Freyung/Schönbrunn am Lusen. Als einen „Fall von unglaublicher Raserei“ bezeichnet die Polizei Freyung in einer Pressemitteilung das, was sich im August des vergangenen Jahres bei Schönbrunn am Lusen abgespielt – und zu einem schweren Verkehrsunfall geführt hat. Vor kurzem wurde das Strafmaß für die Raserin festgelegt.
Was war geschehen? In halsbrecherischer Art und Weise reiste Ende August 2019 eine 33-jährige tschechische Motorradfahrerin mit ihrer Honda über den Grenzübergang Philippsreut nach Deutschland ein. Sie war zu ihrer Arbeitsstätte im Bereich Deggendorf unterwegs. Die Bikerin raste dabei mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 280 km/h über den Asphalt, überholte rücksichtslos an unübersichtlichen Stellen und missachtete sämtliche Verkehrsvorschriften. Ihre Fahrtstrecke führte zunächst über die B 12 auf die B 533 und schließlich auf die FRG 41 in Richtung Schönbrunn am Lusen.
§ 315d: Tatsächlicher Renngegner ist nicht erforderlich
Die Raserei nahm ein jähes Ende, als auf Höhe Schönbrunn am Lusen ein von rechts aus einer Gemeindestraße kommender 72-jähriger Autofahrer mit seinem Anhänger die FRG 41 überqueren wollte. Nur 100 Meter vor der Einmündung hatte die Tschechin, die durch ihr Äußeres und ihr Fahrverhalten an die Filmfigur „Lara Croft“ erinnerte, noch eine Geschwindigkeit von 241 km/h auf dem Tacho.
Offenbar aufgrund „fahrerischen Könnens“ bremste sie die Maschine bis zum Zusammenstoß mit dem Anhänger des älteren Herren auf 53 km/h herunter. Es gab Anhaltspunkte dafür, dass das Hinterrad bei dem extremen Bremsmanöver vor dem Aufprall durch die entsprechende Entlastung des Hecks keine Bodenhaftung mehr hatte. „Der Begriff fahrerisches Können ist hier eher schmeichelhaft zu betrachten und sollte die aggressive Fahrweise keinesfalls schön reden“, teilt die Freyunger Polizei weiter mit.

Das Titelbild des Kinofilms „Lara Croft – Tomb Raider“ aus dem Jahr 2001.
Ihren Führerschein stellte die Polizei in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Passau noch am Unfalltag sicher. Die Polizeiinspektion Freyung leitete ein Strafverfahren wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d StGB) und Gefährdung im Straßenverkehr ein. Im Rahmen des neu geschaffenen §315d wird es auch als Rennen gewertet, wenn mit hoher Geschwindigkeit zur Verbesserung der eigenen „Bestzeit“ gefahren wird. Ein tatsächlicher Renngegner ist dabei nicht erforderlich.
Wie durch ein Wunder erlitt die Raserin nur leichte Verletzungen und kam zur Untersuchung ins Krankenhaus Freyung. Der Autofahrer blieb unverletzt. Die linke Bordwand des Anhängers wurde beschädigt. Am Motorrad entstand Totalschaden. Der Gesamtschaden lag bei rund 5.500 Euro.
Sie verspüre dabei kein Adrenalin und sie fände es langweilig
Eine Dash-Cam, die während der Fahrt die Geschwindigkeit aufzeichnete, hatte die uneinsichtige Fahrerin bei ihrem Transport ins Krankenhaus Freyung mitgenommen. Offenbar war ihr bewusst, dass ihre Fahrweise und die aufgezeichneten Geschwindigkeitsübertretungen für die Polizei relevant werden würden. Nur widerwillig händigte sie den Beamten die Dash-Cam samt Speicherkarte, die sie zuvor versteckt hielt, aus.
Bei der Auswertung der Speicherkarte kamen neben dem Verlauf der Fahrt auf deutscher Seite auch aggressive und gefährdende Fahrweisen und Verkehrsverstöße in Tschechien ans Tageslicht. Diese Daten wurden den tschechischen Behörden zur Einsicht und Sachbearbeitung übergeben.

Eine Erkennungsmarke – in Bundeswehrkreisen auch „Hundemarke“ genannt – trug die Motorradfahrerin um den Hals. Foto: pixabay.com/ 2211438
„Äußerungen der Tschechin, sie hätte sich nicht ein Motorrad gekauft, mit dem man 300 km/h fahren kann, damit man dann lediglich mit 100 km/h durch die Gegend fährt, lösen in Anbetracht des schweren Unfalls nur Kopfschütteln aus“, kommentiert die Freyunger Polizei. Sie räumte auch ein, dass ihr das Fahren auf Rennstrecken nicht ausreiche. Der Grund: Sie verspüre dabei kein Adrenalin und sie fände es langweilig. Offensichtlich gleicht für die 33-Jährige jede Fahrt einem Rennen, bei dem sie andere Verkehrsteilnehmer als Gegner wahrnimmt.
Während der Fahrt trug sie eine Art Erkennungsmarke, wie sie früher von Soldaten getragen wurde, um den Hals. Auf der Marke der Frau standen der Name, die tschechische Personalnummer und die Blutgruppe, damit sie im Falle eines Verkehrsunfalls identifiziert werden könne. Offenbar war sie darauf vorbereitet, dass jede Fahrt die letzte sein könnte.
Geldstrafe und Fahrerlaubnissperre
Die Ermittlungen seitens der Polizeiinspektion Freyung wurden in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Passau und den tschechischen Behörden geführt. Alleine die Auswertung des sichergestellten Videomaterials nahm Tage in Anspruch. Zur Vervollständigung der Berichterstattung wurde das kürzlich bekanntgegebene Strafmaß abgewartet. Die Unfallverursacherin muss eine Geldstrafe von 2.400 Euro bezahlen. Zudem erhielt sie eine Fahrerlaubnissperre bis zum 19. März 2021.
da Hog’n