Passau/Spiegelau. Eine Trennung stellt zumeist eine schwerwiegende Zäsur im Leben eines Menschen dar. Einen tiefgreifenden Einschnitt, der einen aus der gewohnten Bahn werfen kann. Eine Trennung bringt häufig eine Krise mit sich, die es zu überwinden gilt. Sie birgt aber auch eine Chance, eine neue Perspektive, wie Familientherapeutin Birgit Oberneder von „pro familia Niederbayern“ zu berichten weiß. Wir haben sie unter anderem gefragt, wie etwa Trennungen langjähriger Beziehungen vonstatten gehen können, wie es einem gelingt, einigermaßen glimpflich durch das begleitende Gefühlschaos hindurchzukommen – und wie insbesondere die gemeinsamen Kinder keine bleibenden Trennungsschäden davontragen.
Frau Oberneder: Wann ist eine Trennung zwischen Ehepartnern/Beziehungspartnern unumgänglich? Wann sollte man einen Schlussstrich ziehen?
Als Beraterin bin ich grundsätzlich erst einmal neutral in meiner Haltung. Eine Trennungsentscheidung ist in erster Linie immer eine individuelle Entscheidung. Jedoch geht dieser Entscheidung sehr häufig lange zuvor eine Trennungsambivalenz voraus. Hier versuche ich als Beraterin die Ratsuchenden in ihrem Prozess, u.a. in der Kosten-Nutzen-Analyse zu unterstützen. Was ist der Preis/Gewinn, wenn ich bleibe, was ist der Preis/Gewinn, wenn ich gehe? Gibt es Handlungsalternativen? Will man sich wirklich von dem Partner selbst oder von dem destruktiven Beziehungsmuster trennen?
Die vier Phasen des Trennungsprozesses
Leider kommen Paare sehr häufig in die Beratung, wenn bereits über Jahre hinweg viele tiefsitzende Kränkungen und Verletzungen passiert sind. Meine neutrale Haltung endet allerdings, wenn auch Kinder im Spiel sind und durch massive, destruktive Verhaltensmuster – z.B. Gewalt der Eltern – das Kindeswohl erheblich gefährdet wird.
Wie können Trennungen langjähriger Beziehungen vonstatten gehen? Sprich: Welche Formen der Trennung gibt es?
Es gibt Beziehungen, in der sich die Partner auseinander gelebt haben und die sich mit der Zeit trennen, da keine Liebe oder Leidenschaft mehr vorhanden ist. Da diese Trennung im gegenseitigen Einverständnis stattfindet, ist meist auch das Trennungsprozedere sehr respektvoll und wertschätzend dem anderen gegenüber.
Schwierig ist immer, wenn die Trennungsentscheidung nur von einer Person getroffen wurde und ihr viele Verletzungen oder Kränkungen voraus gegangen sind. Am schwierigsten ist es, wenn ein Betrug oder Fremdgehen der Trennungsentscheidung vorangehen. In diesem Fall ist es häufig nicht leicht einen konstruktiven Umgang beim Trennungsprozedere zu entwickeln – ohne dass der Impuls nach Rache oder Vergeltung einem selber den Neustart erschwert.
Gibt es die „perfekte Trennung“ – falls ja, wie schaut sie aus?
Zunächst kommen die ersten beiden Phasen der Trennung: die Zeit der Verleugnung und der Verdrängung – und daraufhin die Zeit der aufbrechenden, heftigen Gefühle wie Wut, Angst, tiefste Verzweiflung, Trauer sowie der rigiden Schuldzuschreibungen. Gut ist, wenn nach diesen beiden Phasen die dritte begonnen werden kann und der Betroffene sich mit Fragen auseinandersetzt wie: Was könnte mein Beitrag gewesen sein, dass der Partner gegangen ist? Wie habe ich mich in der Beziehung erlebt? Was würde ich genauso machen, was anders? Oder: Was für einen Sinn hatte die damalige Trennung für mein jetziges Leben? Wichtig ist hierfür, dass das Scheitern der Beziehung angemessen betrauert werden konnte und rigide Schuldzuweisungen an den Partner zurückgenommen werden konnten.
In der vierten Phase wird dem Betroffenen bewusst, dass Trennung und Verlust überlebbar sind – und durch welche eigenen Ressourcen ihm das ermöglicht worden ist. Gleichzeitig kann er sich überlegen, wie er in Zukunft – auch partnerschaftlich – leben oder wie er sich anders aufstellen möchte. Nach diesen vier Phasen kann der Trennungsprozess nicht nur als gelungen, sondern möglicherweise auch als Bereicherung für das eigene Leben erlebt werden.
Viele stehen vor neuen Herausforderungen
Trennungen sind meist von einer Vielzahl an Gefühlen begleitet, mit Höhen und Tiefen. Wie gelingt es, einigermaßen glimpflich durch dieses Gefühlschaos hindurchzukommen? Oder ist es gar wichtig, all diese Gefühle zur Geltung kommen zu lassen?
Wie bereits erwähnt ist die zweite Phase der Trennung ein wichtiger Abschnitt für einen gelungen Trennungsprozess. Für viele ist es sehr wichtig einen geeigneten Rahmen zu haben, um der Wut, der Trauer und der Verzweiflung Ausdruck verleihen zu können.
Hilfreich ist, wenn man ein Netzwerk an Freunden, Bekannten oder Familie zur Seite hat, die einem in dieser Umbruchsituation begleiten können. Auch professionelle Beratungsangebote wie die pro familia Niederbayern bietet hier Unterstützung an. Schwierig ist, wenn gerade in dieser Phase bereits ein neuer Partner im Leben erscheint und man versucht den Schmerz zu kompensieren, ohne dass man den Trauerprozess angemessen durchlaufen konnte.
Welche sonstigen Begleiterscheinungen (veränderte Lebensverhältnisse) bringen Trennungen mit sich?
Eine Trennung vom Partner kann nach langjähriger Partnerschaft oft eine Lebenskrise auslösen. In jedem Fall ist der Betroffene in dieser Phase erheblichem Stress ausgesetzt. Dies zeigt sich sehr häufig auch in körperlichen Symptomen. Viele leiden unter Schlafstörungen, Appetitmangel, Gewichtabnahme und erhöhter Infektanfälligkeit.
Gleichzeitig stehen viele vor der Herausforderung eine neue Wohnung suchen zu müssen, einen neuen Freundes- und Bekanntenkreis aufzubauen und sich meistens auch dem Alleinsein im Leben zu stellen. Gerade bei verheirateten Paaren kommt es häufig zu finanziellen Nachteilen und Einschränkungen.
Elementar für Kinder: regelmäßiger Kontakt zu den Eltern
Eine Trennung der Eltern trifft vor allem die gemeinsamen Kinder. Was gilt es als Elternteil hinsichtlich des Kindswohls im Trennungsfall zu berücksichtigen? Wie erklären Eltern den Kindern die Trennung, sodass kein Trauma oder sonstige psychische Folgeerscheinungen beim Nachwuchs entstehen?
Wichtig ist es für Eltern, die Paarebene von der Elternebene zu trennen. Auch wenn sie sich als Paar trennen und hier vielleicht noch viele Verletzungen und Kränkungen von der Ex-Partnerschaft zu spüren sind, wäre es gut, wenn der Aufenthalt, der Umgang und der Unterhalt für die Kinder, den es zeitnah zu regeln gilt, konstruktiv miteinander ausgehandelt werden kann. Wichtig wäre auch hier die individuellen Bedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen und für sie – auch wenn man selbst als Erwachsener gerade sehr instabil ist – als geeigneter emotioneller Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen oder sich dafür auch professionelle Unterstützung zu suchen. Auch für die Kinder ist es wichtig, einen Raum zu haben, um über ihre Ängste, über ihre Verzweiflung, Trauer und Wut sprechen zu dürfen – und Halt zu bekommen.
Förderlich sind oftmals Ritualsätze für die Eltern wie „…und ich achte dich als Vater meiner Kinder und verspreche dir, in der Gegenwart der Kinder nicht schlecht über dich zu sprechen…“ Entscheidend ist, dass die Kinder beide Elternteile auch weiterhin lieb haben und einen regelmäßigen Kontakt haben dürfen – ohne in einen Loyalitätskonflikt zu geraten. Je nach Alter der betroffenen Kinder gibt es gute Kinderbücher und Trennungsgeschichten, wodurch man als Eltern den Kindern die Trennung besser erklären kann.
Trennung – Krise und Chance zugleich
Wann gilt eine Trennung als überwunden?
Eine Trennung vom langjährigen Partner ist in erster Linie ein kritisches Lebensereignis, eine Krisensituation. Im Chinesischen steht hierfür der Begriff wie-ji, der einerseits aus den beiden Schriftzeichen für „Gefahr“ und für „gute Gelegenheit“ steht. Einerseits markiert die Trennung einen Schlussstrich über ein altes Lebensmodell und einen Lebensabschnitt, der als Teil des eigenen Lebens anerkannt und gewürdigt werden will und den es zu betrauern gilt. Von vielen Erwartungen und Delegationen an den Partner, der die eigenen Bedürfnisse in bestimmten Bereichen nicht erfüllen konnte, muss Abschied genommen und losgelassen werden.
Gleichzeitig stellt sich die Herausforderung sein Leben neu zu ordnen, eine neue Lebensperspektive zu entwickeln und erste Schritte in diese Richtung zu tun. Wenn das gelingt, kann eine Trennung als überwunden bezeichnet und manchmal auch als persönliche Entwicklungschance empfunden werden.
Wie kann pro familia Menschen in Trennungssituationen unterstützen?
Einerseits haben wir in der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle die Möglichkeit Einzelpersonen und Paare bei Trennungsambivalenzen zu begleiten. Im Falle einer Trennungsentscheidung können sozialrechtliche Fragen beantwortet und Betroffene emotional begleitet werden. Wenn Kinder vorhanden sind, besteht darüber hinaus die Möglichkeit gemeinsam mit den Eltern konstruktive und für die Kinder geeignete Lösungsmöglichkeiten insbesondere in Bezug auf Aufenthalt, Umgang und Unterhalt durchzusprechen.
Zusätzlich bietet pro familia in der Beratungsstelle Spiegelau eine Trennungsgruppe für Frauen an. In einem geschützten Rahmen erhalten dabei Frauen die Möglichkeit sich mit anderen auszutauschen, die sich in der gleichen Lebenssituation befinden wie sie. Durch die Gruppe fühlen sich die Frauen häufig weniger allein gelassen – und durch den Erfahrungsaustausch und den fachlichen Impulsen entstehen oftmals Anregungen für eine neue Lebensgestaltung.
Vielen Dank für Ihre Zeit und weiterhin alles Gute.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer
Eine Gesprächsgruppe zum Thema „Wieder glücklich werden nach einer Trennung“ bietet pro familia Niederbayern derzeit in der Außenstelle in Spiegelau an (Haupstraße 2 – 4, samstags von 9.30 bis 11.30 Uhr im 14-tägigen Rhythmus). In der Gesprächsgruppe werden die Teilnehmer in ihrem Trennungsprozess von Familientherapeutin und systemischer Therapeutin Birgit Oberneder begleitet und durch fachliche Impulse unterstützt (mehr Infos bei Klick).