Röhrnbach. Hinter vorgehaltener Hand galt Leo Meier bereits während seiner Zeit als dritter Bürgermeister aufgrund seines Netzwerks als erster Mann in der Marktgemeinde Röhrnbach. „Die Leute wissen, dass der Leo rund um die Uhr erreichbar ist“, gibt er selbst zu. Die diesjährigen Kommunalwahlen sorgten dafür, dass der 58-jährige Finanzbeamte, der zuvor bei der Diözese Passau beschäftigt war, erster Bürgermeister seiner Heimatkommune wurde – er setzte sich in der Stichwahl gegen Christian Aumüller durch.
Sein Einstand hat es sogleich in sich: Themen wie die Erweiterung des Logistikzentrums Praßreut und die Tuning-Szene an der Bachl-Tanke, die überregional diskutiert werden, haben sofort Meiers vollste Aufmerksamkeit verlangt, wie er unter anderem im folgenden Hog’n-Interview berichtet. Dabei überzeugt er durch seine sehr freundliche, aber gleichzeitig direkte Art:
Herr Meier, wie fühlen Sie sich als erster Bürgermeister der Marktgemeinde Röhrnbach?
Es ist eine große Ehre für mich – und es fühlt sich deshalb sehr gut an.
Klare Ansage. Wie gehen Sie mit der großen Verantwortung um?
Ich wusste ja bereits im Vorfeld, was mich erwartet. Freilich ist die Verantwortung groß. Ich bin allerdings bereit, diese zu übernehmen.
Ihre Gemeinde steht wie keine zweite im Landkreis Freyung-Grafenau für Wirtschaftskraft. Zahlreiche Großunternehmen haben sich rund um den Hauptort angesiedelt. Hohe Gewerbesteuern sind also in Ihrem Haushalt fest eingeplant. Ist deshalb die politische Arbeit in Röhrnbach besonders einfach?
Einfach ist das falsche Wort. Es ist ein angenehmeres Arbeiten, das steht fest. Natürlich wirkt sich die Coronakrise aber auch auf unseren Haushalt aus: Wir haben eigentlich mit 3,7 Millionen Euro Gewerbesteuer gerechnet, nun bekommen wir lediglich 2,2 Millionen. Ein massiver Einbruch, der nur schwer oder kaum auszugleichen ist.
„Sicher hat die Wirtschaft eine starke Stimme, aber…“
Aus Sicht von anderen Bürgermeistern sind das Luxusprobleme.
Natürlich. Es gibt auch immer wieder etwas neidische Stimmen deshalb. Nichtsdestotrotz habe ich ein sehr tolles Verhältnis zu den Nachbar-Bürgermeistern – nicht nur innerhalb der ILE Ilzer Land, sondern auch darüber hinaus.
Apropos ILE: Was entgegnen Sie denjenigen, die behaupten, hierbei handelt es sich um ein künstliches, überflüssiges Konstrukt?
Unsere ILE sorgt dafür, dass sich das Miteinander der beteiligten Gemeinden weiter intensiviert. Auch wenn wir teils sehr massiv in verschiedenen Projekten involviert sind und der bürokratische Aufwand dadurch sehr hoch ist. Aus meiner Sicht wäre es angebrachter mehr praktische Vorhaben durchzuführen, um nicht zu viel Geld für etwas auszugeben, das keine sichtbaren Ergebnisse mit sich bringt. In Sachen staatlicher Fördermittel ist die ILE jedoch ein klarer Gewinn.
Zurück zur Wirtschaft: Böse Zungen könnten behaupten, Sie seien der „schwächste“ Bürgermeister in FRG, weil das Geld, also die Unternehmen, das Geschehen diktiert.
Das ist keinesfalls der Fall. Sicher hat die Wirtschaft eine starke Stimme. Deshalb ist es wichtig, als Bürgermeister diplomatisch zu sein. Es ist eigentlich ganz einfach: Die Wirtschaft funktioniert nur dann, wenn die Gemeinde-Verwaltung funktioniert – und an der Spitze der Verwaltung steht der Bürgermeister.
Als Bürgermeister steht man im Fokus. Wie gehen Sie damit um?
Es ist keine große Neuigkeit, dass dem Bürgermeister ganz genau auf die Fingern geschaut wird. Man braucht deshalb in diesem Amt einen breiten Rücken. Den hatte ich schon immer – und er ist noch breiter geworden.
Bürgermeister ist man rund um die Uhr.
Genauso ist es. Kürzlich wurde die Freiwillige Feuerwehr Wilhelmsreut um 23 Uhr alarmiert, auch meine Anwesenheit war erforderlich. Für mich war schnell klar, dass ich hinfahre. Wenn sich schon die Ehrenamtlichen für die Allgemeinheit einsetzen, sollen das auch die hauptamtlichen Gemeindevertreter machen. Die Leute wissen, dass der Leo rund um die Uhr erreichbar ist.
Medial steht Ihre Familie ohnehin im Fokus: die Instagram-„Landmama“ ist ihre Schwiegertochter. Wie bewerten Sie die Tatsache, dass über deren Kanal Familieninternas – zuletzt nicht gerade positive – an die Öffentlichkeit gelangen?
Das ist allerhand! Familie soll Familie bleiben. Manche Themen gehören einfach nicht an die Öffentlichkeit. Ich finde es schade und nicht gut, dass in diesem Rahmen meine Familie derart im Fokus steht.
Logistikzentrum Praßreut: „Negative Stimmen kommen massiv“
Weg vom Persönlichen: Das Logistikzentrum Praßreut ist eines der brennenden Themen. Es wird gemunkelt, dass bereits bei der Ersterschließung feststand, dass eine Erweiterung definitiv realisiert werden soll. Man wollte dazwischen lediglich etwas Zeit verstreichen lassen, um die erhitzten Gemüter zu besänftigten. Ist da was dran?
Nein. An dieser Behauptung ist nichts dran. Diese Vorgehensweise ist mir nicht bekannt. Ich finde es sehr schade, dass die Flächen bereits nach so kurzer Zeit erweitert werden sollen. Fakt ist: Der Antrag auf die Erweiterung wurde noch unter der Ägide von Bürgermeister Gutsmiedl eingereicht – die Entscheidung jedoch in die neue Amtsperiode verlegt.
Unternehmer Christian Binder rechtfertig die Erweiterung immer wieder mit dem Argument, dass der Bayerwald nicht vom Tourismus allein leben kann, sondern auch wirtschaftliche Weiterentwicklung benötige. Ein nachvollziehbares Argument?
Nicht unbedingt. Der Tourismus – gerade aufgrund von Hotels wie dem Röhrnbacher Jagdhof – ist im Bayerischen Wald ein maßgeblicher Faktor. Dass die Wirtschaft ebenfalls laufen muss, ist klar. Dass das alles jedoch nichts mit der Praßreuter Angelegenheit zu tun hat, ebenso. Negative Stimmen von der Mehrheit der Bevölkerung hinsichtlich der Erweiterung kommen von allen Seiten – und sehr massiv.
Wir haben uns deshalb auf folgende Vorgehensweise geeinigt: Zuerst soll die Bevölkerung vollends aufgeklärt und gehört werden, dann wird der Gemeinderat informiert. Ist dies alles mit einem positiven Ergebnis erfolgt, wird das langwierige Verfahren in die Wege geleitet.
Streitpunkt ist auch der vom Logistik-Unternehmer geforderte Ausbau der Verbindungsstraße nach Praßreut.
Absolut. Auch hier ist die Reihenfolge klar: Erst wenn die Straße fertiggestellt ist, kann eine mögliche Erweiterung erfolgen. Sollte es dann zu einer Abstimmung im Gemeinderat kommen, möchte ich eine deutliche Mehrheit durch entsprechende Vorarbeit erreichen. Transparenz ist hier das A und O. Wir dürfen die Bevölkerung nicht übergehen. Es ist klar, dass sich die Firma Binder massiv an den Kosten der Straße beteiligen muss. Genauso darf der riesige Flächenverbrauch die Gemeinde nicht daran hindern, in Zukunft anderweitige Flächen – wie Wohn- und Gewerbegebiete – ausweisen zu dürfen.
Das Image der Gemeinde hat durch bundesweit negative Schlagzeilen zu diesem Thema gelitten. Es war immer wieder von überbordendem Flächenfraß die Rede. Wie kann diesem Trend entgegengesteuert werden?
Indem wir – wie erwähnt – uns sehr intensive Gedanken über die Erweiterung machen und mit großer Transparenz vorgehen. Wir müssen nach außen hin signalisieren, dass uns das Thema wichtig ist. Ehrlich gesagt verstehe ich die Einwände des Bund Naturschutzes nicht, wenn von dessen Seite behauptet wird, es handele sich hierbei nicht um nachhaltige Wirtschaftspolitik.
Tuning-Szene Bachl-Tanke: „Es gibt Grenzen“
Es ist doch logisch, dass ein Logistikbetrieb größere Flächen braucht als ein Dienstleister. Jedes Unternehmen hat ein Erweiterungsrecht – unabhängig von den Arbeitsplätzen pro Quadratmeter. Der Logistikbetrieb gehört aber genauso zu unserer Wirtschaft wie alle anderen Bereiche. Nichtsdestotrotz müssen wir diesen Fall aus vorher genannten Gründen genau unter die Lupe nehmen.
Ein weiteres heißes Eisen: Die Tuning-Szene rund um die „Bachl-Tanke“. Die Beschwerden der Anwohner über die Lärmbelästigung reißen nicht ab. Wie lässt sich dieses Problem lösen?
In Absprache mit der Firmen-Gruppe Bachl ist ein Sicherheitsdienst installiert worden, den die Tankstellen-Betreiber komplett übernehmen. Ein erster Schritt zur Besserung. Der Polizei gegenüber habe ich zudem klar angesprochen, dass aus meiner Sicht verstärkte Kontrollen erwünscht sind. In der Ortschaft haben wir zudem einen stationären Blitzer installiert.
Ist es überhaupt zielführend, dass die Tuning-Szene komplett aus dem Gemeindebereich verschwindet?
Auf keinen Fall. Jeder ist bei uns willkommen, hat sich aber auch an die geltenden Regeln zu halten. Dass die Jungen etwas Gaudi machen, ist klar – aber bitte in einem angemessenen Rahmen. Es gibt Grenzen. Manche Autofahrer sind nicht nur laut, sondern gefährden mit ihrer Fahrweise auch die Anwohner. Und das kann es nicht sein.
Generell gefragt: Hatten Sie angesichts der Vielzahl an Themen überhaupt genügend Zeit sich einzuarbeiten?
Es ging gleich von null auf hundert. Es sind viele alte und überaus zahlreiche neue Themen abzuarbeiten. Das erleichtert sicher nicht den Einstieg, härtet aber ab. Ich bin bereit.
Was erwartet Sie noch in den nächsten sechs Jahren?
Wir haben noch vieles vor. Die Barrierefreiheit am Marktplatz ist mir wichtig. Genauso seniorengerechtes Wohnen in der Kommune. Und das Mega-Thema überhaupt: Ortskernbelebung. Aber ich gebe zu: im Vergleich zu Praßreut und Tuning sind das alles eher seichtere Themen (schmunzelt).
Vielen Dank für das Gespräch – und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer