Saldenburg. Bei der ersten Besichtigung habe das Einfamilienhaus in Saldenburg, Landkreis Freyung-Grafenau, „ganz nett ausg’schaut“, erzählt Tine Grede. Auch der Preis sei in Ordnung gewesen. Im März 2017 zog sie mit ihrem Sohn, ihrer Tochter und deren Freund ins neue Eigenheim. Doch schnell wurde klar, dass „die paar gelben Fleckerl“, als welche sie der Vermieter bezeichnete, sehr viel mehr waren: Es schimmelt im ganzen Haus. Die gesundheitlichen Folgen für die Familie sind enorm, bis Juni – so ordnete ein Gericht an – müssten sie raus aus dem Haus. Eine neue Bleibe konnten sie bis dato jedoch nicht finden.
Spricht man mit Tine Grede über ihre Situation, wirkt sie gefasst und ruhig. Dabei hätte sie allen Grund dazu, es nicht zu sein. Nach dem Tod ihres Mannes zog die heute 57-Jährige samt Familie von Passau nach Saldenburg. Erst nach und nach dämmerte ihr, was ein Gutachter zwei Jahre später als „gravierende bauliche Mängel“ bezeichnen sollte. „Zuerst ist mir aufgefallen, dass das Haus in keinster Weise gedämmt ist. Als ich versucht habe, das Obergeschoss zu heizen, war das so gut wie unmöglich“, erinnert sie sich. Während im ersten Sommer ein Sturm durch Saldenburg wütete, sei so viel Wasser ins Zimmer ihres Sohnes eingedrungen, dass mehrere Möbelstücke und der Fernseher kaputt gingen.
Kündigung zu Weihnachten
Auch der Kamin war versottet, durch Wände und Böden drang immer wieder Nässe ein. Der Schimmel, der sich überall im Haus befindet, sei vor der Besichtigung lediglich notdürftig überpinselt worden. Der Vermieter, der gleich im Haus nebenan wohnt, willigte ein, zumindest den Kamin zu reparieren – jedoch unter der Bedingung, dass die Familie dann wieder ausziehe.
In den Augen des Vermieters, so schildert Tine Grede, seien sie es, die für den Schimmel verantwortlich zeichnen. Sie würden zu wenig lüften, die Haustiere ihre Hinterlassenschaften auf dem Boden hinterlassen. Als Tines Tochter Lara schwanger wurde, gab es für die Familie noch einen Grund mehr, den Vermieter endlich dazu zu bewegen, etwas an dem desaströsen Zustand ihrer Bleibe zu ändern. Dieser habe jedoch anderes im Sinn gehabt – und reichte die Kündigung ein. „Das war genau zwei Tage vor Weihnachten“, ärgert sich Tine Grede noch heute.
Sie wehrte sich dagegen und ließ im Januar 2019 ein unabhängiges Gutachten anfertigen. Dieses belege eindeutig, so die 57-Jährige weiter, dass die Mängel im Gebäude einerseits nicht selbstverschuldet und andererseits in hohem Maße gesundheitsgefährdend für die Bewohner sind. Laboratorisch nachgewiesen werden konnte Grede zufolge unter anderem der sogenannte Stachybotrys-Pilz sowie Aspergillus-Pilzarten. Beide sind in höchstem Maße gesundheitsgefährdend – angefangen von leichten Kopfschmerzen oder Schwindelgefühlen bis hin zu Nasen- und Lungenbluten sowie Herzrhythmusstörungen.
Mit allen Mitteln
Offenbar gibt die Realität den Untersuchungen des Labors Recht: „Das zehn Monate alte Baby von Tochter Lara braucht bereits jetzt ein Asthma-Spray“, beklagt sie. Ihr Sohn musste 2018 ins Passauer Klinikum eingeliefert werden, da der Schimmelpilz die Leber befallen hatte. Lara sei mittlerweile an Gebärmutterhalskrebs erkrankt, klage über Atembeschwerden, Lungen- und Nasenbluten. Laut Tine Grede sind all diese Erkrankungen auf die Schimmelpilze im Haus zurückzuführen.
Im Frühjahr 2019 – als Antwort auf das Gutachten – sei dann der nächste Versuch des Vermieters unternommen worden, die Familie loszuwerden. Er habe für seine Tochter Eigenbedarf angemeldet, die Gredes sollten raus aus dem Haus – wogegen sie sich jedoch erneut zur Wehr setzten. Das Ganze landete schließlich vor Gericht und endete mit einem Vergleich: Familie Grede dürfe noch bis Juni dieses Jahres im Haus bleiben. Wobei „dürfen“ in diesem Kontext wohl nicht der passendste Ausdruck ist. Natürlich wollen die Gredes so schnell es geht raus aus dem Schimmelhaus – aber familiäre und finanzielle Umstände machen dies nicht gerade einfach. Nach einer schweren Erkrankung ist auch Tine Grede in Frühpension. Gesucht wird eine Wohnung mit vier bis fünf Zimmern, die die Familie mit dem Wohngeld finanzieren kann, das sie monatlich vom Staat bekommt. „Sowas gibt es im Raum Passau einfach nicht“, zeigt sich die 57-Jährige beinahe resigniert. Derzeit lautet die Devise daher: besser ein Schimmelhaus als gar keins.
„Traurig, dass er das bereits das zweite Mal versucht“
Nachdem das Gericht den Auszugstermin auf Juni festsetzte, habe der Vermieter sofort nachgelegt – und das Jugendamt geschickt. Die Behörde sei nicht zum ersten Mal in dem Haus in Saldenburg gewesen, wie Tine Grede erfahren habe, als die Sozialarbeiter vor ihrer Haustür standen. Bereits die Vormieter hätten dieselben Scherereien mit dem Vermieter ausgetragen: Ein verschimmeltes Haus, Kinder – und Eltern, die mit dem Jugendamt im Clinch liegen, weil der Vermieter sie bei ebendiesem angepatzt haben soll, nicht auf die Gesundheit des eigenen Nachwuchses zu achten.
Mittlerweile habe sich die Auseinandersetzung zwischen den Gredes und dem Hausherrn zu einer Art Grabenkampf entwickelt. Bekannte des Vermieters, berichtet die 57-Jährige, würden sie öffentlich und in den Sozialen Medien anschwärzen, sie und ihre Familie als Asoziale darstellen, die ihr Leben nicht im Griff hätten und nicht in der Lage seien, auf ihr Eigenheim Acht zu geben.
„Traurig ist“, erklärt Tine Grede, „dass er das bereits das zweite Mal versucht“. Dass es auch ihren Vormietern bereits so ergangen sei; dass jemand die Gesundheit einer Familie aufs Spiel setze und vermeintlich weder Jugendamt noch Justiz dagegen vorgehen könnten. „Aber natürlich kann man den Vermieter dafür belangen“, ist Tine Grede überzeugt. Doch für die Prozess- und Anwaltskosten für ein solches Verfahren – das sich womöglich über Monate, wenn nicht Jahre hinziehen würde – fehle das Geld. Ihr wäre schon damit geholfen, wenn sie demnächst im Raum Passau eine neue Bleibe für sich und ihre Familie finden könnte.
Johannes Greß
Wer Familie Grede unterstützen möchte: Gesucht wird eine preiswerte Wohnung mit vier bis fünf Zimmern im Raum Passau. Wer weiterhelfen kann, darf sich gerne bei Familie Grede persönlich unter der Telefon-Nummer 01525/264 1076 melden oder schreibt eine Email an lara.sophie.grede@gmail.com.