Bayerischer Wald. Homeoffice und/oder Langeweile in Corona-Zeiten? Nicht für die Gartenbesitzer! Wie wäre es denn, wenn jetzt die schon lange geplante Wildblumenwiese angelegt wird? Der Zeitpunkt ist günstig, denn Mai und Juni bieten meist genug Feuchtigkeit und noch nicht zu viel Hitze. Und: Es ist ganz leicht, so ein Paradies für Wildbienen zu schaffen, wenn man auf ihre Lebensweise und ihre Bedürfnisse eingeht. Hog’n-Natur-Expertin Bini Katz zeigt auf, wie dies am besten realisiert werden kann.
Mehr als 60 Prozent aller Wildbienen legen ihre Brutgänge im offenen Boden an, nur die wenigsten Arten nisten in hohlen Pflanzenstielen, Wurmgängen im Holz oder in künstlichen „Wildbienenhotels“. Für alle Nistplätze gilt jedenfalls das Gleiche: Es müssen Nistmaterial und Nahrung für Mutter und Brut in der Nähe sein, denn die meisten Wildbienen fliegen nicht wesentlich weiter als 100 Meter – was verständlich ist, denn im Gegensatz zur staatenbildenden Honigbiene sind die Wildbienenköniginnen Einzelkämpferinnen: Jedes Ei, das in eine Brutröhre gelegt wird, braucht einen Vorrat an Pollen und Nektar, jede einzelne Brutzelle einen Verschluss – dies alles muss so ein Bienchen (die kleinste ist gerade mal zwei Millimeter lang) durch unermüdliches Hin- und Herfliegen erst herbeischleppen.
Wenn das passende Saatgut bereit steht, kann es losgehen
Bevor das Saatgut besorgt wird, sollte man zunächst die Fläche für die Wildblumenwiese ausmessen: Für einen Quadratmeter genügen fünf bis zehn Gramm einer Wildblumen-Mischung – am besten vom Fachhandel vor Ort oder im Online-Handel. Zu beachten gilt, dass es sich um heimische Arten aus biologischer Produktion handelt, optimalerweise aus der eigenen Region.
Warum ist das so wichtig? Wildbienen fliegen, wenn ihre Nahrungspflanze blüht – oft ist das nur eine einzige Art, wie etwa bei der Efeu-Seidenbiene, der Glockenblumen-Scherenbiene oder der Skabiosen-Sandbiene. Blüht „ihre“ Pflanze eine Woche zu früh oder zu spät, weil der Samen beispielsweise aus einer wärmeren oder kälteren Region in Deutschland stammt, haben diese Bienenarten keine Überlebenschance. Deshalb gibt es sogar Händler, die Samen genau aus der Region anbieten, in der er ausgebracht werden soll. Der NABU hat eine Liste mit qualifizierten Bezugsquellen zusammengestellt.
Wenn das passende Saatgut bereit steht, kann es losgehen: Als erstes werden vorhandene Grassoden auf der zukünftigen Blumenwiese dünn abgetragen und der Boden oberflächlich gelockert. Es ist meistens sinnvoll, die Erde zusätzlich mit etwas Sand „abzumagern“, denn Wildblumen lieben es eher nährstoffarm. Die oft sehr feinen Samen können mit etwas Sand vermischt werden, da sie sich dann gleichmäßiger ausstreuen lassen; über die Fläche verteilen, leicht einharken, fertig! Empfehlenswert ist es, den Samen noch mit einer Walze, dem Spaten oder unter die Füße geschnallten Holzbrettchen gut anzudrücken – so werden die kostbaren Körnchen nicht so leicht weggeblasen, weggeschwemmt oder von hungrigen Vögeln aufgepickt.
„Nicht alles auf einmal mähen“
Ganz wichtig ist nun, das Ganze mindestens vier Wochen lang feucht zu halten, damit die Saat keimen kann – lieber nicht mit prasselnden Regengüssen aus der Gießkanne, sondern mit dem auf Sprühen eingestellten Gartenschlauch.
Nach dem Aufgehen der Saat – nicht die Geduld verlieren, Wildpflanzen brauchen oft etwas länger – ist die weitere Pflege denkbar einfach: Zumindest im ersten Jahr sollte die Wiese nicht zu stark austrocknen, also bei Bedarf etwas wässern. Und: Einmal mähen zwischen Juli und September reicht – am besten von Hand oder mit der Sense, notfalls auch Motorsense. Der Rasenmäher ist hier eher ungünstig, weil er zu tief mäht. Als Tipp: Gar kein Schnitt im ersten Jahr, umso zuverlässiger samen die Wildpflanzen aus. Wer öfters mähen will, weil etwa zu viel Gras zwischen den Blumen gewachsen ist, soll dies am besten Ende Juni und Ende August tun.
„Weil wir die Wiese ja nicht nur als Augenweide für uns, sondern auch als Lebensraum für die verschiedenen Tiere in unserem Garten angelegt haben, mähen wir – vor allem bei größeren Flächen – nicht alles auf einmal, sondern lassen für mindestens eine Woche die Hälfte stehen. So können sich die die Bewohner dieses Wiesenteils in die andere Hälfte flüchten“, rät Garten-Expertin Bini Katz. „Das erfreut Auge und Insekten wegen der verbliebenen Blüten, aber auch die Gartenvögel wegen der verbliebenen Insekten. Denn auch Körnerfresser wie Spatz oder Buchfink ziehen ihre Jungen mit eiweißreicher Nahrung auf, also mit Insekten und sonstigen Kleintieren: Blaumeisen etwa füttern ihre Brut ausgesprochen gerne mit Blattläusen.“
Das Schnittgut lässt man zum Trocknen einige Tage liegen und wendet es ab und zu, damit sich nach der „Notreife“ die Samenkapseln noch öffnen können – so wird der Fortbestand der Wiese im kommenden Jahr gesichert.
Wiese wird in der zweiten Saison vielleicht ganz anders aussehen
Es macht auch deshalb Sinn, wenig zu mähen, da sich im Herbst viele Kleintiere und Insekten in den abgeblühten Blattstielen und im Laub verstecken können und auch viele Schmetterlinge dort überwintern – sei es als Larve oder Puppe, ja sogar als ausgewachsener Falter (wie der Zitronenfalter).
Nach dem ersten Jahr darf man sich nicht wundern: Die Wiese wird in der zweiten Saison vielleicht ganz anders aussehen, denn je mehr Insekten, Vögel und andere Lebewesen dort „wohnen“, desto mehr neue Arten werden sich ansiedeln – zum Beispiel tragen Ameisen die bei ihnen sehr begehrten Veilchensamen überall hin. Dafür wird auch manches verschwinden – etwa Mohn oder Kornblumen, die zu den Ackerwildkräutern gehören und zum Keimen das jährliche Umgraben brauchen. Nur als Beispiel: „Bei mir ist dieses Jahr der wunderschöne blaue Borretsch aufgegangen, den ich nie gesät habe, ganz zu schweigen vom Gelben Fingerhut, Akelei, Färberkamille, Nachtkerze, Vergissmeinnicht, Natternkopf, Hornveilchen, Waldgeißbart und vielen anderen.“
Mehrjährige Pflanzen (Stauden genannt) können übrigens sehr gut mit einjährigen und zweijährigen heimischen Wildpflanzen gemischt werden. Eine Mischung, wie sie der NABU empfiehlt:
- Acker-Wachtelweizen (Melampyrum arvense)
- Echtes Mädesüß (Filipendula ulmaria) mehrjährig
- Gänseblümchen (Bellis perennis) mehrjährig
- Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium) mehrjährig
- Gewöhnliches Ferkelkraut (Hypochoeris radicata) mehrjährig
- Hohler Lerchensporn (Corydalis cava) mehrjährig
- Hornklee (Lotus corniculatus) mehrjährig
- Immenblatt (Melittis melissophyllum) mehrjährig
- Klatschmohn (Papaver rhoeas)
- Kornblume (Centaurea cyanus)
- Kriechender Günsel (Ajuga reptans) mehrjährig
- Leimkraut (Silene noctiflora)
- Lieschgras (Phleum pratense) mehrjährig
- Margerite (Leucanthemum ircutianum und vulgare) mehrjährig
- Natternkopf (Echium vulgare) mehrjährig
- Rotklee (Trifolium pratense)
- Seifenkraut (Saponaria officinalis)
- Weiße Lichtnelke (Silene latifolia ssp. alba) ein- mehrjährig
- Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis) mehrjährig
- Wiesenglockenblume (Centaurea jacea) mehrjährig
- Wiesen-Sauerampfer (Rumex acetosa) mehrjährig
- Wiesen-Witwenblume (Knautia arvensis) mehrjährig
- Wilde Karde (Dipsacus fullonum)
- Wilde Möhre (Daucus carota)
- Wolliges Honiggras (Holcus lanatus) mehrjährig
So zieht auf der Wiese bereits im Frühjahr Farbe ein
Zum Schluss noch ein Tipp für alle Ungeduldigen: Eine neu angesäte Blumenwiese braucht ihre Zeit. Wer mag, kann im Herbst des Vorjahres Blumenzwiebeln stecken, bevor im folgenden Jahr die Wildblumen gesät werden. So zieht auf der Wiese auch im Frühjahr bereits Farbe ein: Bärlauch, Weißes und Gelbes Buschwindröschen, Hohler Lerchensporn, Traubenhyazinthe, Scharbockskraut, Schnittlauch, Veilchen und Winterlinge blühen früh und bieten den neu ausschlüpfenden Bienen das erste Futter.
Bini Katz