Röhrnbach. Es ist nicht so, als mangele es an Worten. Denn geredet wird derzeit nur allzu viel: über Nachhaltigkeit, Ökologie und Umweltschutz. Über den Großhandel, der die Bauern verdrängt, über die Supermarkt-Ketten, die Fleisch zum Spottpreis vertreiben. Über den Milchpreis, der in den Keller sackt, weil der Konkurrenzdruck zu groß ist. Ändern soll sich an all dem etwas. Nur was? Ein ziemlich konkreter Vorschlag, wie es gehen könnte, entsteht derzeit in der Röhrnbacher Marktmitte: Der Verein „ebbsGuads“ vertreibt per Onlineshop Lebensmittel aus der Region, biologisch produziert und mit fairer Bezahlung für die Produzenten. Als Vorbild dient ihnen eine Kooperative aus Südkorea, die mit diesem Konzept Millionen von Menschen versorgt.
Auch der „BürgerEnergieStammtisch“ in Sittenberg bei Ruderting war einst mit vielen Worten befasst: mit Vorträgen, Diskussionsrunden und eher abstrakten Auseinandersetzungen über die Themen Energie, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Nach fünf Jahren Stammtisch war die Zeit schließlich reif, „da wollten wir vom Reden ins Handeln kommen“, wie Peter Ranzinger erklärt. Gemeinsam mit Josef Pauli fasste er im Herbst 2018 den Plan eine kleine Lebensmittel-Kooperative ins Leben zu rufen.
Freiwillige sorgen für reibungslosen Ablauf
Konkret sei das Ganze dann im Frühjahr vergangenen Jahres geworden, erinnert sich Ranzinger. Erste Überlegungen zur Umsetzung nahmen Form an, Kontakte zu Produzenten wurden geknüpft. Da Röhrnbachs Bürgermeister Josef Gutsmiedl auch einmal dem Sittenberger Stammtische beiwohnte, war ein Standort schnell gefunden. Die Marktgemeinde erklärte sich bereit, die Ladenmiete für das erste Jahr zu übernehmen, was die Sache für Ranzinger und Pauli erheblich erleichterte.
Nach einem ersten Probelauf im Dezember vergangenen Jahres nahm „ebbsGuads“ Mitte Januar 2020 den regulären Betrieb auf. Und der sieht so aus: Ein Kunde bestellt bis Mittwochmittag online die gewünschten Produkte. Im Angebot befinden sich neben Fleisch, Milch und Käse auch Gebäck, Nudeln oder Honig. Am Samstagvormittag können die georderten Artikel dann abgeholt werden. Rund 15 Lieferanten aus der Region versorgen „ebbsGuads“ mit Artikeln, etwa ein Dutzend Freiwillige kümmern sich um den reibungslosen Ablauf des Geschäftsbetriebs.
„Derzeit verdienen die Falschen an unseren Lebensmitteln“
Aktuell habe man rund 30 Kunden, erklärt Ranzinger. Ziel seien 60 Personen, die regelmäßig Bestellungen aufgeben. Dann könne man zwei Festangestellte beschäftigen – das zeigen ähnliche Kooperativen aus Österreich, an denen die Röhrnbacher Genossenschaft sich orientiert. Ranzinger zeigt sich optimistisch, derzeit bekomme man beinahe täglich Anfragen von neuen Lieferanten, die an einer Kooperation interessiert sind. Etwa ein Jahr hat „ebbsGuads“ nun Zeit sich zu etablieren. Spätestens dann muss der Verein die Miete für seinen Standort selbst schultern können.
Das Projekt selbst ziele allerdings nicht auf Gewinn ab, wie deren Macher betonen. Der Gedanke dahinter ist ein anderer: „Derzeit verdienen die Falschen an unseren Lebensmitteln“, findet der 57-Jährige. Mit der Initiative will er heimische Bauern „wieder mehr an der Wertschöpfung teilhaben lassen“. Das Geld, das jemand für Eier, Milch und Fleisch bezahlt, sollte auch bei jenen ankommen, die Eier, Milch und Fleisch produzieren: bei den Landwirten. Nicht bei Zwischenhändlern, Lieferanten und in den Chefetagen.
Ein übermächtiger Gegner?
Nüchtern betrachtet kämpft „ebbsGuads“ gegen einen übermächtigen Gegner: Großkonzerne, globale Supermarktketten, Riesenunternehmen, Oligopole, denen es möglich ist, Preise auf ein Minimum zu drücken – auch, weil viele Landwirte ihnen ausgeliefert sind. Dass ein alternatives Modell dennoch funktionieren kann, zeigt etwa die Seikatsu Club Consumers‘ Cooperative Union aus Japan. 1965 gegründet, hat sie mittlerweile 307.000 Mitglieder, die meisten davon Frauen.
Solidarische Landwirtschaft: „Hansalim“ zeigt, wie wichtig es ist, nicht nach Profit, sondern nach Gemeinwohl zu streben, um Veränderung in einer Gesellschaft zu bewirken:
Auch in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul schlossen sich 1986 einige lokale Bauern zur Genossenschaft Hansalim (zu deutsch: „Bewahre alles Lebendige“) zusammen. Heute beliefern mehr als 2.000 Hansalim-Betriebe zwei Millionen Südkoreanerinnen und Südkoreaner mit regionalen Produkten. Natürlich sei dies für Röhrnbach kein Maßstab, könne „ebbsGuads“ aber dennoch als Vorbild dienen, wie Peter Ranzinger findet.
Wer profitiert von einem Kauf? Wem schadet er?
Klimakrise, Nachhaltigkeit, Umweltschutz – so lauten die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Kann eine einzelne Konsumentscheidung, eine kleine Kooperative in Röhrnbach, da tatsächlich viel daran ändern? Ist es nicht eigentlich Aufgabe der Politik, hier die Weichen entsprechend zu stellen? Schließlich sitzt die am deutlich längeren Hebel. „Eigentlich schon“, meint Ranzinger. Auch er findet es unangebracht, dass derlei Entscheidungen nur allzu oft auf den Verbraucher abgewälzt werden.
Dennoch: Ein Mensch trifft Ranzinger zufolge pro Jahr zwischen 12.000 und 14.000 Konsumentscheidungen. Die wichtigste Frage, die sich einer dabei stellen sollte, sei: Brauche ich das überhaupt? Und: Wer profitiert von diesem Kauf? Wem schade ich damit? Die Initiatoren des Bio-Vereins finden: Lieber weniger kaufen, dafür qualitativ Hochwertigeres – oder eben: ebbsGuads.
Johannes Greß