Passau. Es sind teils schwere Anschuldigungen, die die Grüne Jugend Passau gegen die Liste „Zukunft Passau“ ins Feld führt. Letztere, so die Nachwuchs-Grünen, würden lediglich eine weitere CSU-Liste darstellen, womit CSU und Junge Union (JU) „durch scheinheilige ‚überparteiliche‘ Wahllisten“ versuchen würden, „Wählerinnen und Wähler zu täuschen“. Nicht weniger mild fiel die Reaktion von CSU-Spitzenkandidat Georg Steiner aus. „Ich komme mir vor wie im Iran oder im Kommunismus“, kommentierte dieser auf Facebook als Reaktion auf die vorgebrachten Anschuldigungen. Ein Klärungsversuch.
Worum geht’s? Die Liste „Zukunft Passau“, so lässt die Grüne Jugend Passau via Pressemitteilung wissen, sei „endgültig als CSU-Liste entlarvt“. Aufgrund deren „Nähe und personellen Überschneidungen zur CSU Passau, der Jungen Union Passau und zum RCDS der Uni Passau“ sei die Liste keineswegs so unabhängig, wie deren Mitglieder von sich behaupten würden. „Ein Doppelantritt“, kritisiert Grüne-Jugend-Sprecherin Sina Raab, sei „im Wahlrecht ausdrücklich verboten, da sich eine Partei so einen klaren Vorteil verschafft“. Co-Sprecher Maximilian Retzer fordert die Zulassung der Wahlliste „Zukunft Passau“ durch den Wahlausschuss erneut prüfen zu lassen.
„Substanzlose Kritik“
Johannes de Visser, Vorsitzender von „Zukunft Passau“, kann diesen Vorwürfen wenig abgewinnen, wie dieser auf Hog’n-Nachfrage erklärt. „Wir treten nicht als Junge Union an“, stellt de Visser klar. Auf der Liste könne prinzipiell jeder kandidieren, außerdem sei „Zukunft Passau“ ein „eigenständiger Verein, welcher weder finanziell noch in einem Weisungsverhältnis mit anderen Parteien oder deren Organisationen verbunden ist“. Dass es personelle Überschneidungen zwischen JU und der „Zukunft Passau“ gebe, ist laut de Visser „von Anfang an auf den jeweiligen Kandidatenprofilen“ deutlich gemacht worden. Den Vorwurf mangelnder Transparenz hält der Vorsitzende daher für „lächerlich“.
Noch deutlichere Worte findet CSU-Kandidat Steiner: „Anstatt zu versuchen, das Engagement junger Leute durch substanzlose Kritik zu diskreditieren“, solle man sich besser inhaltlichen Fragen zuwenden, wie Steiner gegenüber dem Hog‘n mitteilt. Er hält weiter an seinem Vergleich zum Regime im Iran fest: „Wer engagierten jungen Leuten, die im Einklang mit geltendem Recht eine Liste ins Leben gerufen haben, mit dem Wahlamt droht, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, mit unlauteren Mitteln zu kämpfen, was einen Hinweis auf Länder rechtfertigt, wo ebenfalls versucht wird, unliebsame Mitbewerber von Wahlen auszuschließen“.
Novelle mit Widerstand
Eine weniger emotionsgeladenere Deutung der Dinge erlaubt ein Blick ins Kommunalwahlrecht: Dieses wurde im Februar 2018 geändert und erlaubt seither ausdrücklich, dass einzelne Parteien mehrere Listen zu ein und derselben Wahl anmelden dürfen. SPD, Grüne und Freie Wähler verweigerten sich jedoch damals der Abstimmung über die Novelle. Sie kritisierten, die Gesetzesänderung würde die Möglichkeit eröffnen, „Tarnlisten“ zu etablieren, Listen also, die sich äußerlich unterscheiden, im Kern aber auf dieselbe Partei zurückgehen.
Der Facebook-Post der Grünen Jugend Passau, den auch OB-Kandidat Georg Steiner kommentierte:
https://www.facebook.com/gruenejugendpassau/posts/1520763711417514?__xts__[0]=68.ARAUj8dORnlKFebc9WpLfE-EAD4RUyfOkurTr8QUW7_6OJ-fFGzUmLgdjPgk_W7V8FzoFo_MHORftrna3h3p-p9yD60RjBphKImEsL-PNejst77c1GWCL5OKbs2UjeP6pJL8YeOmyt_Y1Gp2ROWVBz3X93JZbck-Or5tL0ssMsdx-GlBq6LFQRpDWbv2nuCG_5__k3SP0sHj0BbFlAHQW5DeIMKqziFQ-nl3_BUgD_uONECDaXCfr4S7SXab48OenpBFRrgjRLVL6BkTP-3HpMqLZj9YIWt_kco653m5NfTe56szSVjpOSxeQn6oCbcCqT8bRittyHEZkVvR2tsCsqqt3nOr&__tn__=-R
Ob das auch bei der CSU Passau und der Liste „Zukunft Passau“ der Fall ist? Natürlich gebe es thematische Überschneidungen mit der CSU, so wie das bei vielen Wahlprogrammen der Fall sei, erklärt „Zukunft Passau“-Vorsitzender de Visser. Programmatisch existierten zwischen ihnen und den Christsozialen der Dreiflüssestadt dennoch diverse Unterschiede – etwa was den Bau eines Medizincampus in Passau anbelangt, dem die Zukunft-Passau-Mitglieder „äußerst skeptisch gegenüberstehen“.
Wahlleiter: „Kein Handlungsbedarf erkennbar“
Der Vorwurf der Grünen Jugend, die Liste „Zukunft Passau“ würde gegen geltendes Recht verstoßen, ist so jedenfalls nicht haltbar, wie Wahlleiter Ansgar Grochtmann auf Hog’n-Nachfrage erklärt. Um einen Wahlvorschlag abzulehnen, so Grochtmann, sind dem Gesetzgeber enge Grenzen gesetzt, denn „es gehört zu den Voraussetzungen eines demokratischen Wahlrechts, Wahlvorschläge möglichst frei einreichen zu dürfen“. Nach geltender Rechtslage „ist für die Stadt Passau kein Handlungsbedarf erkennbar“.
Genau zwei Personen im Passauer Stadtrat, Katja Reitmaier (SPD) sowie Armin Dickl (CSU), sind jünger als 40 Jahre. Ein paar junge Gesichter, wie die „Zukunft Passau“ sie ins Spiel bringen möchte, können dem regionalen Polit-Zirkus gewiss nicht schaden. Ob es aber nicht doch transparentere Wege gibt dies zu forcieren? Diesen Vorwurf müssen sich die ZP-Listen-Anhänger wohl gefallen lassen – auch wenn man das selbst freilich anders sieht. Und auch wenn man nach außen hin keine JU-Liste sein will, zeigt ein Blick auf die Kandidaten von „Zukunft Passau“, dass die vordersten Plätze allesamt Mitglieder der JU belegen. In den meisten Fällen wird das auch, wie von de Visser behauptet, in den Profilen der Kandidatinnen und Kandidaten so angeführt – jedoch bei Weitem nicht bei allen…
Johannes Greß