50 Jahre Nationalpark Bayerischer Wald: Biologe Christian von Hoermann untersucht die Bedeutung von Aas für die Biodiversität.
Christian von Hoermann auf einer Aas-Versuchsfläche. Foto: Gregor Wolf/ Nationalpark Bayerischer Wald

Neuschönau. Es ist ein warmer Spätsommertag und es summt im Wald. Fliegen und Käfer schwirren umher. Angezogen werden sie vom schwachen Verwesungsgeruch. Verantwortlich dafür sind die Reste eines Hirschkuh-Kadavers, der seit 43 Tagen mitten im Nationalpark liegt. Auch den Biologen Christian von Hoermann (43) verschlägt es hierher. Er untersucht die Bedeutung von Aas für die Biodiversität.

„Natürliche Prozesse, die im Umgriff gestorbener Tiere ablaufen, sind bisher wenig erforscht“, sagt der 43-Jährige, der seit 2017 beim Nationalpark beschäftigt ist. Das hat vor allem zwei Ursachen: Aas ist aus ästhetischen und veterinärrechtlichen Gründen in der Kulturlandschaft nahezu nicht vorhanden.

„Wahre Hotspots der Artenvielfalt“

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In Schutzgebieten wiederum läuft viel im Verborgenen ab. Einen Kadaver zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto. „Deswegen haben wir ein Forschungsprojekt gestartet, bei dem wir die Vorgänge genau unter die Lupe nehmen.“ Regelmäßig werden tote Rehe, Rothirsche und Füchse – allesamt Verkehrsopfer – an zufällig ausgewählten Plätzen ausgelegt. Alles, was dann passiert, wird penibel dokumentiert.

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Vom Fliegentöter-Pilz befallene Insekten. Foto: Christian von Hoermann/ Nationalpark Bayerischer Wald

„Eins ist klar: Die Zersetzungsinseln sind wahre Hotspots der Artenvielfalt“, berichtet von Hoermann. „Wenn 30 Kilo Fleisch im Wald verrotten, entspricht das einem Nährstoffeintrag von 100 Jahren Bodendüngung.“ Viele hochspezialisierte Pflanzen, Pilze und Bakterien benötigen solche Bedingungen, um überleben zu können. Zu diesen Arten gehört wohl auch ein Fliegentöter-Pilz, der für Bayern erstmals im Rahmen eines solchen Experiments nachgewiesen wurde. Vom Kadaver breitet er sich auf Schmeißfliegen aus, tötet diese und vermehrt sich dadurch, dass er noch lebende Fliegen an ihre toten Artgenossen lockt.    

Heute findet von Hoermann hauptsächlich Speckkäfer, die sogar Haut und Haare fressen. Daneben liest er die nahe Fotofalle aus. Die Bilder zeigen Marder, Dachse und Wildschweine, die sich am Aas bedienen. Der Forscher steckt die Speicherkarte zurück und macht sich wieder auf den Weg ins Büro. An diese Stelle wird er nicht mehr oft zurückkehren. Denn bald wird die Hirschkuh nahezu komplett verschwunden sein.

da Hog’n


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