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Arberland. Der Bayerische Wald. War das nicht irgendwo rechts hinten in Deutschland nahe der tschechischen Grenze, wo das Schnitzel groß und billig über den Teller ragte und Pensionen mit „Fremdenzimmern“ warben? Mag dieses Bild einer vergilbten 70er-Jahre-Postkarte noch so manchem Zeitgenossen vor Augen stehen – die Welt ist längst angekommen im Woid. Und während die Globalisierung neue Inputs bringt, spürt man eine Renaissance des Regionalen. Im Arberland wird diese Bewegung von idealistischen Jungunternehmerinnen und -unternehmern getragen, die sich nachhaltigen Genuss in Bio-Qualität auf die Fahne schreiben. Drei von ihnen sind der „Biohof Häng“ in Frauenau, die Regener „Butter Boyz“ und das Bio-Hotel „7 Sentidos“ in Bischofsmais.

 

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+++ Biohof Häng / Frauenau +++

Birte Carstensen und Martin Straub betreiben in der Nähe von Frauenau der „Biohof Häng“ – Ökolandwirtschaft in Reinstform.

Kennengelernt haben sich Martin Straub (26) und Birte Carstensen (30) im nordhessischen Witzenhausen. „Dort liegt die einzige Uni Deutschlands mit einem rein ökologischen Agrarstudium in Agrarwissenschaft. Eine tolle Atmosphäre herrscht dort“, schwärmt die gebürtige Schleswig-Holsteinerin.

Für sie war das Thema Landwirtschaft zunächst einmal nur eine „interessante Nebensache“: „Ich wollte nach meinem Erststudium in Biochemie rauskommen – kein Labor, kein Computer – und dann in Ruhe überlegen, wo ich meinen Doktor mache. Nach sechs Monaten auf diversen Höfen hat mich die Leidenschaft gepackt. Ich wünschte mir einen Ort wie die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) Tangsehl in der Lüneburger Heide, ein gemeinsames Bewirtschaften mit Gleichgesinnten. Martin hat schon lange von einem Selbstversorgerhof bei sich Zuhause in Frauenau geträumt, wo seine Eltern Land besitzen. Nach unserem gemeinsamen Quereinsteiger-Studium der Ökolandwirtschaft haben wir diese beiden Zukunftsvisionen dann verbunden.“

Artgerechte Haltung der Hühner – auf dem Biohof Normalität

Seit 2018 bauen Straub und Carstensen auf der „Häng“ nun klassisches Gemüse wie Möhren, Salat, Kürbis, Bohnen, Zuckererbsen, Tomaten, Gurken und Paprika an. Es gibt aber auch Raritäten wie Topinambur, Haferwurzel und Zuckerhut oder seltene Sorten, zum Beispiel den lila Kohlrabi „Azur Star“. Was nicht im eigenen Kochtopf landet, verteilen die Landwirte frisch auf Gemüsekisten, die auch gerne mit Obst oder saisonalen Kräutern gefüllt werden. Diese gehen dann einmal die Woche an Privathaushalte aus der Region. Auch einige Unternehmen befinden sich bereits darunter: Die „Rote Res“ in Bodenmais, das „Haus zur Wildnis“ in Ludwigsthal, das „7 Sentidos“ in Bischofsmais und die „Butter Boyz“ am Regener Stadtplatz. „Den Boyz stellen wir die entscheidende Zutat für ihre leckere Rote-Beete-Butter zur Verfügung“, berichtet Carstensen mit einem Schmunzeln.

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Das „obere Feld“ des Biohofes aus der Vogelperspektive. Fotos: Florian Eichinger

Da man im Einklang mit der Natur arbeiten möchte, werden zur Düngung auf dem Feld des Biohofes ausschließlich Kompost und Pferdemist eingesetzt. „Unser Pflanzenschutz besteht aus Kulturschutznetzen, effektiven Mikroorganismen, Brennnesseljauche, Gesteinsmehl, einem lockeren und lebendigem Boden und natürlich aus einer weiten Fruchtfolge“, erklärt die junge Frau. „Bei den Hühnern ist uns artgerechte Haltung wichtig. Sie haben einen Mobilstall und kommen immer wieder auf frisches Grün, können scharren, picken und im Sand baden. Wir arbeiten zudem sehr emissionsarm, da wir nicht pflügen und die Gemüsebeete auch sonst nicht mit Maschinen befahren. Nur zum Entfernen der Felsen muss man einmal mit dem Bagger durch den Boden gehen.“

Da es beim sogenannten „Market Garden System„, nach dem die beiden Direktvermarkter arbeiten, viel zu erklären und noch mehr zu zeigen gibt, bieten sie unterdessen auch Führungen für Hobbygärtner und Schulklassen an. „Von unseren 32 Gemüsekisten-Abonnenten finden leider noch die Wenigsten ihren Weg zu uns nach Oberlüftenegg. Wir würden uns freuen, wenn hier mit der Zeit noch mehr persönliche Kontakte entstünden.“ Erst  kürzlich hat sich erfreulicherweise aber die Möglichkeit ergeben, mit einem Kollegen aus Frauenau zu kooperieren.

„Natürlich kann man von unserem Feld aus den Arber sehen“

„Kleine Höfe sind per se selten wirtschaftlich. Wir kommen nicht über ein Hektar Land und erhalten keine Fördergelder. Es braucht also viel Idealismus, Spaß an der Arbeit, eventuell mehrere Standbeine und ein Umfeld, das einen unterstützt. Für unseren Traum haben wir im Arberland genau diese Voraussetzungen gefunden. Martin hätte es abgesehen davon sicher schwierig gefunden, dauerhaft außerhalb des Bayrischen Waldes zu wohnen. Er ist sehr heimatverbunden – und natürlich kann man von unserem Feld aus den Arber sehen.“

 

+++ Butter Boyz / Regen +++

Moritz Oswald (30) ist Koch, Patissier, Wine and Beverage Manager und hat einen Master of Science in International Hospitility. Seit rund einem Jahr bringen er und Fabio Cestari de Mesquita (31) als „Butter Boyz“ Bio-Butter handmade in Regen auf die Tische der Waidler. Begonnen hat jedoch alles mit Oswalds Liebe zu Frankreich: Nach dem Abitur 2009 und einem Kellnerjob in Paris lernte er von 2011 bis 2013 am „Institut Paul Bocuse“ in Lyon, das bis heute zu den besten Kochschulen der Welt zählt. Hier kreuzten sich die Wege von Oswald und Cestari de Mesquita, entfernten sich durch Weiterbildungen, neue Anstellungsverhältnisse und eine brasilianische Kochshow – und trafen sich schließlich in Wien wieder.

Die Butter Boyz aus Regen: Cestari de Mesquita (links) und Moritz Oswald. Fotos: Butter Boyz

Die Idee zur eigenen Butter kam ihnen beim Wochenendeinpendeln nach Regen. „Wie schafft es ein Jean-Yves Bordier aus Saint-Malo in der Bretagne, dass man sich selbst in Hongkong die Finger nach seiner Butter leckt?“, fragen sie sich. Abgesehen von der Rohmasse – einer vollaromatischen Bio-Sauerrahmfassbutter – liegt das zartschmelzende Geheimnis in der Konsistenz und Veredelung, so ihre Erkenntnis. Ein Malaxeur à Beurre – zu Deutsch: eine Butterknetmaschine – musste her. Für 150 Euro wurde ein entsprechendes Exemplar in der Île-de-France erstanden und persönlich abgeholt.

Die Schreinerei Kramhöller aus Regen bereitete das Gerät, welches als Deko-Objekt gedient hatte, mit dichten, geschmacks- und geruchsneutralen Hölzern zum Einsatz auf. Das Bekenntnis an die kurz erschrockene Familie folgte bei einem gemeinsamen Grillabend. Vier Monate wollten sich Oswald und Cestari de Mesquita geben, um die gefundene Marktlücke zu erkunden. Bewaffnet mit „Butter-Probe-Packerln“ statteten sie den Sternerestaurants des Freistaats einen Besuch ab. Es gab positive und negative Rückmeldungen. Das überschwängliche Feedback eines doppelt Michelin-ausgezeichneten Chefs ermutigte die Boyz dann aber, dran zu bleiben.

Die Küchenchefs dürfen aus bis zu 21 Sorten wählen

Eine anfängliche Geschäftsidee, kulinarische Spezialitäten aus Frankreich für die hiesige Hotellerie und Gastronomie zu importieren, wurde zwar zugunsten der Butterproduktion erst ad acta gelegt, fand dann aber doch im eigenen Verkaufsraum Eingang: Am Regener Stadtplatz empfangen Oswald und Cestari de Mesquita nicht nur potenzielle Geschäftspartner bei der Butterverkostung, sondern auch Privatkunden auf der Suche nach hochwertigem Olivenöl, Chutneys, Senf, Gewürzen, Säften und natürlich französischen Weinen. „Hier kooperieren wir mit kleinen Manufakturen und Herstellern, die so arbeiten wie wir“, erklären die Jungunternehmer, „kreativ, mit viel Leidenschaft und Begeisterung für den Geschmack, aber ohne Zusatzstoffe. Auf diese Art und Weise kommen im Laufe der Zeit immer mehr Produkte für einen lauen Sommerabend oder ein gemütliches Wochenende zusammen – und sind natürlich auch in unserem Onlineshop erhältlich.“

Das „bescheidene“ Ziel der Butter Boyz: Die Herstellung der besten Butter Deutschlands.

Im festen Buttersortiment befinden sich sechs Geschmacksrichtungen. Die Küchenchefs Deutschlands, Österreichs und Portugals dürfen sogar aus bis zu 21 Sorten wählen. „Diese sind dann aber durchaus speziell“, merken die Boyz an. Der perfekten Schnittlauch-Zitronenschale-Wasabi- oder Bratapfelbutter gehen neben einem gemeinsamen Brainstorming zahlreiche Versuche voraus. „Wir bereiten vier Proben vor, von denen eine den jeweiligen Vorstellungen hoffentlich entspricht.“

Den Gusto der Privatkunden versuchen sie durch regionale Zutaten zu treffen – Steinpilz- und Honig-Senf-Butter etwa. „Ein regelrechtes Streitthema war dann die Sache mit der Kräuterbutter“, erinnert sich Oswald. „Beim Discounter besteht sie zumeist nur aus Petersilie und Knoblauch und wird in großen Stücken auf Baguette und Schweinesteak gestrichen. Wir wollten eine Kräuterbutter kreieren, die mindestens sechs verschiedene Kräuter enthält, frisch und zitronig schmeckt. Sie gehört heute zu unseren beliebtesten Kreationen.“ Wer auch einmal in den Genuss einiger Gastrosorten kommen möchte, der kann ein Überraschungspaket ordern.

Einen Fünf-Jahresplan haben die beiden nicht

„Abgesehen davon, dass Regen meine Heimatstadt ist und ich deshalb  einen  starken Bezug dazu habe“, meint Oswald, „passt das Arberland wunderbar zu unserem Image – natürlich, ländlich und ungekünstelt, Wald und Mittelgebirge als Kulisse – das beeindruckt auch die Kundschaft“. Viele kleine, glückliche Zufälle waren dafür verantwortlich, dass es die Boyz in den Bayerischen Wald verschlug. Auch Cestari de Mesquita hat sich wunderbar eingelebt. „Er liebt die bayerische Küche, ist ein großer Fan unserer Volksfeste und spricht bereits Mundart“, sagt Oswald und lacht. 

Den Positivmix komplettieren Familie, Naturerlebnis und ein ehrliches, menschliches Miteinander. „Ursprünglich hatten wir überlegt, uns als junges aufstrebendes Unternehmen zwecks Autobahnanbindung in Deggendorf niederzulassen“, erzählt Oswald. „Dann haben wir aber schnell gemerkt, dass wir die gar nicht brauchen, um die Kunden zu uns und die Produkte frisch und unbeschadet zu ihnen zu bringen.“

Einen Fünf-Jahresplan gibt es für die Boyz nicht. Ihr ehrgeiziges Ziel ist es, als deutsches Pendant zu Bordier die beste Butter der Bundesrepublik herzustellen und an namhafte Drei-Sterne-Restaurants liefern zu dürfen. Obwohl ihnen die Corona-Pandemie vorerst einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, soll es noch heuer soweit sein.

 

+++ 7 Sentidos / Bischofsmais +++

Ihre Zielgruppe sind Naturfreunde, LOHAS, Bioliebhaber, Menschen mit vegan/vegetarischem Lebensstil und „ruhesuchende Erwachsene“.

Alternative Hoteliers: Melanie und Simon Halliant. Fotos: 7 Sentidos

Zusammen genommen blicken Melanie und Simon Halliant, die Gründer des Bio-Hotels „7 Sentidos“, auf knapp 50 Jahre Erfahrung in der Hotellerie- und Tourismusbranche mit Stationen in Deutschland, Österreich, Spanien und Portugal zurück. „Einen medizinischen, sportlichen und spirituellen Berufshintergrund gibt es aber auch“, verrät Melanie Halliant. Das sieht und spürt man bereits beim Betreten der Anlage. „Zu verdanken haben wir diesen Ort unseren Eltern bzw. Großeltern“, erzählen die beiden. „Mitten in der niederbayerischen Prärie haben sie damals auf 1.500 Quadratmetern Ferienhäuschen gebaut, die wir dann vor Jahren kernsaniert und mit viel Liebe zum Detail im maurischen Stil umgestaltet haben.“

„Wir sind gerne draußen in der Bayerwaldnatur“

Warum das Ganze im Arberland und nicht tatsächlich im sonnenverwöhnten Spanien? „Ist die Frage ernst gemeint?“, entgegnen die beiden. „Gibt‘s denn ein schöneres Fleckerl? Warum in die Ferne schweifen, wenn das Schöne doch so nah liegt! Nachhaltiger Urlaub findet zuhause statt – und außerdem haben wir in Bischofsmais meteorologisch betrachtet sehr viele Sonnenstunden. Wir lieben unseren Job, sind gerne draußen in der Bayerwaldnatur oder tüfteln an unserem Areal.“

„Wir sind unseren Herzen gefolgt! Die Ausrichtung hatten wir vorher bereits im Kopf und es sollte etwas Sinnvolles sein.“

Ob Melanie und Simon bereits geahnt haben, dass ihr für die Region nicht ganz typisches Konzept ein Erfolg werden würde? „Das war uns zunächst einmal egal“, sagen sie bestimmt: „Wir sind unseren Herzen gefolgt! Die Ausrichtung hatten wir vorher bereits im Kopf und es sollte etwas Sinnvolles sein.“ Bio, das ist für sie kein Trend, sondern der Ursprung ihres Tuns: „Wir alle können zu einer naturnahen, ressourcenschonenderen und achtsameren Lebensweise beitragen. Der Schritt zur Zertifizierung als Bio-Hotel war für uns deshalb nur logisch.“ Gemeinsame Werte und Austausch erleben sie im Kreise der anderen Bio-Häuser: „Wir gehören zur größten und nachhaltigsten Vereinigung von Hotels in Europa. Im Fokus steht der Co2-Fußabdruck.“

Dieser umspannt alle Bereiche von der Kosmetik bis zur Baubiologie – und nicht nur die zu 100 Prozent kontrollierte Bioküche, die sicherlich per se eine Erwähnung als Geheimtipp rechtfertigen würde: „Wir kochen jeden Tag ein frisches, leckeres Gericht. Alles wird privat in der eigenen ‚Casita‘ serviert und dann zwischen Hängematte, Boxspringbett oder Kuschelecke schnabuliert. Neben Sauna- und Massageangeboten finden zu ausgewählten Zeiten auch immer wieder Retreats und besondere Veranstaltungen statt. Gästen wollen wir Ruhe und Erholung bieten und ihnen dabei helfen, sich selbst und ihre sieben Sinne zu erfahren.“

Ob Melanie und Simon die Corona-Zeit ebenfalls so „zen“, also meditativ gelassen, erlebt haben? „Ja doch“, meinen sie, „da es einige kleine und große Baustellen zu bewältigen gab und gibt – zum Beispiel bekam unser Garten ein wenig mehr Aufmerksamkeit als sonst. Die Situation hat der Kreativität wieder Raum gegeben und wenn man die Zeit nutzen kann, entsteht Neues oder Altes wird neu gedacht. Dennoch mussten wir einige personelle Herausforderungen angehen. Die Ungewissheit und der finanzielle Schaden sind nicht unbedeutend. Aktuell üben wir uns aber darin, im Hier und Jetzt zu sein und bleiben neugierig darauf, was das Leben und 7 Sentidos bereithalten. Ein bisschen träumen wir aber schon von Autarkie, Permakultur und Root-to-table.“

da Hog’n

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