Freitag, 14. Mai: Samstag, 15.30 Uhr, Pflichttermin – seit meiner Kindheit. Mit Werner Hansch, der legendären Stimme der BR-Sendung „Heute im Stadion“, bin ich aufgewachsen. Und deshalb freue ich mich grundsätzlich darauf, dass morgen in der Fußball-Bundesliga wieder gekickt wird. Ich gebe den Verantwortlichen von DFB und DFL recht, dass der rollende Ball im Sinne von „Brot und Spiele“ wichtig ist für die ohnehin wegen Corona angespannte Gemütslage von großen Teilen der Bevölkerung. Ich kann aber auch die Kritiker verstehen, die die finanzielle Motivation als ausschließlichen Grund für das Vorpreschen des Wirtschaftsunternehmens Bundesliga betrachten. Ein Re-Start mit Kontroversen.
Zurück zur Normalität – danach sehnt sich nach mittlerweile zwei Corona-Monaten wohl jeder. Die einen freuen sich auf die baldige Wiedereröffnung vieler gastronomischer Einrichtungen. Die anderen genießen es, endlich wieder Zeit mit Freunden und Bekannten zu verbringen. Und für eine beachtliche Menge an Leuten – man kann es verstehen oder auch nicht – ist ein Wochenende kein richtiges Wochenende, wenn sie nicht mit Thomas Müller & Co. mitfiebern dürfen. Aufgrund der Tatsache, dass „König Fußball“ die Sportart Nummer eins in Deutschland ist und sie zumeist Abermillionen vor Radio oder Fernsehen in ihren Bann zieht, empfinde ich es absolut gerechtfertigt, dass alles für einen möglichst schnellen Re-Start der beiden höchsten Spielklassen getan wurde.
Fragen, die bleiben
Wie so viele andere leidenschaftliche Fans habe aber auch ich mich in den vergangenen Jahren immer mehr vom Profi-Fußball distanziert. Es ist offensichtlich, dass es nicht mehr vordergründig um Tore, Punkte und Erfolge geht, sondern einzig und allein um das „liebe“ Geld. Die erste Liga ist kein Sammelbecken sportlicher Ambitionen mehr, sondern ein gigantischer Wirtschaftskonzern, ein milliardenschwerer Marktplatz, der nahezu alles dem Profit unterordnet. Vor diesem Hintergrund rückt die Vorgehensweise der DFL-Spitze, das unbedingte Pochen auf eine Fortsetzung der Saison, in ein anderes Licht. In Zeiten, in denen die Gesundheit jedes Einzelnen die wichtigste Rolle spielen sollte und in denen viele Wirtschaftszweige ums Überleben kämpfen, wirkt dieses Millionen-Geplänkel einfach nur weltfremd, abgehoben und selbstsüchtig.
Ein Re-Start mit Kontroversen. Beide Lager, beide Meinungsbilder unter einen Hut zu bringen, scheint angesichts der deutlich unterschiedlichen Positionen schwierig bis unmöglich. Ich möchte dennoch einen Kompromissvorschlag unterbreiten: Freuen wir uns auf den Anstoß am Samstag, 15.30 Uhr, freuen wir uns auf diesen Schritt zurück in die Normalität. Ziehen wir jedoch gleichzeitig unsere Lehren aus der aktuellen Coronakrise für die Zukunft. Muss es sein, dass wir Trikots der Profiteams für horrende Summen kaufen und somit deren Profitgier unterstützen? Muss es sein, dass wir in die Stadien pilgern, obwohl die Fans meist nur noch als Einnahmequelle gesehen werden? Fragen wie diese darf sich jeder Fußballfan – zu denen ich mich nach wie vor zähle – in diesen Tagen stellen. Doch erst wieder nach 17.15 Uhr am Samstag…
Helmut Weigerstorfer