Mittwoch, 29. April: Angenehm warme Temperaturen und ein kühles Bier: Dieser Gegensatz hat eine anziehende Wirkung auf viele Menschen im Freistaat Bayern – gestern, heute und wohl auch morgen. Der Besuch des heimischen Biergartens gehört für viele Hiesige genauso zum Sommer wie der Gang ins Freibad oder zur Eisdiele. Angesichts der Corona-Krise bleibt den Anhängern des bayerischen Gerstensaftes, den die bayerischen Braumeister bis heute in seiner Ursprungsform brauen, der Lieblingsort leider bis auf Weiteres verwehrt.
Biergartenbesuche in gemütlicher Gesellschaft haben auch in Waldkirchen eine lange Tradition. Besonderer Beliebtheit konnte sich beispielsweise der Kastanien-Biergarten in Saßbachmühle erfreuen. Fotograf Hans Bauer (1898-1988) aus Schiefweg hat diese Oase waidlerischer Gemütlichkeit 1925 anlässlich eines Ausflugs der Waldkirchener Veteranen eindrucksvoll dokumentiert. Diese originelle Szenerie, die sich im Archiv der Stadt Waldkirchen befindet, schaffte es sogar als Illustration in den opulenten Katalog zur Ausstellung „Bier in Bayern“ des Hauses der Bayerischen Geschichte 2016 im Kloster Aldersbach.
Wer kennt noch den „Keferloher“ oder ein „Seidl“?
Unter dem Schatten spendenden Laubdach von Kastanien genießen die Männer – im Beisein ihrer Frauen und Kinder – ihr frisches dunkles Bier aus dem Steinzeugkrug. Die Ehefrauen, Bräute und Freundinnen durften hin und wieder einen Schluck aus dem Keferloher nehmen. Ein eigener Krug stand ihnen – zumindest auf dem Land – nicht zu. Und ein kleines Bier oder ein „Seidl„, wie man es im benachbarten Österreich bestellen konnte, war im Bayerischen Wald damals nicht üblich.
In illustrer Biergartengesellschaft wie auf unserer historischen Aufnahme vom allseits beliebten Gottinger Keller (mit grandioser Aussicht auf die Bayerwaldberge) aus gleicher Zeit, gestand man der Damenbegleitung zumindest schon ein kleines Krügerl Bier oder ein Glaserl Wein zu. Hier handelte es sich ja auch um eine Stammgäste-Formation aus angestammten Waldkirchener Familien wie u.a. den Vogls. Hirschs, Urbans, Holzfurtners, Knollmüllers, Rothkopfs, Greiners und Stammlers. So ein Biergartenbesuch war immer ein besonderes gesellschaftliches Ereignis. Darum hat man sich regelmäßig auch entsprechend adjustiert, also „in Schale“ geworfen.
Es bleiben nur Trockenübungen im eigenen Garten
Ja, Biergartenbesuche zählen zweifellos auch heute zu den größten Sommervergnügen in der Familie sowie im Freundes- und Bekanntenkreis. Aber zurzeit muss man sich aus gegebenem Anlass noch in Geduld üben – und kann höchstens mal im eigenen Garten mit entsprechender Brotzeit ein wenig „vorüben“ für den nächsten, hoffentlich zeitlich nicht allzu entfernten Biergartenausflug, sobald dieser wieder erlaubt ist. Und das Wichtigste ist wohl, dass man seinen Wirtsleuten und Stammlokalen die Treue hält und sie wieder beehrt, sobald das möglich ist!
Gastbeitrag: Karl-Heinz Paulus