Dienstag, 19. Mai: Der Schulbus braust wieder zu den gewohnten Zeiten am Hog’n-Büro vorbei, an der nahegelegenen Bushaltestelle tummeln sich frühmorgens sowie mittags wieder die Buben und Mädchen. Die Wiederaufnahme des Schulbetriebs trägt einen erheblichen Teil dazu bei, dass die Normalität wieder Einzug hält. Rund drei Viertel der zirka 4.000 Grund- und Mittelschüler des Landkreises Freyung-Grafenau sind inzwischen zurück im Unterricht – nach und nach kommen weitere Jahrgangstufen hinzu. Den Start machten die Abschlussklassen, also diejenigen Schüler, auf deren weiteres (Berufs-)Leben die Coronakrise unmittelbaren Einfluss hat. Einer davon ist Pascal Blöchl aus Herzogsreut.

Für den 16-Jährigen ist das aktuelle Schuljahr ein ganz besonderes, immerhin endet seine Schulzeit in diesem Sommer. Doch auch für die Allgemeinheit hat Blöchls Jahrgang ein Alleinstellungsmerkmal: Diejenigen Waidler, die heuer ihren Abschluss machen, werden wohl in die Geschichte eingehen – nicht wegen ihrer besonders kreativen, obligatorischen Aussteiger-Shirts, sondern vielmehr wegen der noch nie dagewesenen (und hoffentlich nie wiederkehrenden) Rahmenbedingungen. Von Mitte März bis Ende April blieben die Schulen in Folge der Ausbreitung des Coronavirus geschlossen. Einzelne schulfreie Tage bei besonderen Sturm- oder Schneeereignissen sind im Bayerischen Wald keine Seltenheit – eine derartige Zwangspause hingegen hatte es bis dato noch nicht gegeben.
„Wie soll ich den Abschluss bekommen, wenn keine Schule ist?“
„Ist doch klar, dass ich mich zunächst darüber gefreut habe, nicht mehr in die Schule gehen zu müssen“, erinnert sich Pascal Blöchl an seine erste Reaktion vor zwei Monaten. Die Schule dicht gemacht – der Traum vieler Kinder und Jugendlicher. Erst mit etwas Abstand machte sich auch bei der jüngeren Generation eine eher komische Stimmung breit – so auch beim Herzogsreuter: „Anfang April ungefähr habe ich mir langsam dann doch Gedanken darüber gemacht, wie es weitergehen soll – immerhin stehen ja meine Prüfungen an.“ Einen Ausbildungsvertrag zum Mechatroniker hat der 16-Jährige bereits in der Tasche – jedoch mit der Klausel: Nur bei gültigem Abschluss. „Doch wie soll ich den bekommen, wenn keine Schule ist?“

Wie so viele andere musste auch Pascal Blöchl deshalb ins Homeoffice umziehen. Homeschooling war angesagt. Über die Onlineplatt-Form edupage.org versorgten ihn seine Lehrer mit Aufgaben. Mit Hilfe dieses interaktiven Kommunikationsmittels konnte der Blondschopf auch Fragen stellen, wenn er einmal nicht weiter wusste. Zudem wurden Proben auf diese Art und Weise abgehalten. Anfangs war er täglich rund 45 Minuten mit Schularbeiten beschäftigt, das Pensum steigerte sich bis auf zwei bis drei Stunden. „Von Ferien kann eigentlich keine Rede sein“, verdeutlicht der Mittelschüler. „Die einzige Freiheit, die ich hatte, war die Möglichkeit selbst zu wählen, wann ich meine Aufgaben löse.“ Trotz aller Neuerungen und der ein oder anderen Schwierigkeit betont Blöchl: „Insgesamt habe ich mich immer gut betreut gefühlt. Ich glaube auch, dass ich bestens für die Prüfungen vorbereitet bin.“
Wie seine mehr als 2.500 Schulkollegen im Landkreis ist auch der künftige Azubi inzwischen wieder im Unterricht angekommen – physisch. Vom gewohnten Alltag sind die Vormittage allerdings noch weit entfernt. Maximal acht Leute dürfen sich den Vorschriften entsprechend in einem Klassenzimmer aufhalten. Und auch dort muss Pascal Blöchl auf einer eigentlich für zwei Personen gedachten Schulbank alleine Platz nehmen – mit Mindestabstand zum nächsten Mitschüler.
„Man fühlt sich wie ein Gefangener“
Für jeden Jahrgang steht ein eigener Pausenbereich und Eingang zur Verfügung. Masken sind inzwischen nur noch außerhalb des Klassenraumes Pflicht. „Die Lehrer sind sehr streng, was diese Vorschriften betrifft“, erzählt Blöchl. „Es ist beispielsweise strengstens untersagt, sich vom Sitznachbarn einen Stift zu leihen.“ Angst vor einer möglichen Infektion hat der junge Bursche generell nicht. Eine andere, negative Stimmung nimmt er aber durchaus war. „Man fühlt sich wie ein Gefangener“, beschreibt er die Situation.
Die eigentlich für Juni angesetzten Abschlussarbeiten sollen nun in der ersten Juliwoche abgehalten werden. Die Abschlussfahrt ist genauso gestrichen wie die Feierlichkeiten bei der Zeugnisübergabe. „Keiner von uns möchte, dass seine Schulzeit so endet“, berichtet Pascal Blöchl traurig. Die AK 2020 wird in Erinnerung bleiben – als „Corona-Jahrgang“. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich die Gesellschaft langsam wieder dem Leben, das wir alle kennen, annähert.
Helmut Weigerstorfer
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Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der schrittweisen Lockerungen und der damit verbundenen Rückkehr zur Normalität erscheint unser Hog’n-Corona-Tagebuch nurmehr in unregelmäßigen Abständen.