Sonntag, 19. April: „Du bist mein bester Freund“, hat mein Sohn heute zu seinem jüngeren Bruder gesagt. „Genau“, hat der kleine Bruder geantwortet. Situationen wie diese brennen sich momentan ein ins Gedächtnis: Denn sie sind durchaus etwas Besonderes. Sie machen mir bewusst, wie privilegiert meine Situation in Zeiten von Corona-Ausgangsbeschränkungen ist. Ich bin nicht allein: Drei Kinder und drei Erwachsene leben mit mir unter einem Dach. Denn meine Schwiegereltern gehören auch zum engen Familienkreis.
„Kinder brauchen andere Kinder“, hieß es vor wenigen Tagen in einem Artikel, der die Probleme der langen Kindergartenschließung erläutert. Als ich die Zeilen lese, werfe ich einen Blick auf meine drei Jungs, die gerade in herrlichster Harmonie miteinander spielen. Alles richtig gemacht, denke ich in diesem Augenblick.
„Da ist sicher was los zu Hause!“
Natürlich fehlen auch uns die anderen Buben und Mädchen. Häufig sprechen auch wir darüber, wann uns endlich wieder die besten Freunde besuchen können und wann der Kindergarten wieder aufmacht. Die Jungs freuen sich riesig, wenn sie Post von ihren Kindergärtnerinnen bekommen und verschicken selbst Briefe. Geschwister sind toll – aber andere Kinder braucht es auch in unserem Leben. Und natürlich gibt es auch bei uns jeden Tag wilde Streitereien, Gebrüll und Geheul – nicht immer spielen meine drei Jungs friedlich miteinander. Aber das stresst mich momentan weniger als je zuvor. Hauptsache sie sind da – und sie sind gesund.
Bis vor Kurzem wollten die meisten wohl nicht mit mir tauschen: Zwillinge und ein gerade mal zwei Jahre älterer Bruder… Drei Jungs unter fünf Jahren! „Da ist sicher was los zu Hause.“ Diesen Satz habe ich schon unzählige Male gehört. Nun bin ich sehr dankbar dafür, dass zu Hause was los ist. In der momentanen Situation beneide ich niemanden, der einem Einzelkind erklären muss, dass der Kindergarten auch nächste Woche geschlossen bleibt…
Und ich bin dankbar dafür, dass ich keinesfalls alleine damit klar kommen muss, wenn mal wieder zu viel los ist. Ich kann diesen Tagebuch-Artikel und all die anderen Geschichten recherchieren und schreiben, obwohl meine Kinder den ganzen Tag lang daheim sind – und noch dazu alle zu jung sind, um auch mal „auf sich selbst aufzupassen“. Das habe ich vor allem meinen Schwiegereltern zu verdanken. Sie haben fast immer Zeit für die Kleinen, kümmern sich um sie, spielen und basteln mit ihnen – sind einfach da.
Drei Generationen unter einem Dach
Auch diese Entscheidung, die wir lange vor der Coronakrise getroffen haben, konnten wohl einige nicht verstehen: Unter ein Dach zu ziehen mit Oma und Opa, den Alltag gemeinsam gestalten – für viele ist das eine Horrorvorstellung. Viele junge Familien wollen ihr eigenes, abgeschlossenes Reich haben, wollen genau darüber bestimmen, wann und wie stark Oma und Opa in die Erziehung der Kinder eingreifen.
Klar: Ein Miteinander unter einem Dach kann auch nur dann funktionieren, wenn sich alle verstehen – und wenn Eltern und Großeltern sich in Sachen Erziehung zumindest über die Grundlinien einig sind. Wenn jeder seine Freiräume genießen darf, es aber auch niemanden stört, wenn die Tür aufgeht und jemand unangemeldet und ohne vorher anzuklopfen oder zu klingeln plötzlich in der Wohnung steht.
Videos von Halbwüchsigen, die vor die Kamera springen, während ihre Eltern im Homeoffice versuchen, ein Online-Meeting abzuhalten, sieht man dieser Tage häufig. Zwei Vollzeit arbeitende Elternteile in der Großstadt, die ihre Kinder morgens früh in den Kindergarten bringen und sie erst am späten Nachmittag wieder abholen, wollten wir nie sein. Die Krise zeigt uns nun: alles richtig gemacht!
Sabine Simon