München/Freyung. „Eine Freyungerin, die auszog, um die Welt ein bisschen besser zu machen“ – so beschreibt sich Catja Günther selbst. Die heute 32-Jährige hatte – wie so viele – nach ihrem Abitur den Bayerischen Wald verlassen, um in München zu studieren. „Gemeinsam mit zwei weiteren Mädels haben wir in München vor Kurzem die erste Fair-Fashion-Shopping-Community Deutschlands gelaunched“, teilt sie im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n mit. Titel der Nachhaltigkeitsplattform, bei der sich alles ums Thema faire Kleidung dreht: jesango.de.
Das Wort „jesango“ kommt aus der Sprache Esperanto und bedeutet wörtlich übersetzt: „Ja zu Veränderung“. Genau diese will das Gründerinnen-Trio in Deutschland vorantreiben. Sie sind überzeugt: „Der Zugang zu fairer und nachhaltig produzierter Mode muss endlich moderner und massentauglich werden. Das wollen wir mit unserem Geschäftsmodell einer Shopping-Community erreichen.“ Das Ziel: „Irgendwann sollte es vollkommen normal sein Fair-Fashion zu kaufen. Denn faire Mode sieht schon lange nicht mehr öko und altbacken aus.“
Catja, erzähl uns kurz: Wer steckt hinter der jesango-Idee? Und: Betreibt Ihr den Online-Shop eigentlich hauptberuflich?
Hinter jesango stehen Sophia, die all die tollen, fairen Modelabels entdeckt, Alina, unser kreativer Kopf mit Fokus auf unsere Finanzen, und ich, Catja Günther, verantwortlich für die Website und unser Marketing. Gefunden haben wir uns alle über das Internet auf der Gründerplattform founderio. Wir alle hatten die Vision, faire und nachhaltig produzierte Mode zum Standard zu machen – und so haben wir direkt nach unserem Kennenlernen im Frühjahr 2019 gemeinsam losgelegt. Mittlerweile arbeiten zwei von uns Vollzeit für jesango, ab Frühjahr 2020 werden wir alle drei hauptberuflich den Shop betreiben.
Fokus liegt auf jungen, aufstrebenden Fashion-Labels
Was versteht ihr bei „jesango“ genau unter dem Begriff „faire Kleidung“?
Kleidung gilt dann als fair, wenn die Menschen, die sie produzieren, von ihrem Lohn leben können, keinen gesundheitsschädlichen Bedingungen ausgesetzt sind und grundlegende Rechte haben. Leider sind in vielen Ländern auf unserer Welt ungeregelte Arbeitszeiten, Kinderarbeit und Diskriminierung von Rasse, Herkunft oder Religion immer noch vollkommen üblich.
Auf jesango.de werden ausnahmslos Produkte verkauft, die folgende Voraussetzungen erfüllen:
- eine existenzsichernde und geschlechtsunabhängige Bezahlung, geregelte Arbeitszeiten sowie Sicherheit am Arbeitsplatz; keine Kinderarbeit.
- Die Wertschöpfungskette der Rohstoffe kann nachvollzogen werden: Die Rohstoffe stammen dabei aus fairen Produktionen und es wird ein umweltschonenderer Anbau bei gleichzeitigem Schutz natürlicher Ressourcen angestrebt; gefährliche Pestizide werden vermieden.
- Die Produktion ist möglichst ressourcenschonend und verbraucht bzw. verschmutzt möglichst wenig Wasser; Gesundheitsschädliche Chemikalien werden nicht verwendet.
Und was genau ist eine „Shopping-Community“?
Eine Shopping-Community beschreibt einen Online-Shop, zu dem man nur Zugang nach einmaliger Registrierung erhält. Die Registrierung bei jesango ist vollkommen unverbindlich und kostenlos. Um einen attraktiven Zugang zu den Mode-Labels zu ermöglichen, werden die Produkte auf jesango.de die ersten 48 Stunden zu Vorzugspreisen angeboten. Danach sind sie zu regulären Preisen im Shop verfügbar. Der Fokus liegt dabei auf jungen, aufstrebenden Fashion-Labels, die eine faire und nachhaltige Produktion sowie einen hohen modischen Anspruch verbinden. Jesango garantiert zudem eine plastikfreie Verpackung sowie einen CO²-neutralen Versand.
Mit den Rabattierungen möchten wir den Zugang zu Fair-Fashion erleichtern und Lust auf die tollen Produkte machen. Jedes Produkt hat aber natürlich seinen Wert und soll nicht leichtfertig als Schnäppchen wahrgenommen werden. Wir wollen eine Community aufbauen, die sich wirklich für faire und nachhaltige Produkte interessiert, wollen aufklären und so zu einer langfristigen Auseinandersetzung mit dem Thema anregen. Als erste Shopping-Community für Fair-Fashion bieten wir exklusive und sorgfältig kuratierte Produkte für unsere Mitglieder an. Faire Mode kann nur mit Fast-Fashion, also Massentextilware, mithalten, wenn in Sachen Kundenerlebnis und modischem Anspruch keine Abstriche gemacht werden. Wir entwickeln daher mobile-first, wählen die Labels mit größter Sorgfalt aus, verschicken selbst und schauen uns viel von den Großen ab.
Fair-Fashion ist nach wie vor ein Nischenmarkt
Wie ist es eigentlich zur Jesango-Online-Plattform gekommen?
Uns ist das Thema Nachhaltigkeit im persönlichen Leben sehr wichtig – wie zum Glück mittlerweile immer mehr Menschen. Wir haben jedoch festgestellt, dass wir beim Kauf unserer Kleidung noch nicht besonders nachhaltig geshoppt haben – und merken, dass es vielen um uns herum so geht. Unabhängig voneinander haben wir uns gefragt, ob das Image „öko“ und „unbezahlbar“ bei Fair-Fashion noch gerechtfertigt ist und sind zu dem klaren Schluss gekommen: Nein!
Es gibt so viele tolle, coole, stylische fair und nachhaltig produzierende Labels da draußen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, genau diesen Labels eine Plattform zu bieten. Fair-Fashion ist nach wie vor ein Nischenmarkt. Klar gibt es bereits Online-Shops zu diesem Thema, aber was Kundenerlebnis und modischen Anspruch angeht, haben uns die aktuellen Lösungen bisher immer abgeschreckt. Das muss besser gehen. Wir haben also jesango gegründet, weil uns selber genau so ein Online-Shop gefehlt hat. Ein Jahr lang haben wir dann an unserem Business-Modell gefeilt. Besonders schwer war für uns die Balance zwischen Konsum und nachhaltigem, achtsamen Lebensstil zu finden. Um beidem gerecht werden zu können, haben wir uns dann für einen registrierungspflichtigen Shop entschieden.
Glaubst Du, dass die Gesellschaft bereit ist für faire Mode? Oder gilt ein Kauf in dieser Branche weiterhin als ungewöhnlich?
Aktuell mag Fair-Fashion noch auf einige Menschen etwas nischig und eigen wirken. Studien zeigen aber, dass die sogenannte Neo-Ökologie zunehmend das Konsumverhalten prägt. Immer mehr Menschen hinterfragen, wie es sein kann, dass ein T-Shirt für 2,99 Euro oder eine Jeans für 14,99 Euro verkauft werden kann – insbesondere im Hinblick auf die Schäden für unsere Umwelt. Der Markt der Zukunft ist grün, Ressourceneffizienz wird immer häufiger von den Konsumenten vorausgesetzt. Wir leben in so vielen Bereichen bereits bewusster – achten etwa auf Fleischkonsum und Plastikverbrauch – und diskutieren über die Mobilität der Zukunft. Die Fashion-Industrie ist nach der Öl-Industrie der weltweite Umweltverschmutzer Nummer eins – und dennoch kam sie in all den Nachhaltigkeitsdebatten der letzten Monate kaum vor. Um das zu ändern, muss der Zugang so leicht wie möglich sein. Das wollen wir erreichen.
Die Wirtschaft ist nur ein Spiegel unseres tagtäglichen Handelns
Wie werdet Ihr auf die Label, die auf Eurer Webpräsenz zu finden sind, aufmerksam?
Da wir auch kleineren, noch unbekannten Labels eine Plattform bieten wollen, verbringen wir tatsächlich sehr viel Zeit mit der Recherche nach tollen Produkten. Wir durchkämmen regelmäßig das Internet und werden oft bei Instagram oder Etsy fündig. Besonders wichtig sind für uns jedoch Messen. Nicht nur große Fair-Fashion-Messen wie die Neonyt in Berlin, sondern vor allem kleine Veranstaltungen wie z.B. der Heldenmarkt oder die Greenstyle Munich. Da die Branche noch verhältnismäßig klein und gut vernetzt ist, melden sich teilweise auch Labels direkt bei uns.
Und wie wird sichergestellt, dass die jesango-Produkte auch tatsächlich fair gehandelt werden?
Transparenz, Ehrlichkeit und Augenhöhe sind die Werte, mit denen wir unseren Labels sowie unseren Kunden begegnen. Wir wählen unsere Labels mit größtmöglicher Sorgfalt aus, legen Wert auf einen engen Austausch und bohren ganz genau nach, wenn es um die einzelnen Schritte in der Wertschöpfung geht und darum, eine faire und nachhaltige Produktion zu gewährleisten. Und das ist gar nicht so einfach, vor allem da es bisher keine allgemein gültige Definition für „fair und nachhaltig“ – gibt und die Wertschöpfungsketten enorm kleinteilig sind.
Neben starken Siegeln und Zertifizierungen vertrauen wir daher auf unsere eigene Urteilskraft, haben einen ausgeklügelten Fragebogen entwickelt und machen bei jedem Produkt transparent, wo, wie und unter welchen Bedingungen produziert wird und welche Materialien dabei zum Einsatz kommen.
Lassen sich Umweltschutz und profitorientiertes Wirtschaften überhaupt miteinander verbinden?
Wir sind davon überzeugt, dass es sogar unbedingt so sein muss. Denn die Wirtschaft ist nur ein Spiegel unseres tagtäglichen Handelns. Und genau dieses gilt es doch in Anbetracht der Klima-Situation dringend zu verändern. Wichtig ist hierbei, dass folgende Komponenten Hand in Hand gehen: Ein ehrlicher Wille des Unternehmens, sich für die Menschheit und die Umwelt einzusetzen. Kunden, die kritisch hinterfragen. Mitarbeiter, die neben ihrem Gehalt auch Sinnhaftigkeit verlangen.
Denn was wertig ist, das hält auch lange
Um den Konsum wieder in ein geordnetes Maß zu bringen, ist es vor allem wichtig, die Wertigkeit der Produkte wieder in den Vordergrund zu stellen. Denn was wertig ist, das hält auch lange. Durch die Wertigkeit möchten wir den Fast-Fashion-Zyklus durchbrechen, an den sich inzwischen so viele gewöhnt haben. Es ist nicht normal, dass Kleidungsstücke nur eine Saison halten und dann auf dem Müll oder im Kleidercontainer landen. Für die Herstellung wurden wertvolle Ressourcen verwendet, die mit viel Einsatz verarbeitet worden sind. Nahezu jedes Kleidungsstück ist Handarbeit, da die Produktionsschritte viel Geschick erfordern. Die Herstellung von Kleidung ist ein Handwerk – und Kleidung hat einen Wert.
Abschließend ein Blick in die Zukunft: Welche ideellen und betriebswirtschaftlichen Ziele verfolgt ihr in absehbarer Zeit?
Wir wollen Fair-Fashion zum Standard machen und die erste Anlaufstelle dafür werden. Gleichzeitig beschäftigen wir uns intensiv mit Themen wie Konsum, Re- und Upcycling sowie dem Leasing von Kleidung. Wir wollen viel ausprobieren und vielleicht auch weitere innovative Ansätze an jesango andocken.
2. Tiefbrunnen und Grundschule in Sakrail, Bangladesch from MADE IN BANGLADESH e.V. on Vimeo.
Mit unserer Community wollen wir etwas bewegen! In Zusammenarbeit mit MADE IN BANGLADESH e.V. spenden wir für den Bau von Tiefbrunnen – für jede einzelne Registrierung und Bestellung, von Anfang an. Bangladesch ist der zweitgrößte Textil-Exporteur. Jedoch leiden in diesem Land viele Menschen und die Natur unter der schmutzigen Industrie. Sauberes Trinkwasser ist keine Selbstverständlichkeit, denn viele Textilfabriken leiten Schmutzwasser ungefiltert in die Flüsse.
Unser Ziel ist es bis Ende 2020 in drei Dörfern Tiefbrunnen zu bauen, die dann für rund zehn Jahre Zugang zu sicherem Trinkwasser bieten. Aktuell sind wir auf der Suche nach Investoren und weiteren Business Angels, um jesango richtig groß zu machen.
Wir wünschen dafür alles Gute und viel Erfolg.
die Fragen stellte: Helmut Weigerstorfer