Dienstag, 05. Mai: „Wir lassen niemanden allein“ – diese Worte wiederholte Ministerpräsident Markus Söder gleich mehrmals, nachdem Mitte März in Bayern aufgrund der sich zuspitzenden Corona-Situation der Katastrophenfall ausgerufen wurde. „Wir werden keinen hängen lassen“, sagte er – und spannte sogleich gemeinsam mit seinem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger einen milliardenschweren Schutzschirm auf, der im Anschluss auf Bundesebene nochmals aufgestockt wurde. Doch während die einen Unternehmen, Kleinfirmen und Soloselbständigen die sog. Soforthilfe (zwischen 9.000 und 50.000 Euro) versprochenermaßen recht schnell überwiesen bekamen, warten nicht wenige bis heute auf die Förderung, um vor dem finanziellen Ruin bewahrt zu werden.

„Soforthilfe heißt: schnell Geld raus“, wie Aiwanger Ende März betonte, als seinen Angaben zufolge binnen weniger Tage „mehr als eine Milliarde auf den Konten draußen“ war. Doch was so schwunghaft begann, scheint im Laufe der vergangenen Wochen mehr und mehr ins Stocken geraten zu sein. Insbesondere nach der Fusionierung von bayerischer und gesamtdeutscher Soforthilfe (auch die Bundesregierung legte ein entsprechendes Programm auf) erhärtete sich dieser Eindruck. Das Geld komme nicht schnell genug an, die Klagen der Wirtschaft seien immer lauter vernehmbar, mahnte auch Ministerkollege Füracker (Finanzen) Ende April öffentlich an.
Der Soforthilfe-Motor ist offenbar ins Stocken geraten
Und während der Wirtschaftsminister nicht müde wurde (und es wohl auch nicht wird), vor den Kameras die ewige Es-läuft-alles-nach-Plan-Messe zu lesen, ja für etwaige Auszahlungs-Verzögerungen gar die vermeintliche Schlampigkeit von so manchem Antragssteller verantwortlich machte, rumorte es Hog’n-Informationen nach hinter den Kulissen der bayerischen Bezirksregierungen, die mit der Soforthilfe-Abwicklung betraut wurden. Insbesondere größere technische Probleme hätten nach der Umstellung auf die digitale Antragsmaske im Internet den Soforthilfe-Betrieb teilweise über Tage hinweg mehr oder weniger lahm gelegt – ungeachtet dessen, dass es sich freilich aufgrund der Masse an Anträgen um eine absolute Ausnahmesituation in den bayerischen Amtsstuben handele, wo auch etwaige Aufstockungen die ohnehin recht knappe Personaldecke nicht gerade verstärkt haben dürfte.

„Wenn auf schnellem Weg geholfen werden soll, kann natürlich auch nicht alles – in diesem Fall eine Förderrichtlinie – sofort bis ins Detail ausgearbeitet sein und Bedarf auch im Nachgang der einen oder anderen Nachbesserung“, drückt es FRG-Wirtschaftsreferent Johannes Gastinger aus, der jene Nachbesserungen (Erhöhung der Soforthilfe, ständige Ausweitung der Antragsberechtigten, keine Berücksichtigung der privaten liquiden Mittel) jedoch ausschließlich „zu Gunsten unserer Unternehmen“ interpretiert. Gastinger zufolge sind 35.000 Soforthilfe-Anträge bis dato in Niederbayern gestellt worden, mehr als 21.000 Unternehmen haben laut Auskunft der Regierung von Niederbayern Soforthilfe erhalten. Der 34-Jährige beziffert die bisherige Soforthilfe-Gesamtsumme in Niederbayern auf 135 Millionen Euro, die Regierung gar auf 160 Millionen.
Weiter bezeichnet der Wirtschaftsreferent die Ausschüttung als Gratwanderung zwischen schnellstmöglich finanzieller Unterstützung und einem verantwortungsvollem Umgang mit Steuergeldern. Natürlich seien im Landkreis Freyung-Grafenau auch Unternehmen dabei gewesen, „die ihren Unmut bzw. ihre Enttäuschung über das Soforthilfe-Programm zum Ausdruck gebracht haben, da sie aufgrund der Soforthilfe-Kriterien entweder vollständig durch das ‚Raster‘ gefallen sind, sie ihre Soforthilfe noch nicht erhalten haben oder schlichtweg, weil die Corona-Soforthilfe ’nur‘ die laufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwendungen (z. B. gewerbliche Miete, Pacht, Kredite für Betriebsräume und –ausstattungen, Leasing für betrieblich genutzte Autos etc.), jedoch keine anfallenden Personalkosten abdeckt und auch keine entgangenen Umsätze erstattet werden“.
„Die FAQs beantworten fast alle Fragen“
Seinen Informationen nach liegen die Probleme bei der Antragsbearbeitung „insbesondere darin, dass oftmals fehlerhafte Angaben gemacht werden, keine ausreichende Begründung für den Liquiditätsengpass vorliegt oder die Höhe des Liquiditätsengpasses nicht konkret erläutert bzw. beziffert wird. Dies hat natürlich Nachfragen zur Folge, die Zeit beanspruchen und somit die Soforthilfe-Auszahlung hinauszögern“.
Wie die Pressestelle der Regierung mitteilt seien nahezu alle Erstanträge bearbeitet, so dass die allermeisten Antragsteller aus Niederbayern inzwischen eine Soforthilfe bekommen hätten. Derzeit arbeite man schwerpunktmäßig an den Aufstufungsanträgen. „An dem Programm arbeiten zeitweise bis zu 110 Mitarbeiter“, heißt es. Und: „Jede Systemumstellung bringt Herausforderungen mit sich, die mittlerweile weitgehend behoben sind.“
Gastingers Ratschlag an alle, die bis dato kein Geld überwiesen bekommen haben: sich in Geduld zu üben. Seine dringende Empfehlung an diejenigen, die noch keinen Antrag gestellt haben: sich die FAQs des Bayerischen Wirtschaftsministeriums durchzulesen – „denn diese beantworten wirklich fast alle Fragen“. Zudem solle man den Liquiditätsengpass konkret beziffern, etwa anhand von Umsatzrückgängen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einer detaillierten Auflistung der anfallenden und anrechenbaren Sach- und Finanzaufwendungen.
Den Kleinen bleibt am Ende nur der Gang in Hartz IV
Was bleibt einem also demnach? Zum einen die nagende Ungewissheit, ob man seinen Antrag auf Punkt und Komma genau richtig (und im Sinne des Antragsbearbeiters korrekt) ausgefüllt hat. Zum anderen bleibt einem wohl nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu hoffen, ja mit fortschreitender Zeit vielleicht auch zu bangen, dass das Geld doch noch auf dem Konto eintrudelt, bevor es zu spät ist. Denn vor allem Kleinunternehmern und Soloselbständigen, die etwa keine Arbeitslosenversicherung abgeschlossen oder größere Finanzmittel zur Überbrückung auf die Seite geschafft haben, bleibt am Ende meist nur der Gang in Hartz IV.

Wobei: Für soloselbstständige Künstlerinnen und Künstler, die laut Söder durch sämtliche Raster staatlicher Förderungen fallen, hat der bayerische Ministerrat am 21. April „zur Sicherung des Lebensunterhalts und Kompensation von Honorarausfällen infolge der Corona-bedingten Schließungen von Kultureinrichtungen und Veranstaltungsausfällen“ ein Hilfsprogramm aufgelegt. Jeweils 1.000 Euro für die nächsten drei Monate. Man arbeite derzeit „mit Hochdruck an der Umsetzung“ des Programms, heißt es. Und: „Die Modalitäten für die Antragstellung werden in Kürze an dieser Stelle auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst eingestellt.“ Ein Satz, der seit zwei Wochen dort zu lesen ist.
Stephan Hörhammer