Passau. „Wenn ich einmal groß bin, werde ich Feuerwehrmann!“ Ein Satz, den gewiss viele Kinder schon einmal ausgesprochen haben – und das nicht erst seit „Feuerwehrmann Sam“. Sie holen Katzen von Bäumen, löschen Brände und retten Leben, so das allgemeine Bild der Männer und Frauen mit den (meist) dunkelblauen Anzügen und den roten Fahrzeugen. Feuerwehrler als Traumberuf – doch nicht jede Stadt hat eine Berufsfeuerwehr. In Bayern ist in Orten mit weniger als 100.00 Einwohnern die Freiwillige Feuerwehr (FF) für die Hilfe bei Notfällen, Unwettern oder Bränden zuständig. Und die leistet ganze Arbeit. Ein Besuch bei der FF der Passauer Innstadt.
„Die Feuerwehr löscht bei Weitem nicht nur Brände“, erklärt Jürgen Haselgruber (45). Er ist seit 28 Jahren aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Mit 18 trat der gebürtige Passauer dort ein. „Ein Grund war damals, dass ich den Wehrdienst umgehen wollte“, erinnert sich der hauptberufliche Kfz-Mechaniker. „Außerdem waren einige Freunde bereits mit dabei.“
Neuere Technik – und mehr Frauen
Aufgrund deren Erzählungen über Einsätze, die Technik und die Kameradschaft bekam auch er Lust dazu, das Ganze einmal auszuprobieren. Als Jürgen Haselgruber 1992 der Innstädter Feuerwehr beitrat, befand diese sich noch in einem Barockbau, der heute auch als „Altes Feuerwehrhaus“ oder „Alte Polizei“ bezeichnet wird. Zu seinen Kameraden zählten damals ausschließlich Männer.
1995 zog der Innstädter Löschzug auf die andere Straßenseite, da der alte Standort nicht mehr genügend Platz bot. Doch nicht nur der Sitz der Wache änderte sich über die Jahre: „Mit der Zeit haben wir immer mehr und vor allem neuere Technik dazu bekommen“, berichtet der Löschzugführer. „Da, wo früher Schalthebel und Knöpfe zur Steuerung der Drehleitern waren, sind heute Computer.“ Mittlerweile befinden sich unter den 43 freiwilligen Einsatzkräften auch acht Frauen. „Früher waren ausschließlich Männer erwünscht. Zum Glück hat sich das geändert“, betont der 45-Jährige. Aus Sicht des langjährigen Feuerwehrmanns ist es egal, welches Geschlecht seine Kollegen haben: „Solange sie mithalten können, gibt es da keinen Unterschied.“
Auch bei Fehlalarm: Die Feuerwehr muss kommen
Mithalten können, das bedeutet, fit genug sein, um Türen zu öffnen, Unwetterschäden zu beseitigen, Hochwasser zu bekämpfen. Denn entgegen der Vorstellung vieler Bürger stellen nicht Brände die häufigsten Gründe „zum A’rucka“ dar. „Wir haben im Schnitt zwei bis drei Einsätze pro Woche. Meistens sind dies technische Hilfeleistungen, sprich: Türöffnungen, Tierrettungen oder das Beseitigen von Ölspuren.“ Auch zu sogenannten BMA-Alarmen muss die Feuerwehr anrücken. Hierbei handelt es sich um Brandmelde-Alarmanlagen, wie sie in jeder öffentlichen Einrichtung (Krankenhäuser, Rathäuser etc.) sowie in einigen Mietshäusern zu finden sind.
„Im Brandfall Scheibe einschlagen und Notknopf betätigen.“ Selbst, wenn es sich um ein versehentliches Auslösen des (Fehl-)Alarms handelt: Die Feuerwehr muss kommen. „Es gab wohl mal einen Fall, bei dem sich der Verantwortliche direkt nach Betätigen des Alarms gemeldet hatte und sagte, man sei versehentlich gegen den Knopf gekommen. Im Endeffekt brannte dann das komplette Haus ab. Seitdem sind wir gesetzlich dazu verpflichtet, bei jeder Alarmierung anzurücken.“
Wenn ein entsprechender Notruf eingeht, werden sogleich alle 42 Mitglieder des Löschzuges in der Innstadt per Funk alarmiert. Jeder, der kann, hat dann sieben Minuten Zeit, um zur Wache zu kommen. Sollte es in diesem Zeitraum keines der Mitglieder dorthin schaffen, gibt es einen sog. Nachalarm. „Auch das haben wir manchmal“, schildert der Innstädter Zugführer. „Gerade nachmittags, wenn es Stau auf den Straßen gibt, kann es mal länger dauern.“ Meistens schaffen es jedoch genügend Helfer – ansonsten rückt ein Team der anderen Freiwilligen Feuerwehren Passaus an.
Auch bei Verkehrsunfällen wird die Feuerwehr hinzugezogen. Da die Innstädter jedoch nicht über eine Rettungsspreizer-Ausrüstung zur Öffnung der verunfallten Fahrzeuge verfügen, kümmern sich Jürgen Haselgruber und seine Kameraden überwiegend um die Absicherung des Unfallortes, den Brandschutz sowie die Beseitigung von Ölspuren oder Gefahrengut.
„Neulich hat jemand den Notruf gewählt, da er einen Spatz im Gully gesehen hat. Wir sind dann hin, um den Deckel zu öffnen, doch den Vogel haben wir nicht gefunden. Ein anderes Mal haben wir eine Schlange aus dem Abfluss geborgen, erinnert sich der Passauer. In den vergangenen 28 Jahren hat er schon vieles erlebt: „Belastend sind natürlich Ereignisse wie der Großbrand der Mühle Haibach oder auch die Hochwasser der vergangenen Jahre.“ Auch zwei Tote habe er bereits geborgen. „Da muss man einfach Abstand nehmen. Als Vater von vier Kindern belasten mich natürlich auch Kinderzimmerbrände – bisher sind die aber zum Glück immer gut ausgegangen.“
Der Mythos von der verängstigten Katze im Baum
Mit seiner Leidenschaft hat Jürgen Haselgruber auch seine Frau, seine Tochter und einen seiner Söhne angesteckt: Sie alle sind ebenfalls Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr. Ab zwölf Jahren können Jugendliche zur Feuerwehr gehen, mit 16 dürfen sie dann die erste Prüfung ablegen. Aus Jugendschutzgründen ist es ihnen jedoch bis zu ihrem 18. Lebensjahr nur eingeschränkt erlaubt, bei Einsätzen mitzuhelfen.
Selbstverständlich muss man kein Mitglied der Jugendfeuerwehr gewesen sein, um der Freiwilligen Feuerwehr beizutreten. Voraussetzung ist das Bestehen der sogenannten Modularen Trupp-Ausbildung (MTA). Etwa ein Jahr lang lernen die künftigen Feuerwehrmänner und -frauen dabei theoretische Grundlagen wie den fachkundigen Umgang mit Schläuchen oder das Binden von Knoten zur Sicherung kennen. Nach erfolgreichem Bestehen einer Zwischenprüfung folgt ein weiteres Jahr, bevor sie zur Abschlussprüfung zugelassen werden. Zusätzlich zur Grundausbildung können alle Einsatzkräfte auch eine Atemschutzausbildung absolvieren, die aber nicht verpflichtend ist.
„In den vergangenen Jahren sind die Brände tendenziell eher zurückgegangen“, sagt Jürgen Haselgruber. Gründe dafür sieht er in der moderneren Bauweise von Wohnhäusern sowie in der Brandmelderpflicht. „Es ist übrigens nicht wahr, dass wir im Advent mehr Brände löschen müssen als sonst. Der einzige Weihnachtsbrand, an den ich mich erinnern kann, betraf eine vertrocknete Tanne. Und das war Ende Januar.“
Er habe eher das Gefühl, dass die Bevölkerung heutzutage die Feuerwehr manchmal als eine Art „Hausmeisterservice“ wahrnehme. „Es kommt vor, dass wir gerufen werden, wenn jemand einen Falschparker vor der Tür stehen oder sich von der Wohnung ausgesperrt hat.“ Den Mythos von der verängstigten Katze im Baum könne er im Übrigen nicht bestätigen. „Eine Katze, die den Baum hinaufklettert, kommt auch wieder herunter. Man hat meines Wissens nach noch nie ein Katzen-Skelett in einem Baum gefunden.“
Im Notfall versorgt: die Einsatzzentrale der Innstadt
Für größere Schadensereignisse oder langanhaltende Zustände wie etwa die Hochwasserkatastrophen des Jahres 2013 verfügt der Feuerwehrstandort Innstadt über eine eigene Einsatzzentrale. So kann die Koordination vieler eingehender Anrufe gewährleistet werden.
Außerdem bleibt der Löschzug so auch dann einsatzfähig, wenn er – wie 2013 geschehen – durch die großen Wassermengen vom Rest der Stadt abgetrennt ist. Mit drei Großfahrzeugen, einem Löschfahrzeug und einem Feuerwehr-Pkw ist die Zentrale ausreichend ausgestattet, um im Ernstfall handeln zu können.
„Wir sind so aufgestellt, dass genug Kameraden auch die Großfahrzeuge fahren dürfen“, erklärt der Zugführer. Denn für diese ist ein besonderer Führerschein notwendig. Durch die eingebauten Computer seien auch Bedienung und Steuerung der Fahrzeugtechnik leichter geworden. Jedoch hat es auch hier schon eine Panne gegeben: „Einmal war die Drehleiter nicht mehr einfahrbar, weil der Computer gestreikt hat“, erinnert sich Jürgen Haselgruber. Für solche Fälle gibt es glücklicherweise einen Notbetrieb, der Pannen während eines Einsatzes verhindert.
Alles in allem ist es beruhigend zu wissen, dass es sie gibt: Die Feuerwehr ist nicht nur im Brandfall ein wichtiger Helfer. Mit ihrer freiwilligen Mitgliedschaft leisten zahlreiche Einsatzkräfte Jahr für Jahr ihren wertvollen Dienst, um die Berufsfeuerwehren zu unterstützen oder zu ersetzen. Und einige von ihnen wussten ganz bestimmt schon als Kind, was sie später einmal werden wollen…
Malin Schmidt-Ott