die Sanierung der B 12 auch – einzig und allein der Verkehrssicherheit und hat nichts mit Profit zu tun.
Wie große wäre das Geschrei, wenn jetzt die B 12 wegen Sanierung voll gesperrt ist und der Forstbetrieb in einem halben Jahr wegen des notwendigen Sicherheitshiebes wieder ein Sperrung mit weiten Umleitungsstrecken durch Dörfer etc. benötigt hätte. Und der Einsatz der Firmen ist halt durch EU-Vergaberecht geregelt. Daran führt kein Weg vorbei – nicht mal eine Umleitung.