Passau. Die Idee entstammt ursprünglich einem Computerspiel – und erobert inzwischen neben der virtuellen auch zunehmend die echte Realität: Das Ziel des Spiels besteht darin, einen Ort, an dem man gefangen ist, zu verlassen. Als Urvater dieses Spielkonzepts gilt das Onlinespiel „Crimson Room“ des Japaners Toshimitsu Takagi aus dem Jahr 2004. Bei der Live-Variante, den so genannten „Escape Games„, werden mehrere Personen gemeinsam in einem Raum (oder mehreren Räumen) eingesperrt und müssen innerhalb einer Stunde ihr Gefängnis mit Hilfe der darin versteckten Hinweise und Gegenstände wieder verlassen.
Weltweit erfreut sich das Konzept wachsender Beliebtheit. In Deutschland sind es zwei Gründer aus Niederbayern, die dem Flucht-Abenteuer als Freizeitspaß seit fünf Jahren zum Durchbruch verhelfen.
„Da war uns schon etwas mulmig zumute“
Die Erfolgsgeschichte der deutschen Escape Rooms beginnt mit einem Ausflug der beiden Passauer Freunde Christian Dorn und David Farkas nach Budapest. Die beiden, die sich seit der Grundschule kennen, sind nach Ungarn gefahren, um Davids frühere Heimat zu entdecken. Es ist 2013. „Ihr müsst euch unbedingt einmal einsperren lassen“, meint ein Kommilitone damals. Die beiden zögern: „Aber wenn es der neueste Schrei ist – dann machen wir das“, erinnert sich David Farkas, der heute 36 Jahre alt ist.
Die beiden gehen eine dunkle Straße entlang, die sie in den Hinterhof einer Kneipe in ein verfallenes Haus führt. Der Raum, in den sie eingesperrt werden, ist düster. Er erinnert an ein sehr altes, heruntergekommenes Wohnzimmer. Es hängen überall Schlösser und Schlüssel an der Wand. „Dort standen wir nun, in einem wirklich abgeschlossenen Raum. Da war uns schon etwas mulmig zumute“, sagt David rückblickend. Geschafft haben die beiden ihren ersten Escape Room übrigens nicht. „Denn wir haben viel Zeit mit Selfies vergeudet.“ Es ist jedoch dieser Moment in Budapest, in dem sie das Fieber der Escape-Games packt. Auf der Rückfahrt nach Bayern sprechen die beiden ununterbrochen davon – und entschließen sich aus ihrer Begeisterung ein Business zu machen.
Sie gründen das Unternehmen „youexit„. Das war im Jahr 2014. In der Passauer Altstadt, in der Schrottgasse direkt neben dem Anleger der großen Kreuzfahrtschiffe, planen sie ihren ersten Escape Room. „Wir saßen da mit Flipchart und Dosenbier und haben in unserem unausgebauten Raum erst einmal gebrainstormt. Wir erarbeiteten uns nach und nach die Handlungsstränge, eine Story und schafften das Equipment an“, erinnert sich David Farkas an die Anfänge.
Mehr als 700 Räume gibt es in mittlerweile bundesweit
Noch im selben Jahr eröffnen die beiden Start-up-Unternehmer ihren ersten Raum: eine „bayerische Stube“. Denn die beiden dachten, besonders viele der internationalen Kreuzfahrt-Touristen würden bei ihnen Station machen. Schnell stellte sich aber heraus, dass es die Einheimischen sind, die „Lust auf Flucht“ haben – bis dato kamen gerade einmal zwei amerikanische Gäste. Wachsender Beliebtheit erfreut sich das Angebot dagegen bei regionalen Unternehmen, die das Abenteuer als Maßnahme für das Team-Building nutzen. „Denn diese Aktivität ist planbar, wetterunabhängig und zusammenschweißend“, weiß Christian Dorn.
Der Escape Room in Passau ist 2014 einer der ersten seiner Art in der Bundesrepublik. „Wir haben uns von Anfang an als Botschafter dieser Idee in Deutschland gesehen“, so die beiden Niederbayern. Offenbar mit Erfolg: Mittlerweile kennt der Siegeszug des außergewöhnlichen Freizeitspaßes für alle Rätsel- und Adventurefreunde keine Grenzen mehr: Mehr als 700 Räume gibt es in mittlerweile bundesweit.
Die beiden Passauer bieten ihre Live-Escape-Games heute an zwei Standorten in der Dreiflüssestadt an, in Eggenfelden im benachbarten Rottal sowie im österreichischen Kopfing. „Zum Lösen der Rätsel müssen die Teilnehmer keine Raketenwissenschaftler sein“, sagt Christian Dorn und ergänzt: „Wir garantieren nicht das Entkommen, aber ein unvergessliches Erlebnis und eine unvergleichliche Erfahrung.“
Alle Storys planen die beiden 36-Jährigen bis heute selbst. Auch das Konzept ihres bisher „höchsten“ Projekts entstammt der Phantasie der beiden: ein Escape Room in 40 Metern Höhe als Teil des Kopfinger Baumkronenwegs. Dort rätseln sich – in einer Märchenwelt der Gebrüder Grimm mit dem Namen „Unfairytale“ – vor allem Familien mit Teamarbeit, Kreativität und Geschicklichkeit in die Freiheit.
„Wir wollen weiter expandieren“
Mittlerweile gelten die beiden Gründer als Experten für das Thema, erhalten immer wieder Anfragen von Interessenten, die sich ebenfalls mit dem Gedanken tragen, ein Live-Fluchtspiel anzubieten. Die beiden sehen sich als Berater und könnten sich auch vorstellen, einen kompletten Raum im Rahmen eines Franchise-Modells „zu verkaufen“. Was ihnen am meisten Spaß macht? „Die Rätsel zu entwickeln und die Räume zu bauen.“
Bis heute sind die Escape Rooms nicht der einzige Broterwerb der beiden Kreativschaffenden – und genau darin sehen sie auch ihr Erfolgsgeheimnis: „Wir müssen uns nicht ausschließlich nach finanziellen Aspekten richten“, sagt Christian Dorn, der viele Jahre in der Produktionsplanung in verschiedenen Industrieunternehmen arbeitete und heute selbstständig in der Unternehmensberatung tätig ist. David Farkas ist Software-Entwickler und bereits seit über einem Jahrzehnt sein eigener Chef.
Das Team ihres gemeinsamen unternehmerischen Babys „youexit“ in Passau besteht heute aus einem festen Kern von fünf Mitarbeitern, die sich um Buchhaltung, Technik und die Rätsel kümmern, sowie mehreren Studierenden, die die Adventure-Welt unterstützen. Für die Zukunft haben die beiden noch vieles geplant. Ihr klares Ziel: „Wir wollen weiter expandieren.“