Neuschönau. „DorfWaldgarten“ nennt sich das Projekt, das der Verein „Zeitwende e.v. – nachhaltig leben und wirtschaften“ in Neuschönau auf einer Wiese oberhalb der Grundschule umsetzen will. Hier soll ein Garten nach dem Prinzip der Permakultur entstehen, eine „essbare Landschaft“. Dabei dürfen alle, die Lust haben, mithelfen, miternten oder einfach durchschlendern und probieren, was im Naturgarten alles wächst.
„Unser Ziel ist es, Flächen zu retten und ökologisch sinnvoll zu bewirtschaften“, beschreibt Martina Kirchpfening die Arbeit ihres Vereins „Zeitwende“. Sie hat zusammen mit Biogärtnerin Ursula Klöpper aus Perlesreut vor sechs Jahren ein Netzwerk gegründet, in dem sich Leute austauschen können, die an Themen wie Permakultur, ökologischem Wirtschaften und nachhaltigem Leben interessiert sind. Vor drei Jahren ist der Verein entstanden, unter dessen rechtlicher Schirmherrschaft nun Projekte umgesetzt werden.
Tiere halten, mit der Sense mähen: Der Verein zeigt, wie’s geht
Es gibt Arbeitsgruppen, Vorträge und Kurse: Wissbegierige können über den Zeitwende-Verein zum Beispiel das Mähen mit der Sense lernen, Käse selber machen oder Obst einkochen. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit artgerechter Tierhaltung zur Selbstversorgung. „Hier ist auch eine kleine Börse entstanden, bei der die Netzwerk-Mitglieder untereinander ihre Tiere tauschen“, erklärt Martina Kirchpfening.
Und nun also das erste Großprojekt. Die Idee für den DorfWaldgarten hat sich nach und nach entwickelt. „Wir haben schon oft in Gartenbauvereinen Vorträge zum Thema Permakultur organisiert“, sagt die Vereinsvorsitzende. „Viele interessieren sich dafür, wie sie Flächen ökologisch bewirtschaften können.“ Zu Hause im eigenen Garten würden sich die meisten jedoch nicht trauen, neue Ideen umzusetzen. Im DorfWaldgarten darf deshalb künftig jeder mithelfen, lernen oder einfach nur begutachten, was der Verein dort anbaut und sich Anregungen für den eigenen Garten holen.
„Viele haben Angst vor Unordnung“
Im DorfWaldgarten darf auch mal ein Haufen Äste liegen bleiben. Gras muss nicht ständig gemäht, Blätter müssen nicht sofort weggefegt werden. Zeitwende-Mitglied Hans Madl-Deinhart hofft, dass die Besucher der Einrichtung im Anschluss auch den eigenen Garten wieder etwas naturnaher gestalten: „Die Wildnis muss wieder rein in die Gärten des Grauens“, sagt er und lacht. Viele hätten Angst vor der Unordung im Garten, pflichtet ihm Martina Kirchpfening bei. Im DorfWaldgarten müsse sich keiner darüber Gedanken machen, was denn der Nachbar sagen könnte – hier dürfe jeder ausprobieren und lernen.
Die 55-Jährige macht daheim im eigenen Garten bereits das, was der Verein in Neuschönau im größeren Stil plant: Ihr Garten ist nach den Permakultur-Prinzipien erschaffen. Er ist in Schichten angelegt, vieles wächst dicht nebeneinander: Vom Boden bis hinauf zu den Bäumen findet sich in jeder Schicht Nutzbares und Essbares. Ähnliches ist für den DorfWaldgarten vorgesehen: Von niedriger bis hoher Bepflanzung will der Zeitwende-Verein ihn in unterschiedlichen Zonen ausarbeiten.
Jeder darf Ideen einbringen
Jörg Schäfer wird den Garten planen. Der gelernte Landwirt hat eine Zusatzausbildung im Bereich „Permakultur-Design“ absolviert. Er macht sich nun darüber Gedanken, wie sich das Hanggelände in Neuschönau am besten in einen Naturgarten verwandeln lässt. Und er hat bereits viele Ideen im Kopf, welche Bäume und Sträucher hier bald wachsen sollen, wo er Hochbeete, Hügelbeete oder auch Kraterbeete machen möchte. Der DorfWaldgarten solle aber kein reiner Nutzgarten werden, sondern auch ein Ort der Begegnung und der Erholung, betont Martina Kirchpfening. Das Gelände soll einen Lebensraum für viele Insekten bieten.
Etwa zwei Drittel der Anlage lassen sich vorab planen, der Rest müsse sich nach und nach entwickeln, sagt Schäfer: „Manches kommt am Ende doch ganz anders. Der Garten entsteht beim Umsetzen – wir lernen von der Natur“, ist er überzeugt. Der Zeitwende-Vorteil: Beim Ausprobieren und Lernen von der Natur darf jeder mitmachen – die Vereinsmitglieder sind für jede Idee offen, sagt die Vorsitzende.
Förderung vom Staat ist bereits genehmigt
Natürlich brauche es Zeit, bis der Garten gewachsen und die ersten essbaren Ergebnisse vorhanden seien, betont Jörg Schäfer. Zeitwende-Vorstandsmitglied Astrid Gelaudemans pflichtet ihm bei und zitiert eines der Grundprinzipien der Permakultur: „You can’t make a leave grow, when you’re stretching it!“ Ein Blatt wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. „Wir bauen hier keinen Kurpark“, betont auch Martina Kichpfening. „Der Garten und wir: Beides zusammen ergibt ein lernendes System.“ Denn man müsse auch vieles erst einmal ausprobieren und die Frage klären: Was wächst wo am besten?
Nun ist der Förderbescheid für das Projekt endlich da, das Zeitwende-Team kann mit dem Projekt loslegen. Die Kosten für den Naturgarten werden zu 60 Prozent durch das EU-Programm LEADER gefördert. Zudem unterstütze die Gemeinde Neuschönau den Verein sowohl finanziell als auch durch konkrete Zusammenarbeit: Das künstlerisch gestaltete Häuschen etwa, das am Rande des Gartengeländes steht, hat die Gemeinde errichten lassen. Der Zeitwende-Verein darf es künftig mitnutzen. Außerdem werde der DorfWaldgarten in den „Holzerlebnisweg“ der Gemeinde Neuschönau integriert.
Trotz Förderung und Unterstützung durch die Gemeinde benötige der Verein noch weitere Geldgeber. Denn das Projektvolumen beläuft sich auf satte 70.000 Euro. „Wir planen ein Crowdfunding“, blickt Martina Kirchpfening voraus. Zudem soll es am 15. November (17.30 Uhr) eine Infoveranstaltung zum DorfWaldgarten in der Grundschule Neuschönau geben. „Alle Interessierten sind dazu eingeladen.“
Sabine Simon