Grainet. Ein sechs Jahre währender Anlauf war nötig, um den Rathaus-Sessel zu erobern. Eine lange Zeitspanne, aufgrund derer man vermuten könnte, dass sich Jürgen Schano endlich am Ziel seiner Träume wähnt. Doch dem ist nicht unbedingt so, wie Grainets neuer Bürgermeister im Hog’n-Interview deutlich macht.

Knapp 75 Prozent der Graineter Bürgerschaft stimmten für Jürgen Schano als Nachfolger von Kaspar Vogl. Der 48-jährige CSU’ler setzte sich bei den Kommunalwahlen im März dieses Jahres gegen Oliver Belik (SPD) durch.

Einerseits habe er natürlich dafür gekämpft, um die Nachfolge des Polit-Urgesteins Kaspar Vogl antreten zu können – verbunden mit großer Freude, als die Mehrheit der Bürger ihr Kreuzchen hinter seinem Namen machte. Andererseits ist sich der 48-Jährige der Bedeutung seiner nun folgenden Aufgaben bewusst – vor allem in ungewissen Zeiten nach Corona. Der zweifache Familienvater aus Rehberg blickt darüber hinaus bei seinem Hog’n-Antrittsgespräch auf die Brennpunkte der Gemeinde am Fuße des Haidels.

„Befinde mich nach wie vor in der Einarbeitungsphase“

Herr Schano: Bei Ihrem ersten Versuch, Bürgermeister zu werden, sind Sie 2014 gescheitert. Im zweiten Anlauf hat es nun geklappt. Sie hatten daher genügend Zeit sich auszumalen, wie es ist, Oberhaupt einer Gemeinde zu sein. Entspricht die Realität nun ihren Vorstellungen?

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Eins vorweg: Das Amt des Bürgermeisters war nicht mein Berufswunsch. Das Ganze hat sich nach und nach so ergeben. Ich war ja bereits sechs Jahre lang als zweiter Bürgermeister tätig. Und dennoch ist die Realität deutlich anders als vorgestellt – die Bürde, in kompletter Verantwortung zu stehen, ist nochmal ein anderes Kaliber. Um eine erste Zwischenbilanz ziehen zu können, ist es aber noch zu früh. Ich befinde mich nach wie vor in der Einarbeitungsphase.

Welche Qualifikationen bringen Sie als Bundespolizist und Privatmensch mit, die Sie zu einem guten Bürgermeister werden lassen?

Ich war als Bundespolizist Teil der modernsten Verwaltung weltweit. In EDV-Angelegenheiten bin ich deshalb sehr erfahren. Durch meine Ausbildung zum Schreiner sowie durch meine Kindheit auf einem Bauernhof bin ich zudem in praktischen Abläufen handwerklicher Art durchaus bewandert. Hinzu kommt meine vielfältige ehrenamtliche Vereinsarbeit beim SV Grainet, bei der Feuerwehr Rehberg und der Wassergenossenschaft Rehberg.

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„Reibereien gibt es höchstens im Wahlkampf“

Kaspar Vogl hat Ihnen eine „g’mahde Wiesn“ hinterlassen. In Grainet scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Ist dem tatsächlich so?

Ja – Gott sei Dank. 2002, als Kaspar Vogl die Kommune übernahm, hatten wir hier in Grainet alles andere als eine heile Welt. Damals gab es im Gemeinderat schwere Differenzen. Diese Grabenkämpfe haben dann jedoch schnell der Vergangenheit angehört. Seitdem ich 2007 außertourlich in den Gemeinderat nachgerückt bin, gestaltete sich dessen Arbeit sehr konstruktiv. Als CSU-Ortsvorsitzender war mir von Anfang an eine gute, harmonische Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinaus wichtig – so, wie es sich in einer Gemeinde unserer Größe gehört. Reibereien – und noch dazu sehr kleine – gab es höchstens zur Wahlkampf-Zeit.

Alles Friede, Freude, Eierkuchen demnach?

Zumindest was das Innenleben betrifft: ja. In Folge der Coronakrise stehen wir aber vor der größten Herausforderung überhaupt. In den vergangenen Jahren haben wir etwa in puncto Steueraufkommen im Schlaraffenland gelebt. Hier ist jedoch mit drastischen Einschnitten zu rechnen. In absehbarer Zeit muss man sich als Bürgermeister jeden Euro genauestens durch den Kopf gehen lassen. Glücklicherweise konnte die Gemeinde zuletzt noch einige geplante Maßnahmen durchboxen – und von hohen Förderungen profitieren.

Kaspar Vogl, Grainets längjähriger Bürgermeister, hat Jürgen Schano in der Übergangsphase „hervorragend eingearbeitet“, wie sein Nachfolger bestätigt.

Welche Impulse können Sie vor diesem Hintergrund in den kommenden Jahren setzen?

Eine unserer größten Herausforderungen innerhalb der Verwaltung ist nach wie vor die Digitalisierung. Gewisse Bereiche des Bauhofes, die Wasserversorgung sowie Teile der Verwaltung haben hier noch Nachholbedarf. Hinzu kommen die üblichen Themen wie Straßenbau und Kanalisation.

Also Alltagsgeschäft. Größere Highlights sind nicht geplant bzw. möglich?

Wegen Corona wird wohl 80 Prozent unserer Arbeit das Alltagsgeschäft sein. Das heißt im Umkehrschluss, dass wir bei den übrigen 20 Prozent besonderes kreativ sein müssen. Ein paar Gedanken schwirren mir aber schon durch den Kopf – vor allem rund um den Säumerplatz bei der Nikolaus-Kirche.

Das klingt alles schon recht detailliert. Daraus lässt sich rückschließen, dass die Übergangsphase von Kaspar Vogl zu Ihnen gut verlaufen ist.

Absolut. Kaspar hat mich hervorragend eingearbeitet – und ist auch jetzt noch immer erreichbar, wenn ich Fragen habe. Trotzdem besteht vieles einfach aus Learning-by-Doing, da kein Problem dem anderen gleicht. Jede Herausforderung ist besonders.

„Zwei Tage Polizist, drei Tage Bürgermeister – das ist unmöglich“

…und kann deshalb nur von einem hauptamtlichen Bürgermeister bewältigt werden. Rund um die Frage, ob Grainet ein hauptamtliches oder – wie bisher – ehrenamtliches Gemeindeoberhaupt braucht, hatte es Diskussionen gegeben. Ist die neue, vollzeitliche Variante tatsächlich die bessere und kostengünstigere?

Die bessere Option ist es, weil ich als hauptamtlicher Bürgermeister zu 100 Prozent für die Gemeinde da sein kann. Allein die ersten Monate belegen meine Aussage: Ich war täglich zehn bis zwölf Stunden im Dienst, habe im Monat zirka 60 bis 70 Überstunden gemacht. Ein Aufwand, der als ehrenamtlicher Rathaus-Chef nicht möglich gewesen wäre. Meine ganze Energie und Konzentration gilt der Gemeinde. Und ich denke, Grainet wird davon profitieren.

In Sachen Finanzen: Auf den ersten Blick ist ein hauptamtlicher Bürgermeister jährlich natürlich teurer. Man darf aber nicht vergessen, dass der Hauptamtliche seine Rente aus der Staatskasse bezieht, für den Ehrenamtlichen muss die Gemeinde aufkommen. In zehn, zwölf Jahren wird also die Schere wieder zusammengehen. Dann wird das hauptamtliche Gemeindeoberhaupt nur mehr rund 100.000 Euro teurer sein als das ehrenamtliche – ein angemessener Preis für eine Vollzeit-Kraft.

Ein ehrenamtlicher Bürgermeister Schano wäre nicht möglich gewesen?

Es ist – überspitzt dargestellt – unmöglich, zwei Tage Polizist und drei Tage Bürgermeister zu spielen. Und das habe ich in aller Deutlichkeit auch bereits während des Wahlkampfes und in der Phase zuvor, als dieses Thema im Gemeinderat diskutiert worden ist, gesagt.

„Ich denke mal, wenn Kaspar Vogl im Wahlkampf Oliver Belik nicht unterstützt hätte, wäre das Ergebnis anders ausgefallen.“

Wie blicken Sie heute auf den Wahlkampf zurück?

Ich wusste bereits im Vorfeld, dass von den SPD-Räten meiner Generation keiner die Intention hat Bürgermeister zu werden. Dass dann mit Oliver Belik ein – Verzeihung – No-Name in unserer Gemeinde an den Start ging, kam daher nicht allzu überraschend. Diese händeringende Suche war jedoch insofern verwunderlich, weil wir von der CSU bei den Wahlen 2008 bewusst keinen Gegenkandidaten gestellt haben, um Kaspar Vogl den Rücken zu stärken. Eine ähnliche Vorgehensweise seitens der SPD hätte ich mir nun auch gewünscht.

Das durchaus passable Abschneiden von Oliver Belik ist also eher auf seine Parteizugehörigkeit als auf seine Person zurück zu führen?

Die SPD ist in Grainet traditionell stark. Man muss aber auch deren Wahltaktik heuer betrachten: Ich denke mal, wenn Kaspar Vogl im Wahlkampf Oliver Belik nicht unterstützt hätte, wäre das Ergebnis anders ausgefallen.

Der Wahlkampf ist aber inzwischen abgeschlossen.

Absolut. Im Gegensatz zu manch anderer Gemeinde: ja.

„Man muss als Bürgermeister einstecken können“

Wie gelingt es generell kritische Themen, die auf einen Bürgermeister sicher zukommen werden, zu lösen – ohne als Privatperson einen zwischenmenschlichen Schaden davon zu tragen?

Derartige Entscheidungen gilt es natürlich gut abzuwägen. Um Zwistigkeiten zu vermeiden, muss man sein Profil dahingehend ausrichten, dass man als objektiver Entscheider mit einer klaren Linie wahrgenommen wird. Ich bin überzeugt, dass auch ich Themen bearbeiten werde, die für Kontroversen sorgen werden. Aber das gehört einfach dazu.

Themawechsel: Sie sind nun auch Vorsitzender des Schulverbandes Grainet-Hinterschmiding, obwohl dieser Posten eigentlich traditionell von der Nachbargemeinde besetzt wird. Unstimmigkeiten in Hinterschmiding haben jedoch dazu geführt, dass Bürgermeister Fritz Raab dieses Amt nicht mehr übernehmen wollte. Ihre Meinung dazu?

Mit der Amtseinführung von Jürgen Schano wurde der ehrenamtliche Bürgermeister in der Gemeinde Grainet durch einen hauptamtlichen ersetzt.

Man nimmt das zur Kenntnis und muss die Entscheidung des Gremiums genauso respektieren wie die des Bürgermeisters. Wir leben in einer Demokratie, in der die Mehrheit entscheidet. Ich habe Fritz Raab nochmal drauf angesprochen und ihn gebeten, das Ganze noch einmal zu überdenken. Doch er war nicht mehr umzustimmen.

Wie wichtig ist es, als Bürgermeister kritikfähig zu sein und zu bleiben?

Man muss einiges einstecken können, das ist Grundvoraussetzung. Gerade im Bayerischen Wald spielen Emotionen in der Politik eine große Rolle, weil auf den Dörfern jeder jeden kennt. Diese Mentalität gilt es zu beachten, weshalb es für einen Bürgermeister dazu gehört, mit Kritik umgehen und leben zu können.

Apropos Kritik: Großes Thema, über das auch das Onlinemagazin berichtete, war das Baugebiet Erlwies. Haben sich die damaligen Diskussionen inzwischen gelegt?

Ja. Baurechtlich war dieses Wohnbaugebiet von Beginn an astrein. Die entsprechenden Einwände gewisser Bürger sind im Einklang mit dem Landratsamt entkräftet und aus der Welt geschafft worden. Mittlerweile haben wir die letzte der elf Bauparzellen verkauft. Ein Erfolg, der für sich spricht.

Es gibt aber nach wie vor viele Menschen, die in der Gemeinde bauen wollen. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, entsprechende Flächen zur Verfügung zu stellen. Auch die bereits hier lebenden Bürger wollen natürlich, dass sich der Ort entwickelt – sträuben sich aber oftmals davor, wenn direkt vor dem eigenen Anwesen ein Haus gebaut wird. Irgendwie passt das nicht zusammen, oder?

Hüttenhof: „Das wird mir alles zu negativ gesehen“

Weiteres heißes Eisen in der Gemeinde war vor zwei Jahren der große Anbau des Hüttenhofes. Wie ist heute die Lage in Hobelsberg?

Mir sind keine Beschwerden mehr bekannt – und das, obwohl die Familie Paster derzeit schon wieder kräftig investiert. Der damalige Hog’n-Bericht zu diesem Thema ist also wieder aktuell – und dennoch gibt es keine Kontroversen. Man muss dazu aber auch sagen, dass der Hüttenhof gerade von der Ruhe in Hobelsberg lebt – und damit auch wirbt. Dementsprechend ruhig sind auch die Gäste, die dort urlauben. Eine Störung der Anwohner dürfte also praktisch ausgeschlossen sein.

Wie kann sich die Gemeinde Grainet in Sachen Tourismus breiter aufstellen – um nicht in Abhängigkeit eines großen Hotels zu geraten?

Infolge der Coronakrise sieht der Neu-Bürgermeister schwierige Zeiten auf die Gemeinde Grainet zukommen.

Das wird mir alles ein bisschen zu negativ gesehen. Die Familie Paster hat mit dem Hüttenhof viele Arbeitsplätze geschaffen und ist zudem ein großer Werbeträger für die Gemeinde. Diese Dinge gilt es zu unterstreichen – und nicht irgendwelche Abhängigkeiten. Abgesehen davon sind wir sehrwohl daran interessiert, mehr Unterkünfte bereit zu stellen. Darauf hat die Gemeinde allerdings keinen direkten Einfluss. Gäste zu beherbergen wird allerdings immer anspruchsvoller – wegen der Erwartungen der Touristen, aber auch wegen der gesetzlichen Vorgaben. Vielleicht wird Corona – trotz des schlimmen Hintergrundes – ein kleiner Vorteil für uns in dieser Hinsicht. Urlaub dahoam wird wieder an Attraktivität gewinnen.

Welche Einflüsse auf eine steigende Bettenzahl hat eine Gemeinde konkret?

Im Endeffekt können wir nur beratend helfen. Zum Beispiel bei der Digitalisierung. In der heutigen Zeit ist es maßgeblich als Beherbergungsbetrieb über einen Internetauftritt zu verfügen. Auf solche Sachen müssen wir immer wieder aufmerksam machen. Und gerne helfen wir natürlich auch praktisch.

Abschließend der obligatorische Blick in die Zukunft. Was erwarten Sie in den kommenden sechs Jahren?

Alle Planungen sind aufgrund von Corona eigentlich hinfällig. Deshalb müssen wir die nächste Zeit einfach mal auf uns zukommen lassen, auch wenn das irgendwie hilflos klingen mag. Aber die wirtschaftliche Lage kann sich derzeit so schnell ändern, dass jeder mittelfristige Gedanke sinnlos wäre.

Vielen Dank für das Gespräch, alles Gute für die Zukunft – und ganz wichtig: Gesund bleiben.

Interview: Helmut Weigerstorfer


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