Jandelsbrunn. Im Waldkirchener Raum ist er ein bekanntes Gesicht: Max Pöschl hat lange im Standesamt der größten Stadt des Landkreises Freyung-Grafenau gearbeitet. Nun ist er viel in der Region unterwegs, damit ihn auch alle anderen FRG-Bewohner kennen lernen können. Denn auch Max Pöschl möchte Landrat werden. Er kandidiert für die Freien Wähler. Im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n berichtet der 52-Jährige unter anderem darüber, warum die Freien Wähler ihn als Kandidaten ausgewählt haben und warum ihm das Thema Inklusion besonders am Herzen liegt.

Max Pöschl ist „klassisch verheiratet“, wie er es nennt, und hat zwei Kinder. Seit zehn Jahren arbeitet er als geschäftsführender Beamter in der Gemeinde Jandelsbrunn. Dabei war sein Weg in die Verwaltung „ein bisschen verbogen“. Denn nach der Realschule hatte er zunächst den Beruf des Orgelbauer erlernt und war danach vier Jahre lang in den Diensten der Bundeswehr.
Vor sechs Jahren schaffte er es auf Anhieb in den Kreistag
Herr Pöschl: Wie sind Sie in die Verwaltung gekommen, wenn Sie doch einst Orgelbau gelernt haben?
Dadurch, dass ich mich bei der Bundeswehr für vier Jahre verpflichtet hatte, war natürlich der Faden zum Orgelbau gerissen. Und danach – das war die Zeit der deutschen Wende – war ich mit dem Auftrag der Bundeswehr nicht mehr so ganz einverstanden. Da ging es los mit Auslandseinsätzen, das wurde richtig gefährlich. Ich habe mich umgeschaut, was man anderweitig machen kann – und irgendwie hat mich mein Weg dann in die öffentliche Verwaltung geführt.
Wahrscheinlich für einen Landratskandidaten kein Nachteil, wenn man die Abläufe in der Verwaltung kennt?
Es ist mit Sicherheit kein Nachteil. Ich habe es schließlich gelernt.
Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Politik liegt bei uns in der Familie: Mein Vater war 18 Jahre lang Bürgermeister der Gemeinde Jandelsbrunn. Ich wollte mich immer ein bisschen zurückhalten. Dann hatte ich Kontakt mit Renate Cerny, der derzeitigen stellvertretenden Landrätin. Ich muss an dieser Stelle vorausschicken, dass mein Sohn ein Handicap hat und deshalb die Förderschule in Waldkirchen besuchte. Dort gibt es einen Förderverein, bei dem ich Vorsitzender sein darf – und das ist jetzt nicht ironisch gemeint. Das ist tatsächlich ein Ehrenamt für mich – ich betrachte es als Ehre, dieses Amt ausführen zu dürfen.
Bei Schulfesten war auch Renate Cerny immer da. Dann habe ich mal zu ihr gesagt: Es freut mich, dass Sie immer hier sind bei uns, das fasse ich als Zeichen ihrer Wertschätzung auf. Woraufhin sie antwortete: Sie werden mich immer an der Seite der Schwächeren finden. Einige Wochen später traf ich sie erneut. Sie meinte: Ab jetzt sagen wir Du zueinander. Und ich hätte Dich gerne auf der Kreistagsliste. Und ich so: Schreibt mich halt drauf, damit ihr die Liste voll bekommt. Dann bin ich gewählt worden. Seitdem bin ich im Kreistag vertreten. Seit nunmehr sechs Jahren.
Für Sie ging es also sozusagen von null auf Kreistag…
Ja. Das ist durchaus beachtenswert (lacht). Für den Gemeinderat durfte ich ja aufgrund meiner Tätigkeit im Rathaus zuvor nicht kandidieren.
Hatten Sie damit gerechnet, in den Kreistag gewählt zu werden?
Nein, überhaupt nicht. Ich war vor sechs Jahren hier im Rathaus mit dabei, als nach der Wahl die Stimmen ausgezählt wurden. Das dauert bei Kommunalwahlen immer sehr lange. Wir haben uns am Montag nach der Wahl den Kreistag vorgenommen und die Ergebnisse im Anschluss durchgesagt – danach war ich ausgebrannt, hatte die Nacht durchgearbeitet. Irgendwann gegen 18 Uhr hatte ich mich hingelegt. Da rief mich unser Pfarrer an und gratulierte mir zum Einzug in den Kreistag. Da habe ich recht ungläubig erwidert: Ja freilich… Und er meinte: Schau nach, schau nach! Und tatsächlich war es so.
Spielräume suchen und sich nicht hinter Gesetzeswerk verstecken
Hat die Arbeit im Kreistag so viel Spaß gemacht, dass Sie mehr Politik machen wollten?
Ach, wissen Sie: Mit dem Ausdruck ‚Spaß machen‘ bin ich immer sehr vorsichtig. Man sagt gerne mal: etwas macht Spaß oder nicht. Ich sag es lieber so: Entweder man ist zufrieden oder es gibt etwas, was man ändern möchte. Es gab viele Kreistagssitzungen, da war alles gut überlegt. Dann gab es aber auch ein paar Geschichten, die mir nicht gepasst haben. Da gehört zum Beispiel das Thema Krankenhaus Waldkirchen mit dazu. Da gehört auch das Auflösen der Kreis-Musikschule dazu. Das hat mir nicht gefallen, weil ich in meiner Freizeit selbst sehr viel Musik mache. Es hat mir weh getan, dass man dem Erhalt dieser Einrichtung nicht mehr Beachtung geschenkt hat.
Ich habe im Kreistag stets kritisch betrachtet, was läuft. Ich bin nicht derjenige, der um jeden Preis auf Opposition gehen will – das ist nicht mein Stil. Aber mein Stil ist es zu versuchen, die Meinung einzubringen und sie zu vertreten.

Und deshalb der Entschluss als Landrat zu kandidieren?
Ja, sicher. Das hat mehrere Aspekte: Zum einen gehört es zum Programm unserer Wählervereinigung, dass wir uns aktiv an den Wahlen beteiligen wollen. Dass wir uns bemühen, Kandidaten zu stellen. Das gilt für den Landratsposten genauso wie für die Kreistagskandidaten.
Zum anderen ist es mein Anspruch in der öffentlichen Verwaltung in dem recht engen Gesetzeskorsett, in dem wir uns bewegen – und das ist wirklich sehr sehr eingeschachtelt –, immer noch die Spielräume zu finden, die wir brauchen, um das durchsetzen zu können, was man sich draußen wünscht.
Oft scheint es so, dass man sich hinter dem Gesetzeswerk versteckt, allzu schnell abblockt und sagt: Das geht nicht. Anstatt dran zu bleiben und doch nach einem gangbaren Weg zu suchen. Mein persönliches Motto als gewählter Landrat wäre es, genau diesen Weg zu suchen. Das mache ich auch jetzt hier im Jandelsbrunner Rathaus als Geschäftsleiter so.
„Ok, probieren wir’s“
Sie sind seit 2017 Vorsitzender der Freien Wählergemeinschaft im Landkreis FRG. Haben sich die Freien Wähler deshalb für Sie als Landratskandidaten entschieden? Oder haben Sie selbst den Wunsch geäußert, Landrat werden zu wollen?
Wir haben in der Wählergemeinschaft ganz aktiv diskutiert, uns in verschiedenen Kreisen unterhalten. Vieles hat sich immer mehr auf meine Person zugespitzt. Dann stand die Frage im Raum: Machst Du’s oder nicht? Und ich habe gesagt: OK, probieren wir’s!

Was sind die Inhalte der Freien Wähler, wegen denen Sie sagen: Ja, das entspricht meiner Vorstellung von Politik!
Ich habe die Freien Wähler und insbesondere die kommunalen Verbände hier als Wählervereinigungen kennen gelernt, bei denen es möglich ist, die eigene Meinung zu vertreten. Es ist mir ganz wichtig, dass man nicht immer die Meinung einer Partei vertreten muss. Insbesondere bei der CWG (Christliche Wählergemeinschaft, eine Untergruppierung der Freien Wähler – Anm. d. Red.) haben wir die Freiheit, auch einmal andere Meinungen kund zu tun – auch bei Abstimmungen, sodass man nicht immer an der großen Masse dranhängt. Das wird akzeptiert.
Das andere ist: Ich habe jetzt einige Funktionsträger der Freien Wähler kennen gelernt, unter anderem auch den Vorsitzenden Hubert Aiwanger. Wenn man mit ihm persönlich spricht, habe ich das Gefühl, dass er intensiver zuhört als mancher seiner Kollegen. Das gefällt mir, wenn man sich in die Augen schaut und das Gefühl hat: Er nimmt das Gesagte auf und denkt darüber nach.
„Die Gesellschaft braucht Menschen mit Handicap“
Ganz prägnant und möglichst kurz: Was sind die wichtigsten Punkte, die Sie als Landrat möglichst sofort umsetzen möchten? Was sind Ihre Kernthemen?
Worum wir uns unbedingt annehmen müssen, ist unsere Verkehrsinfrastruktur. Die Straßen des Landkreises befinden sich oftmals in einem sehr bemitleidenswerten Zustand. Wenngleich ich auch weiß, dass der Kaiser das Recht verloren hat, wenn kein Geld mehr da ist.
Das Thema Inklusion liegt mir ebenfalls sehr am Herzen. Auch deswegen, weil unser ältester Sohn ein Handicap hat – und ich erlebe, wie es ist, wenn man über Inklusion spricht. Jeder nimmt zwar dieses Wort in den Mund – doch keiner weiß, was wirklich damit verbunden ist. Wenn man eine Person mit Handicap in die Gesellschaft integrieren will, stößt man immer noch sehr schnell auf Ablehnung. Das ist niederschmetternd. Ausgesondert wird, was nicht der Norm entspricht.

Mein großes Anliegen lautet: Wir brauchen in der Gesellschaft mehr Bereitschaft dafür, uns auch mal auf Leute mit Handicap einzustellen und zu prüfen: Wo haben sie ihre Fähigkeiten und Qualitäten? Da müssen wir netzwerken, das werden wir als Landkreis alleine nicht schaffen – da brauchen wir die Wirtschaft dazu. Und dann müssen wir in den Betrieben nachschauen: Wo gibt es geeignete Stellen für diese Menschen? Wo können sie den Einstieg in den primären Arbeitsmarkt schaffen? Wir können es uns auf Dauer nicht leisten, diese Menschen und ihre Qualitäten links liegen zu lassen. Wir brauchen sie unbedingt.
Und bei den Schulen? Sollten die Regelschulen Kinder mit Handicap aufnehmen?
Wenn eine Schule Inklusion betreibt, dann ist es die Förderschule. Die anderen Schulen sprechen nur davon – aber es sind die Förderschulen, die wirklich wissen, was es bedeutet, jemanden in der Gesellschaft zu inkludieren.
In einer Förderschule haben viele Kinder nur einen anderen Entwicklungsweg und eine andere Entwicklungszeit. Sie haben gar kein „Handicap“. Und wenn ich diesen Kindern diese Zeit und ihren speziellen Weg einräumen kann, haben sie hinterher eine ganz tolle Möglichkeit, ihr Leben zu gestalten. Hier müssen wir viel flexibler sein. Typisch deutsch ist es, dass ein Mensch immer nach dem bewertet wird, welches Papier er in Händen trägt – und nicht danach, was er wirklich kann. Mir geht es darum, danach zu suchen, was ein Mensch kann und wo wir ihn brauchen können.
Was meinen Sie: Welche Gestaltungsspielräume hat ein Landrat in Fragen wie diesen?

Das ist eine schwierige Frage. Darüber mache ich mir häufig Gedanken. Beginnen kann es damit, Netzwerke zu schaffen. Inklusion muss thematisiert werden – nicht tabuisiert. Es gilt Verständnis zu schaffen, denn Inklusion bedeutet ja auch: Nicht derjenige, der inkludiert werden soll, muss sich verändern, sondern die Gesellschaft, um mit ihm umgehen zu können. Für diese Bereitschaft müssen wir viel mehr werben. Hier ist es angebracht mit Schulen zusammenzuarbeiten, Projekte in Bezug auf Jugendarbeit anzusteuern.
Interview: Sabine Simon
Im zweiten Teil unseres Interviews geht FRG-Landratskandidat Max Pöschl auf die Konkurrenzsituation zwischen Waldkirchen und Freyung ein, kritisiert Verkehrsprojekte des Staatlichen Bauamtes und stellt fest, dass die Landratswahl wohl eine Charakterfrage sein wird.