Mauth. Wer die Halle betritt, in der Václav Sobotka und Pavel Filo ihre Glaskunstwerke her- und ausstellen, landet in einem bunten Meer aus Glaskugeln, aus Tieren, Blumen und sogar Motorrädern aus Glas. Alles, was man hier kaufen kann, ist handgemacht – und kein Objekt gleicht zu einhundert Prozent dem anderen. Die beiden Tschechen halten damit eine jahrhundertealte Kunsttradition des Bayer- und Böhmerwalds am Leben.
Mehr als zwanzig Jahre stehen Václav und Pavel nun schon am 1.200 Grad heißen Ofen in Mauth, um dort ihrer Glaskunst Leben einzuhauchen. Sie gießen dabei ihr Glas nicht in Formen, sondern modellieren es mit Pinzetten und Zangen. Kugeln und alle anderen runden Objekte sind mundgeblasen. Wie das geht, darf jeder Besucher auch gerne selbst ausprobieren.
Aus der Fabrik zur Kunst
Kennengelernt haben sich die beiden in der Glasfabrik im tschechischen Lenora (zu Deutsch: Eleonorenhain). Beide kommen aus der Gegend nahe der bayerisch-tschechischen Grenze bei Philippsreut – und leben auch heute noch dort. „In der Fabrik war es unsere Aufgabe, Glas in Holzformen zu gießen“, erzählt der 49-jährige Václav. Die Techniken, mit denen sie in Mauth ihre Glaskunstwerke erschaffen, haben sie erst später erlernt.
Als die Glasfabrik in Lenora geschlossen wurde, kamen beide in den Glasmacherort Spiegelau. Und Václav war es, der schließlich für Familie Van Eyk, die ehemaligen Besitzer der Glasmanufaktur in Mauth, arbeitete. Ende der 90er Jahre mietete er schließlich von ihr die Halle in Mauth an – und ist seitdem verantwortlich für Herstellung und Verkauf. „Das war viel Arbeit, kein Acht-Stunden-Job mehr wie vorher als Angestellter“, sagt Václav und lacht. Deshalb hat er sich seinen Freund Pavel mit dazu geholt.
Ein kleines Manko gab es zu Beginn jedoch: die Sprache. „Als ich hierher in die Glasmanufaktur kam, konnte ich nur ein paar Worte“, erinnert sich Václav. In der Spiegelauer Fabrik sei es nicht unbedingt von Nöten gewesen, deutsch zu sprechen. „Dort waren auch ein paar andere Tschechen, die deutsch konnten“, sagt er. „Die haben uns alles erklärt.“ In der Manufaktur habe er dann jedoch sehr schnell die Sprache gelernt: „Jeden Tag zehn neue Wörter.“ Mittlerweile hat er keinerlei Probleme mehr, seinen Besuchern die Glaskunst zu erklären.
„Kopieren brauchen wir nicht“
In Sachen Glashandwerk war die Glasfabrik in Lenora eine gute Schule, betont Václav. Denn damals seien die Arbeiter dort nicht am Fließband gestanden, sondern hätten alle Schritte im direkten Produktionsablauf erledigen müssen. Wie allerdings Elefanten, Libellen, Rosen samt Vasen oder Vögel als Weihnachtsschmuck hergestellt werden, haben sich Václav und Pavel selbst beigebracht. „Da ist viel Übung nötig.“ Und sicherlich auch eine gehörige Portion Talent.
Ebenso stammen die Ideen für ihre Kunstwerke allesamt von den beiden Kunsthandwerkern selbst. „Seit wir die Glaskunst in Mauth machen, waren wir nur ein einziges Mal in einer anderen Glashütte zu Besuch“, informiert Václav . Was die anderen machen, interessiert ihn ohnehin kaum, denn: „Unsere Produkte sind die unseren – kopieren brauchen wir nicht.“
Das teuerste und gleichzeitig ungewöhnlichste Objekt in ihrer Ausstellung ist ein Formel-1-Flitzer: „Den hat sich eine Dame als Geschenk für ihren Sohn gewünscht“, berichtet Václav. Drei Tage Arbeit stecken in jedem Rennwagen, den sie verkaufen. Deshalb kostet er auch 300 Euro. Liebhabern ist es das aber wert, bestätigt der Glaskünstler. Neben dem Rennwagen verkauft er auch immer wieder ein ebenso teures Motorrad aus Glas. „Einmal hat mir eine Familie ein Foto ihres Papageis gezeigt“, erzählt Václav. „Einen Tag später war er fertig.“
Eine Glas-Schildkröte für Frau Chirac
„Für die Eisstock-Meisterschaft haben wir mal 500 kleine Eisstöcke aus Glas gemacht“, berichtet Václav weiter. Solche Spezialaufträge sind eher selten. An einen kann sich der Böhmerwäldler aber noch ganz genau erinnern: „Ich habe eine Schildkröte aus Glas entworfen – für die Frau von Jacques Chirac.“ Das ehemalige französische Staatsoberhaupt war zu Besuch in Deutschland und es gab einen Wettbewerb: Die schönste Glas-Schildkröte ging als Staatsgeschenk an den Besuch aus Frankreich. Vaclav hatte den Wettbewerb mit seinem Objekt gewonnen. Nun gehört sie also zur Sammlung der Präsidenten-Witwe.
Touristen und Reisegruppen würden meist zu Vasen mit Glasblumen darin greifen. „Die Rosen sind unser Bestseller“, sagt Václav. Und natürlich probieren auch viele Besucher gerne selbst aus, wie man eine Glaskugel mit dem Mund formt. „Das können schon Zweijährige austesten, wenn sie wollen“, sagt der Glaskünstler. „Die Mama muss nur am Anfang mithelfen, weil es da am schwersten geht.“
Wer die selbst geblasenen Kugeln mit nach Hause nehmen will, muss sich ein bisschen gedulden: „Sie müssen einen Tag lang abkühlen, sonst zerbrechen sie“, erklärt Václav. Wer seine Kugel nicht abholen kann, dem schicken die beiden Glaskünstler sie gerne auch per Post zu. „Das ist kein Problem“, beteuert Václav. „In all den Jahren ist nur ein einziges Mal eine Kugel beim Transport kaputt gegangen.“
Das ganze Jahr über gibt es übrigens mundgeblasene Weihnachtskugeln in der Ausstellungshalle zu begutachten. „Die verkaufen sich auch im Sommer gut“, weiß Václav und lacht. Bemalen lassen die beiden ihre runden Erzeugnisse ebenfalls per Hand: „Das machen unsere Ehefrauen“, erzählt Pavel. Eine Vision für die Zukunft haben die beiden auch schon: „Ein mobiler Ofen wäre gut“, sagt Václav. „Um auch auf Weihnachtsmärkten unsere Glasbläser-Kunst vorführen zu können.“
Sabine Simon