Ruhmannsfelden. Obwohl Dr. Friedemann Fegert in Karlsruhe lebt, ist er im Bayerischen Wald wahrlich kein Unbekannter. Der Heimatforscher hat sich in der Vergangenheit unter anderem intensiv mit der Auswanderung der Waidler in die Vereinigten Staaten beschäftigt. Seinen Blick auf die Historie des Bayerischen Waldes hat er nun um ein zusätzliches Thema erweitert: „Oh wie schön ist Indigo“: Färber und Blaudrucker-Handwerk im Wandel der Zeit. Ab 21. Februar 2020 ist dazu eine Ausstellung in der Galerie des Europahauses in Freyung zu sehen. Und auch für das Onlinemagazin da Hog’n wirft Fegert ein Schlaglicht auf das traditionelle Handwerk.
Zünfte: Färberfamilien in Ruhmannsfelden 1630 – 1821
Im Markt Ruhmannsfelden wird das Färberhandwerk im Mittelalter zu einem wichtigen Gewerbe. Denn mit den Kreuzzügen kamen orientalische Stoffe in leuchtenden Farben nach Europa. Damit entwickelte sich ein florierender Markt für solche Stoffe und das Können der Färber wurde gefragt. Es gab die Schwarzfärber, dann die Blaufärber, die lange Zeit mit dem in Mitteleuropa vorkommenden Färberwaid blaue Stoffe erzeugt haben. Daneben sind noch die Schönfärber zu nennen, die mit importierten Farben insbesondere aus Kleinasien und dem Vorderen Orient ihre Stoffe gefärbt haben.
Die Zünfte wurden von den Handwerkern im Mittelalter zunächst als Gegengewicht gegen Adel, Klöster und Fernhandelskaufleute gegründet und konnten sich zunehmend Geltung verschaffen. Deren Mitglieder konnten ihren Einfluss in den Gemeinden mit der Übertragung des Bürgerrechts festigen – im Gegensatz zu den Gesellen. Die Zunft hat mit der Zunftordnung das Zusammenleben der Zunftmeister garantiert. Nur in dieser Einbindung konnte ein Handwerksmeister sein Handwerk ausüben. Damit wurde gewährleistet, dass keine übergroße Konkurrenz aufkam, die das Handwerk insgesamt gefährden konnte. In den Pfarrbüchern von Ruhmannsfelden sind bereits seit dem 17. Jahrhundert fünf Färbergeschlechter nachgewiesen. In der heutigen Marktstraße 1 arbeitet ab 1821 die Färberfamilie Fromholzer.
Die Färberfamilie Fromholzer und ihre Anfänge
„Der Ahnherr, Gottfried Fromholzer, erscheint im Jahre 1648 in den Matrikeln der Pfarrei Vilshofen an der Donau als Bürger und Schwarzfärber und wird als ,kunstreicher Meister‘ bezeichnet. Sein Sohn Theo Gottfried, geb. am 2. März 1682, Färber aus Vilshofen, heiratet am 16. August 1706 die Färberswitwe Anna Maria Puchner in Straubing und führt diese Färberei weiter. Dessen Sohn aus zweiter Ehe Franz Xaver, geb. am 22. Oktober 1741, heiratet am 9. Februar 1763 Maria Anna Kugler, die Witwe des Färbermeisters Johann Georg Kugler in Straubing. Auf einem Zunftpokal der Straubinger Färber haben sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts mehrere Mitglieder des Namens Fromholzer/Frohnholzer verewigt.“ (Archiv Fromholzer)
Damit wird deutlich, dass die Familie Fromholzer eine jahrhundertelange Dynastie von Färberhandwerkern in der Region Straubing/Deggendorf begründet, die bis heute das Handwerk weiterführt. Wie alle Handwerker haben auch die Färber ihr Wissen in der Lehre bei einem Meister und dann in den zweieinhalb bis drei Jahren Wanderschaft erworben. Als Beispiel kann uns Alois (II) Fromholzer dienen.
Alois (II): Wanderjahre durch Europa 1839–1841
Alois Fromholzer (I), der 1799 in Straubing zur Welt gekommen und bereits mit 22 Jahren sich ein Färberanwesen in Ruhmannsfelden erwerben konnte, hat zwei Söhne: Alois (geboren 1822) und Joseph (geboren 1824). Der Vater lässt seinen beiden Söhnen eine profunde Schulbildung angedeihen. Alois (II) soll das Färberhandwerk ergreifen.
„Lehrbrief
Dem Alois [II] Fromholzer, Sohn des Alois [I] Fromholzer Färbermeister zu Ruhmannsfelden wird kraft dieses öffentlich ausgestellten Briefes bezeugt, daß derselbe mit Genehmigung der polizeilichen Obrigkeit am 3en Juli 1834 als Lehrling des Färberhandwerkes ordnungsmäßig eingeschrieben worden, und bei seinem Vater das Färber=Gewerbe mit Fleiß und Pünktlichkeit erlernt, auch eine untadelige Aufführung gepflogen habe. Es ist dieser oben bemerkter Alois Fromholzer, nachdem derselbe die vorgeschriebene Prüfung erstanden hat, unterm 10en September 1838 von der Lehre frey und zum Gesellen gesprochen worden. Viechtach den 10ten September 1838“
Als Wandergeselle hat Alois (II) ein Wanderbuch zu führen. Entsprechend den zünftischen Bestimmungen finden sich darin 85 lückenlose Einträge. Alois (II) Fromholzer hat in 2 Jahren und 7 Monaten 5628 Kilometer zu Fuß zurückgelegt. Von den insgesamt 935 Tagen, die er unterwegs war, ist er 264 Tage gewandert. Drei Viertel seiner Wanderschaft, also 668 Tage hat er unterwegs bei Färbermeistern als Geselle gearbeitet und Erfahrungen für seine Handwerkskunst gesammelt. Im oberbayerischen Freising hat er beispielsweise bereits 40 Tage gearbeitet, im hessischen Langen war er zunächst 21 Tage als Geselle, im bayerisch-fränkischen Miltenberg hat es ihm „mit gutem Betragen“ 207 Tage gefallen. Seine Gesellenwanderung führt ihn durch ganz Deutschland bis nach Königsberg im Norden und über hohe Alpenpässe bis nach Lugano in Oberitalien.
Das Färbeverfahren
Naturfasern haben schon selbst eine Eigenfarbe wie der Flachs, der ein helles Braun aufweist. Doch schon früh in der Kulturgeschichte machen die Menschen die Erfahrung, dass es Säfte von Pflanzen gibt und Farbstoffe im Boden, die den Fasern leuchtende Farben wie Rot, Gelb oder Blau gaben. Doch zunächst waren diese Farben nicht abriebfest und waschecht. Erst im Farbbad, der „Küpe“, konnten dauerhaftere Verbindungen zwischen der Farbe und der Faser hervorgebracht werden. Diese anspruchsvollen Verfahren wurden in Indien, China, Ägypten, Mexiko, Peru und Griechenland entwickelt. Es gibt grundsätzlich drei unterschiedliche Färbeverfahren :
- Substantive oder Direktfarbstoffe
Zum einen gibt es Farbstoffe, die, wenn sie ins Färbebad gegeben werden, das Gewebe direkt färben. Entweder werden sie direkt absorbiert oder es findet eine chemische Reaktion statt. Sie werden deshalb substantive oder Direktfarbstoffe genannt. Dabei handelt es sich nur um wenige Farbstoffe, die aus Wurzeln, Flechten und Früchten hergestellt werden. In den Vegetationsgebieten Mitteleuropas gibt es Rinden und Hölzer, die gelb und braun färben. - Küpenfarbstoffe
Es gibt Farbstoffe, die nicht wasserlöslich sind und erst in einer alkalischen (etwa: Pottasche-) Lösung oder Lauge durch Reduktion in wasserlösliche Bestandteile aufgeschlossen werden. Der Sauerstoff entweicht. In dieser „Leukoverbindung“ kann der Farbstoff auf der Textilfaser aufziehen. Der bekannteste und wichtigste Küpenfarbstoff ist der Indigo, der als „König der Farbstoffe“ bezeichnet wird und als einziger in dieser Gruppe kalt gefärbt wird. Der wasserunlösliche blaue Indigo wird durch Reduktion in die wasserlösliche weiße Leukoverbindung überführt. In der Luft schlägt dann diese weiße Farbe durch Oxidation in die wasserunlösliche blaue Farbe um. Es gibt etwa 50 verschiedene Pflanzen, die sich zur Gewinnung des Farbstoffes eignen. In Mitteleuropa wird im Mittelalter und der frühen Neuzeit besonders der Färberwaid (Isatis tinctoria) zur Herstellung dieser blauen Farbe verwendet. Ein anderer wichtiger Farbstoff ist der Purpur, die Farbe der Fürsten. Er wird aus den Drüsen der Purpurschnecke gewonnen.
- Beizenfarbstoffe
Durch Beizen wird eine dauerhafte, überwiegend wasch- und lichtechte Bindung zwischen den Fasermolekülen und dem Farbstoff erzeugt. Als Beizmittel werden Metallsalze verwendet, die im Boden oder in Pflanzen vorkommen. In den daraus hergestellten Salzlösungen werden die Fasern bzw. Textilstoffe gekocht oder direkt in das Farbbad gegeben. Bekannte Farbstoffe wie Krapp, Cochenille, Blauholz erhalten ihre Haftung an der Textilfaser erst durch das Beizen. Cochenillewird aus roten Schildläusen gewonnen, die historisch den mexikanischen Feigenkaktus als Wirtspflanzen nutzten. 1,4 Millionen getrocknete Weibchen ergeben 1 Kilogramm roten Farbstoff.
Druckmethoden – Modeldruck als Handdruck
Man unterscheidet: den eigentlichen Handdruck mit Model, den Spritzdruck, den Film- oder Siebdruck und den Maschinen-, Walzen- oder Rouleauxdruck. Der eigentliche Handdruck mit hölzernen Druckmodeln der Druckformen ist die älteste Art des Druckens. Das charakteristische Handwerkszeug sind Druckformen meist aus gut abgelagertem, feinfaserigem Birnbaumholz, die das Muster erhaben ausgearbeitet zeigen. Jedes Muster benötigt zumindest so viele Druckformen, als es Farben aufweist. Zum Treffen des Rapports, also sowohl beim Weitersetzen des einen Druckmodels, als auch beim Einsetzen des 2. Models mit den entsprechenden Formen der 2. Farbe usw. dienen kleine „Ansatzstifte“ in den Ecken der Druckformen, die auf dem Stoff nur einen ganz feinen Farbtupfen hinterlassen. Das Vorhandensein dieser Tupfen ist ein charakteristisches Merkmal
handgedruckter Ware.
Der „Reservedruck“ besteht, wie die asiatische Batik-Technik, darin, mit einer farbabweisenden Masse, dem „Papp“, bestimmte Stellen des Gewebes abzudecken, damit beim anschließenden Eintauchen und damit Einfärben des gesamten (Leinen-) Stoffes diese Partien vor der Farbaufnahme geschützt, damit also „reserviert“ werden.
Der „Papp“ wird über eine Art Stempelkissen auf den Model aufgebracht. Dann wird dieser vorsichtig – oft über markierende „Ansatzstifte“ an den Ecken – auf den Leinenstoff aufgesetzt und mit einem Holzhammer festgeklopft. Der Model muss nach dem Gebrauch vom Papp, der schnell erhärtet, gereinigt werden. Dann kann der Stoff ins Farbbad gegeben werden. Dieser wird durchgefärbt, bis auf die Stellen, die mit dem Papp „reserviert“, also geschützt sind. Damit wird deutlich, dass der negative Reservedruck kein Blaudruck ist, sondern eine Blaufärbung, abgesehen vom ungefärbten Bereich des Model-Musters.
In gleicher Weise funktioniert auch der Direktdruck. Allerdings wird nicht der Stoff als Negativ „reserviert“, also für den Farbauftrag ausgespart, sondern die Farbe wird – statt dem „Papp“ – direkt auf den Model aufgetragen und dann als Positiv auf den Stoff aufgedruckt. Das Modelmuster erscheint also farbig auf dem ungefärbten Untergrund.
Josef Fromholzer – der einzige Textildruckermeister in Süddeutschland
Josef Fromholzer ist bei seinem Vater in die Lehre gegangen. Nachdem er die Voraussetzung einer dreijährigen Praxis erbracht hat, geht er im Jahr 1951 an die „Webschule“ in Reutlingen, die sich als „Königlich Württembergisches Technikum für Textilindustrie“ hohes Ansehen erworben hat. Die Brüder Josef, Xaver und Alois arbeiten nun auch mit Indanthren und der neuen Technik des Filmdrucks.
Der große Modelschneider in der Familie ist sein Bruder Alois (V). Er macht Zeichnungen und setzt diese in Model und Vorlagen für den Siebdruck um. Seine Gockel sind so eine Art Markenzeichen. Doch es gibt auch Künstler des Bayerischen Waldes, die Freude daran finden, Entwürfe für die Fromholzers zu gestalten. Herausragend sind die Entwürfe von Walter Mauder, Georg Achtelstetter, Oskar von ZaborskyWahlstätten und Paul Ernst Rattelmüller.
„Mir macht die Arbeit Freude, zum einen die große Zahl der Muster, die wir haben, wenn man immer wieder einen anderen Model hernimmt, wie schön und einfach die rauskommen. Und es ist ein alter Beruf. Ich erklär’s immer wieder den Leuten mit den Färbepflanzen, und man ist immer wieder berührt, wenn man die Zeitlosigkeit der Muster sieht. Ich stimme dem Slogan [eines österreichischen Kollegen] zu: ,Der Blaudruck lebt‘! Und es ist so, dass schöne Drucke immer wieder Liebhaber finden, und zwar in der Einmaligkeit der alten, überlieferten Muster! Und uns ist unsere Überlieferung immer zugute gekommen. Und unsere Kunden suchen und schätzen die alten Muster.“ (Josef Fromholzer im Gespräch 16.04.2015)
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