Sonntag, 29. März: Der letzte Tag der ersten kompletten Ausgangsbeschränkungswoche ist dem Herrn vorbehalten. Eigentlich der Tag, an dem gerade die Gläubigen in den kleineren Dörfern noch fleißig zur Sonntagsmesse pilgern – in Herzogsreut etwa ereignet sich deshalb allwöchentlich eine kleine Völkerwanderung. Doch auch diese bleibt seit einiger Zeit aus. Es finden keine Gottesdienste mehr statt – vorerst bis zum 19. April. Und dennoch rückt der Glaube an eine höhere Macht in diesen Tagen wieder verstärkt in den Mittelpunkt. „In schlecht’n Zeit’n weand d’Leid betad“ – dieser Spruch, den ich seit meiner Kindheit von den älteren Dorfbewohnern immer wieder zu hören bekomme, trifft wohl derzeit den Nagel besonders auf den Kopf…
Ich würde mich keinesfalls als religiösen Menschen bezeichnen. Die Kirche in meinem Heimatdorf sehe ich nur selten von innen. Das liegt zum einen daran, dass ich die freie Zeit lieber mit der Familie verbringe – praktizierte Nächstenliebe, wenn man so will. Zum anderen daran, dass viele traditionelle – und meiner Meinung nach längst überholte Grundsätze der katholischen Kirche – nicht mit meiner Weltanschauung kompatibel sind.
„Ich schließe Euch alle in mein Gebet mit ein“
Ich würde mich nichtsdestotrotz (oder besser: vielmehr) als gläubigen Menschen beschreiben. Ich bin davon überzeugt, dass es eine höhere Macht (Gott) gibt, dass es ein Leben nach dem Leben gibt – und das irgendwie alles seinen Sinn hat. In den ersten, teils recht hektischen Tagen der aktuellen Coronakrise, das gebe ich offen und ehrlich zu, habe ich jedoch nur wenig an diese eigentlich tief in mir verwurzelte Überzeugung gedacht – meine Gedanken kreisten um andere Dinge. Selbst das von Bischof Oster täglich für 15 Uhr verordnete Glockengeläut nahm ich nur am Rande wahr.
Georg „Schos“ Moritz, ein guter Bekannter aus meinem Heimatort, schärfte jedoch mein überirdisches Bewusstsein wieder: Ein Beitrag von ihm in der eher Gott-fernen Gaudi-Gruppe meines Sportvereins, der ein Bild von ihm vor der Schwendreuter Kapelle mit dem Text „Ich schließe Euch alle in mein Gebet mit ein“ beinhaltete, sorgte für eine Art Erweckungsmoment. Dieser eine Stupser von außen war offensichtlich nötig, um mich auf meine innere Einstellung zurück zu besinnen. Schos erzählt dazu: „Ich bin gläubig erzogen worden und bete so gut wie jeden Tag. Denn man kann immer dankbar für etwas sein – selbst in schwierigen Phasen. In meine Gebete schließe ich natürlich alle Bekannten mit ein – und hoffe gleichzeitig, dass auch diejenigen diesen Weg gehen.“
Eine positive Grundstimmung ist doch nie verkehrt, oder?
Auch ich habe mir nun vorgenommen, in den kommenden Corona-Wochen wieder verstärkt meine innere Einstellung nach außen zu tragen. Dies kann ich allen in meinem näheren Umfeld wärmstens empfehlen. Selbst wenn man nicht an Gott glaubt, helfen einem in dieser Krisensituation gewisse Gedanken an eine höhere Macht, die auf uns aufpasst. In einer Zeit, in der wir offensichtlich nur wenig Einfluss auf den Lauf der Dinge haben, kann es erleichternd sein sich vorzustellen, dass es da draußen jemanden gibt, der es gut mit uns meint. Eine positive Grundstimmung, gepaart mit Hoffnung und Zuversicht, ist doch nie verkehrt, oder?
Helmut Weigerstorfer
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Im Rahmen des Hog’n-Corona-Tagebuches beschreiben die Hog’n-Redakteure Sabine Simon, Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer abwechselnd die Auswirkungen der sog. Corona-Krise auf ihr Privatleben, auf ihr Umfeld und die generelle Situation im Bayerischen Wald.
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