Bayerischer Wald. Die Tage werden länger, der Sonnenstand steigt – und an vielen weiteren Dingen des Alltags merkt man, dass sich die kalte Jahreszeit langsam aber sicher wieder ihrem Ende zuneigt. Natürlich kann es noch Schneefälle und Frost geben, doch zumindest der meteorologische Winter gilt sei 29. Februar offiziell als beendet. Zeit also, ein erstes Fazit zu den zurückliegenden drei Monaten zu ziehen.
Dieser Winter hatte im Nachhinein betrachtet ohnehin keinen leichten Stand. Grüne Weihnachten, schneelose Silvester sowie ausbleibende Schneefälle im darauf folgenden Kernwinter hatte es zwar immer wieder mal gegeben. Doch in diesem Winter trat all das recht geballt nacheinander auf. Zumindest in den mittleren Lagen wie etwa rund um die Graineter Klimastation auf rund 600 Meter Meereshöhe. Hier wird seit 1957 das Wetter aufgezeichnet, der Klimawandel macht sich vor allem im Sommer durch extreme Temperaturen und starke Trockenheit bemerkbar. Doch wie sieht es im Winter aus, in einer Zeit, in der das Subtropenhoch eine untergeordnete Rolle spielt?
Drittwärmster Winter seit Aufzeichnungsbeginn
Die Wintertemperaturen hängen vor allem von der Aktivität des atlantischen Ozeans ab. Je aktiver dieser Tiefdruckgebiete produziert, desto höher liegt die Wahrscheinlichkeit für West- oder Südwestwinde, die warme Temperaturen in den Woid mit sich bringen. Die Produktionsrate der Tiefs hängt wiederum vom Temperaturunterschied zwischen Nordpol und gemäßigten Breiten ab. Und dieser Unterschied fiel heuer erneut größer als sonst üblich aus. Die Kälte machte sich quasi dort breit, wo sie hingehört: nämlich weit droben in der Arktis. Damit konnte sich zwar die Eisdecke über dem Polarmeer etwas von den Rekord-Niedrigständen erholen. Die winterliche Kälte ging aufgrund dessen jedoch im Raum Bayerischer Wald verlustig.
Mittelt man alle Temperaturen zwischen dem 1. Dezember und dem 29. Februar aus, so war der zurückliegende Winter der drittwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1957. Eingelagerte, kurze Hochdruckphasen haben für ein paar kältere Tage zwischendurch gesorgt und den Woid vor einem allzu starken Höhenflug – wie 2006/07 der Fall – bewahrt. Damals war der Atlantik auffallend aktiv und das Wetter entsprechend mild und stürmisch – wir erinnern uns bei dieser Gelegenheit leidgeplagt an Orkan Kyrill. Der Winter-Ausfall 2006/07 bleibt damit alleiniger Rekordhalter mit einer Überschuss-Wärme von 3,99 Grad – heuer waren es „nur“ 3,6 Grad zu viel.
Festzuhalten bleibt, dass sich die diesjährigen +3,6 Grad in eine allmählich beginnende Tendenz hin zu milderen Wintern einordnen lässt, die sich seit gut einem Jahrzehnt abzeichnet. Wenn man bedenkt, dass der letzte zu kühle Winter schon wieder zehn Jahre zurück liegt und seitdem alle Winter zu mild ausgefallen sind, wird hier ein deutlicher Überhang nach oben erkennbar.
Eistage? Fehlanzeige!
Doch lässt sich ein „guter“ oder „schlechter“ Winter nicht unbedingt nur anhand der Durchschnittstemperaturen ausmachen. Denn auch wenn es im Großen und Ganzen oft recht mild zugeht, können ein paar Tage knackiger Frost in punkto Winter-Qualität viel wettmachen.
Deshalb ist es naheliegend die Anzahl der Eistage für eine Bewertung heranzuziehen. Sprich: diejenigen Tage, an denen das Thermometer die Null-Grad-Marke nicht überschreitet und im Minusbereich verharrt.
Dies war im Winter 2019/20 bis dato lediglich fünfmal der Fall. Hier wurde der bisherige Tiefststand von 2006/07 sogar erreicht – ein Tag weniger und da Woid hätte einen neuen Negativ-Rekord. Übrigens: Der Durchschnittswinter hierzulande sollte rund 31 Tage zählen, an denen es kälter als null Grad bleibt. Davon war der Bayerwald jedoch 2019/20 weit entfernt…
Nur 1971/72 war noch schneeärmer
In Sachen Schneefall sah es in der diesjährigen Saison ebenfalls recht dürftig aus. Eine brauchbare Schneedecke von mindestens zehn Zentimetern Dicke (darunter gilt’s als „angezuckert“) gab es im Woid bis zum 29. Februar schlappe viermal.
Noch weniger „Über-Zehn-Zentimeter-Tage“ waren es seit Messbeginn im Winter 1971/72. Damals wurde nur an einem einzigen Tag eine Schneehöhe von genau zehn Zentimeter gemessen. Der Rest der Saison fiel „angezuckert“ oder grün aus.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass dieser Winter durchaus ein denkwürdiger war. Wie man aus der Schneehöhenstatistik ablesen kann, ist zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch kein eindeutiger Trend erkennbar, dass die Anzahl der Tage mit brauchbarer Schneedecke rapide zurückgeht. Gehen wir deshalb davon aus, dass bereits in naher Zukunft wohl wieder eine Winter-Saison möglich sein wird, in der der Schnee die Woid-Landschaft in höherem Maße eindeckt…
Martin Zoidl