Freyung. In einem Fall zeigte sich der Angeklagte bereits im Vorfeld der Verhandlung geständig, bei zwei weiteren Diebstählen betonte der selbstständige Holzhändler bis zuletzt, dass sie keinesfalls einen böswilligen Hintergrund haben, sondern vielmehr ein Versehen waren. Nichtsdestotrotz war nach Meinung des vorsitzenden Richters Sebastian Nagel die Indizienlage eindeutig, weshalb ein 39-jähriger Holzdieb aus dem Landkreis Freyung-Grafenau am Donnerstag vollumfänglich schuldig gesprochen wurde. 220 Tagessätze mit einer Höhe von jeweils 50 Euro – so lautete letztlich das Urteil, das allerdings noch nicht rechtskräftig ist. Eine Woche hat der Verurteilte nun Zeit, Berufung oder Revision einzulegen. Er muss zudem die Gerichtskosten sowie die eigenen Auslagen übernehmen.
Der eine Fall, eine „Entwendung für eigene Zwecke, ohne Berechtigung“ von 30 Raummetern Holz im Graineter Wald (Herbst 2018), bei der der Angeklagte von Mitarbeitern der Bayerischen Staatsforsten auf frischer Tat ertappt worden ist, wurde bei der Sitzung nur am Rande angesprochen. Bereits im Vorfeld des Termins hatte sich der 39-Jährige geständig gezeigt – 90 Tagessätze wurden als Strafe, die bereits rechtskräftig ist und ins Gesamturteil miteinfließt, festgelegt. Etwas umfangreicher, was das Material, die Zeugenaussagen, die Abfolge und die Absicht betrifft, gestalteten sich zwei Fälle von Diebstahl im Gemeindebereich von Neureichenau, an denen der Angeklagte im Juni 2018 – unmittelbar nach einem Sturmereignis in dieser Region – beteiligt gewesen sein soll.
Wert des „versehentlich“ abtransportieren Holzes überwiesen
Überaus kommunikativ, redselig und offen, beinahe schon charmant, versuchte der Unternehmer, der mit umfangreichem Plan-/Foto- und Chatverlauf-Material aufwarten konnte, das Gericht davon zu überzeugen, dass er das zur Debatte stehende Holz zwar mitgenommen habe – dies jedoch versehentlich und nicht mutwillig geschehen sei. Die 57-jährige Geschädigte aus Kleingsenget, die als Zeugin auftrat, sei gleichzeitig seine Kundin gewesen. Und im Wirrwarr der damaligen Katastophensituation – ein Sturm hatte mehrere Waldstücke regelrecht dahingerafft – hätte er in einem größeren Holzlager irrtümlicherweise den falschen Polter als den seinigen ausgemacht. Dass die Stämme nicht – wie eigentlich üblich – markiert und mit seinem Namen versehen waren, hätte ihn nicht weiter gestört, da die Situation damals einfach sehr unübersichtlich gewesen sei – und in der Branche Stress generell zum Alltag gehöre.
Immer wieder versuchte der Angeklagte, der strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten war, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen. So betonte er mit Nachdruck, dass er, nachdem ihm der Schwiergersohn der Geschädigten, der beim Holzverkauf als Vermittler tätig war, auf den Abtransport der falschen Hölzer aufmerksam gemacht hatte, sogleich versucht hätte, die Kontroverse aus der Welt zu schaffen. Aus diesem Grund überwies er der 57-jährigen Witwe, die eigenen Bekundungen zufolge keine Ahnung von Forstarbeiten hat und deshalb die Aufarbeitung ihres Waldstücks an die Waldbauernvereinigung (WBV) bzw. einen benachbarten Dienstleister vergeben hatte, nach einem persönlichen Gespräch auch den Wert des „versehentlich“ abtransportieren Holzes.
Anwalt Fuhs: „Dieser Mann braucht keine Bühne“
Nichtsdestotrotz entschloss sich die Waldbesitzerin aus Kleingsenget den Fall zur Anzeige zu bringen – auch auf Anraten des Forst-Dienstleisters, der von der WBV als Subunternehmer eingesetzt wurde und zudem in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft wohnt. Denn dem 54-Jährigen, der eigenen Aussagen zufolge seit 37 Jahren jener Berufssparte zugehörig ist, fielen sofort etwaige Ungereimtheiten auf. „Ich will keine böse Absicht unterstellen, aber es gibt einige Dinge, die nicht normal sind – doch für einen Holzhändler eigentlich normal sein müssten.“
So war das vom Angeklagten als sein Eigen verstandenes Holz nicht mit den üblichen, in der Branche maßgeblichen Markierungen versehen. Die Stämme seien zudem, wie der Zeuge berichtete, nicht – wie ebenfalls geläufig – von einer Seite her verladen worden, „sondern von oben nach unten“. Es sei deshalb auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen gewesen, dass überhaupt etwas fehlt. Auch die Qualität des „versehentlichen“ Holzmaterials hat sich dem Zeugen zufolge eindeutig vom tatsächlichen Polter unterschieden. Der Geschädigten selbst fiel eine weitere Unstimmigkeit auf. „Er [der Angeklagte] sprach zunächst nur von einer Fuhre. Erst, nachdem wir nachgemessen hatten, gab er zu, dass es zwei Fuhren waren.“
Alles in allem ein Fall, der für Staatsanwalt Christian Mutz eindeutig schien, wie dieser abschließend feststellte. „Alle Indizen zusammengefasst ergeben ein schlüssiges Bild.“ Deshalb sei eine Bestrafung – auch unter „generalpräventiven“ Ansätzen, weil derartige Taten lange oder gar nicht entdeckt würden – unausweichlich. Strafverteidiger Bruno Fuhs hielt dagegen, dass sein auf der Anklagebank sitzender Mandant sich durchwegs kooperationsbereit gezeigt hätte. Er hätte stets zugegeben, das Holz mitgenommen zu haben – dies jedoch versehentlich passiert sei. Und: „Welcher Dieb ist so blöd, das alles so offensichtlich zu machen und das scheinbare Diebesgut dann auch noch auf dem eigenen Betriebsgelände zu lagern?“ Zudem versicherte der Rechtsanwalt, dass der 39-Jährige einzig und allein darauf bedacht sei, Dinge klarzustellen, die so nicht stimmten. „Dieser Mann braucht keine Bühne“, betonte Fuhs.
„Außerordentlich blöd“ – oder „verdammt dreist“?
Letztlich orientierte sich Richter Sebastian Nagel bei seiner Urteilsfindung an den Ausführungen des Staatsanwalts: „Ich sehe hier fünf starke Indizien: Die unterschiedliche Qualität der Hölzer, die ein Fachmann erkennen müsste; die Tatsache, dass die Stämme von oben nach unten aufgeladen wurden – was sehr unüblich ist; die fehlenden Markierungen; der zugegebene Vorfall im Graineter Wald; die unterschiedliche Anzahl an Fuhren.“ All diese Faktoren würden – auch wenn die Argumente des Angeklagten durchaus schlüssig seien – eine Verurteilung ohne Wenn und Aber begründen. „Wildern im eigenen Bereich“ sei entweder „außerordentlich blöd“ oder „verdammt dreist“, befand der Vorsitzende am Freyunger Amtsgericht abschließend.
Zu Diskussionen führte am Ende die Höhe der Tagessätze. Der Angeklagte gab an, dass sein Geschäft – auch in Folge der Coronakrise – deutlich eingebrochen sei. Er hätte bereits Maschinen verkaufen müssen, sein monatliches Einkommen beschränke sich inzwischen auf zirka 400 Euro. Seine Frau, die er zwischen den Vorfällen und dem Gerichtstermin geheiratet hatte, würde mit ihrem Elterngeld die junge Familie versorgen.
Im Gegensatz dazu steht jedoch ein Grunderwerb von „Wald und Wiese mit Aussicht auf Bauland“ (O-Ton des Angeklagten) der Familie in Passau für 2,3 Millionen Euro. Die dazugehörige Tilgung in Höhe von 8.000 Euro monatlich würden die Schwiegereltern übernehmen, „die in stabilen Verhältnissen“ leben, so der 39-Jährige. Auch die bei der Durchsuchung sichergestellten Schlüssel für einen Audi, einen Porsche sowie einen Jacht-Anhänger müsse man beachten, betonte der Richter. Dem setzte der Holzhändler entgegen, dass bis auf den Porsche, der inzwischen zehn Jahre alt sei, alles verkauft werden hätte müssen. Unter Abwägung beider Seiten entschloss sich Sebastian Nagel schließlich zu 220 Tagessätzen à 50 Euro – die Staatsanwaltschaft hatte 70 Euro gefordert.
da Hog’n
__________