Freyung/Budapest. Géza Somogyváry, der als Heranwachsender die „Magyar Királyi Hunyadi Mátyás Honvéd Reáliskola“, die ungarische König-Matthias-Militärrealschule in Kőszeg besuchte, landete im April 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, auf der Flucht vor der Roten Armee mit seiner Einheit u.a. auch in Freyung. Im Innenhof der Brauerei Lang wurde er – damals ein Knabe von 14 Jahren – mit seinen jugendlichen Kameraden von Soldaten der US-Armee vernommen, wie Video-Aufnahmen bezeugen.
Im ersten Teil schilderte der heute 89-jährige, bei Budapest lebende Ungar, von der Struktur der Soldatenrealschule und davon, wie sich sein Leben nach dem Krieg entwickelte. Im zweiten Teil berichtet er nun vom Beginn seiner Odyssee, die ihn von Kőszeg an der österreichisch-ungarischen Grenze ins tschechische Eger (Cheb) und schließlich nach Horn im östlichen Waldviertel in Niederösterreich führte.
Von Kőszeg nach Eger
Die Russen waren bereits in Budapest, meiner Heimatstadt, angekommen. Der Krieg ging dem Ende zu. Im Oktober 1944 hatte uns die Schulleitung von Kőszeg eine leere Postkarte ausgehändigt. Wir durften diese nach Hause an unsere Eltern schicken mit den Worten: „Wenn ihr uns abholt, müssen wir nicht länger zur Schule gehen und werden beurlaubt.“ Doch bei vielen von uns ging das nicht mehr, denn: Entweder die Eltern lebten bereits auf dem von Sowjets besetztem Gebiet – oder es gab keine Verbindung mehr dorthin. Ich habe meine Postkarte trotzdem verschickt – wohlwissend, dass meine Eltern nicht kommen konnten. Somit blieben von einst 385 Schülern 92 übrig.
Dann kam der Befehl, dass unsere Schule nach Deutschland verlagert werden soll – wir trafen sogleich alle notwendigen Vorbereitungen für den Umzug. Bis zum 25. Januar wurde dafür ein Zug mit 50 Waggons zusammengestellt, um die Ausrüstung der Schule, die Küche und die Essensration, die für einen Monat reichen sollte, zu transportieren. Und dann machten wir 92 Schüler uns gemeinsam mit unseren Lehrern auf den Weg zum neuen Standort – angeblich Deggendorf.
Nach einer Woche kamen wir in Wallersdorf (zwischen Landau a. d. Isar und Plattling) an. Dort fingen wir umgehend mit dem Auspacken an, stellten unsere Betten in einem Schulgebäude auf. Als wir damit fertig waren, erhielten wir einen neuen Befehl – jedoch blieben wir in dieser Nacht noch in der Schule. Am Morgen darauf packten wir erneut zusammen. Nach drei weiteren Tagen im Zug kamen wir schließlich in Eger (Cheb) im damaligen Sudetenland an.
Schmutz, Dreck und verseuchtes Wasser
In Eger gab es einen großen Flughafen, wo künftige Piloten das Fliegen mit der Me 262, ein Strahlflugzeug aus dem Hause Messerschmitt, erlernten. Gleich in der Nähe gab es ein Ausbildungslager einer Kadettenschule, in dem ukrainische, niederländische und belgische Jugendliche für die Panzerjagd ausgebildet wurden. Hier haben wir auch ältere, ungarische Kadetten getroffen. Wir Jüngeren von der Unterrealschule hatten bislang ja keine soldatische Ausbildung genossen. Die Deutschen wollten diese etwas forcieren, was jedoch aufgrund der äußeren Umstände nicht funktionierte: Der Schmutz war überall, es war dreckig – und obendrein war es verboten Wasser zu trinken, da die Leitungen bakteriell verseucht waren. Man konnte sich leicht mit Typhus infizieren.
Wir blieben einen Monat lang. Unsere Offiziere wollten irgendwann nur noch weg von diesem Ort – wir fühlten uns wie Fremdkörper in diesem Lager. Ja, Eger stellte tatsächlich die schlimmste Episode unserer Odyssee dar.
Von Eger nach Kirchholz
So stiegen wir Ende Februar wieder in den Zug ein. Es waren nur noch sieben Waggons. Es ging nach Niederösterreich, in die Nähe von Schloss Allentsteig unweit der Stadt Horn im östlichen Waldviertel. Dort befand sich der Truppenübungslplatz Allentsteig, den die Wehrmacht nach dem Anschluss Österreichs eingerichtet hatte. Wir kamen im Lager „Kirchenholz“ unter. Im Vergleich zu Eger war es ein Unterschied wie Tag und Nacht:Wir konnten hier Wasser trinken, die Betten waren bequem, das Essen war gut und reichte aus, um unsere Schüler der ersten und zweiten Klasse zu versorgen. Für uns Ältere, die Dritt- und Viertklässler, war es jedoch zu wenig.
Unterdessen hatte die Rote Armee, die seit zwei Monaten in Budapest kämpfte, auch Wien erreicht. Wir mussten wieder abreisen. Zuvor wurden wir noch von Ärzten auf unseren Gesundheitszustand überprüft. Die Kranken wurden aussortiert – vier kamen in ein Krankenhaus vor Ort, 16 weitere wurden mit dem Zug in ein Lazarett bei Garmisch verbracht. Und die restlichen 72 machten sich zu Fuß auf den Weg nach Deggendorf, unser neuerliches Ziel, das wir nach 350 Kilometern Fußmarsch durch die Ostmark erreichen sollten. Wir überquerten die Grenze zu Bayern bei Philippsreut und kamen zunächst nach Neudorf bei Grafenau. Doch das ist wieder eine andere Geschichte…
da Hog’n